Prozess am Landgericht München:"Zu meinem Entsetzen wurde das nicht behandelt"

Prozess um einen Millionenraub aus einer Münchner Bank

Der Strafprozess wird vor dem Landgericht in München am Stiglmaierplatz geführt.

(Foto: dpa)

Der Psychotherapeut wusste von den pädophilen Fantasien des angeklagten Erziehers aus dem Landkreis Ebersberg. Wurde die Arzt-Empfehlung übersehen?

Aus dem Gericht von Korbinian Eisenberger, München

Im Strafprozess gegen einen Erzieher wegen Kindesmissbrauch hat sich am dritten Verhandlungstag der Verdacht erhärtet, dass die Neigungen des Angeklagten schon früher hätten behandelt werden können. Dies ist auf die Aussage eines Psychotherapeuten zurückzuführen, der am Dienstag vor dem Münchner Landgericht als Zeuge vernommen wurde. Demnach habe der Arzt über Fantasien des Erziehers zu Sexualität mit Kindern Bescheid gewusst und entsprechende Empfehlungen bei der Überstellung in eine Klinik schriftlich erteilt. Dort wurde der 49-jährige Familienvater zwar behandelt, laut des Therapeuten aber lückenhaft. Der sagte vor Gericht: "Zu meinem Entsetzen wurde das Thema nicht behandelt."

Der Angeklagte hatte in den vorherigen Verhandlungen viele der Beschuldigungen eingeräumt. So gab er etwa zu, sich in einem Kinderhort im westlichen Landkreis Ebersberg mehrfach sexuell an einem damals sieben- beziehungsweise achtjährigen Mädchen vergangen zu haben. Den Missbrauch eines weiteren Kindes - einer damals neunjährigen Freundin seiner eigenen Tochter - hatte er ebenso gestanden wie den Besitz einer knapp 1500 Dateien großen Sammlung an kinder- und jugendpornografischen Bildern und Videos.

Die mutmaßlichen Übergriffe datieren aus den Jahren 2018 und 2019. Die Überweisung durch seinen Psychotherapeuten an eine Klinik in Oberbayern fand offenbar bereits früher statt, der Aussage des Arztes nach im Jahr 2017. "Er hat mir gegenüber erwähnt, dass Kinder ihn anziehen und dass er sexuelle Fantasien habe", sagte der Arzt im Gerichtssaal. Also habe er den Versuch unternommen, "ihn erst mal rauszunehmen" - und den Patienten mit entsprechenden Hinweisen in die Klinik einweisen lassen. "Das, was mir überhaupt das Hauptanliegen war, wurde dort therapeutisch nicht thematisiert", so der Arzt. Behandlung von sexuellen Fantasien mit Kindern? "Im Entlassungsbefund stand kein einziges Wort drin, ich war fassungslos."

Weiter erklärte der Arzt, dass dem Patienten nach dem Klinikaufenthalt in seiner Wahrnehmung berufliche Schwierigkeiten zu schaffen machten. Unstimmigkeiten mit seinem Chef im Kinderhort seinen nun der "Schwerpunkt seiner Problematik" in den Therapiesitzungen gewesen.

Der Angeklagte äußerte sich in der Verhandlung zu seinen Motiven. "Ich habe während der Tat nicht das Gefühl gehabt, dass es so schlimm war, wie es tatsächlich war", sagte er. Erst durch die Aussagen der betroffenen Angehörigen im Verlauf des Prozesses sei ihm die Dimension seiner Handlungen bewusst geworden, so der 49-Jährige. "Im Nachhinein verstehe ich es nicht", sagte er, was beim Richter Fragen aufwarf. "Das könnte man nachvollziehen, wenn es einmaliges Fehlverhalten war", sagte der, "aber bei mehreren Malen klingt es ein bisschen komisch".

Wie er in Zukunft mit seiner Neigung umgehen wolle, fragte der Richter weiter. "Es ist schwierig, ich werde mir auf jeden Fall irgendwie Hilfe holen", so der Angeklagte. "Professionelle Hilfe." Er wolle "absolut sicher stellen, dass es nicht mehr vorkommt". Am Mittwoch wird der Prozess fortgesetzt.

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