Seltsame Praxis:Mit Haken und Auslösen

In Zorneding verschwinden über Nacht Autos von Privatgrundstücken. Dahinter steckt eine Firma, die ein Geschäftsmodell daraus macht: Sie schleppt ab, wenn niemand mehr damit rechnet

Von Viktoria Spinrad, Zorneding

Am Ende gab sie entnervt auf, wie die meisten in ihrer Situation, und zahlte den Betrag, der ihr eigentlich viel zu hoch erschien. "Wir hatten uns nichts dabei gedacht", sagt die Zornedingerin Nathalie Dannert (22) heute, als Konsequenz sollten sie und ihr Freund 407 Euro berappen. Dafür, dass ihr Auto in einer Nacht von Sonntag zu Montag vom Privatparkplatz am Birkenhof in Zorneding verschwand - und von einem Abschleppunternehmen mit einer eigenwilligen Praxis in einer Nebenstraße in Vaterstetten abgestellt wurde. Als ihr Freund am Morgen runterkam, stand dort also - nichts mehr.

Seltsame Praxis: Steht ein Auto zu lange am Zornedinger Birkenhof, wird es an einen unbekannten Ort verschleppt und erst gegen viel Geld zurückgegeben.

Steht ein Auto zu lange am Zornedinger Birkenhof, wird es an einen unbekannten Ort verschleppt und erst gegen viel Geld zurückgegeben.

(Foto: Christian Endt)

Seit rund drei Jahren steht vor den Parkplätzen am Einkaufszentrum Birkenhof ein Schild, welches das Areal als Privatgrundstück ausweist. Drei Stunden lang dürfen Kunden der anliegenden Geschäfte hier parken. Zwischen ein Uhr nachts und sieben Uhr in der Früh herrscht aber Parkverbot, auch für die Anwohner. Wenn man Pech hat, kommen dann die von der Parkräume KG beauftragten Abschlepper, und das Auto steht dann wie der Nissan von Nathalie Dannert irgendwo im Landkreis. Den eigentlichen Standort verrät das Unternehmen, das bundesweit operiert, erst nach eingegangener Zahlung.

Der Firmenchef war bereits wegen Erpressung angeklagt

"Schade, dass man gegen diese Firma nicht ankommt", sagt Dannert, deren Anwältin ihr trotz Rechtsschutzversicherung von einer Klage abriet. Denn so dubios die Methode der "Lösegeldforderung" der Firma erscheint - sie ist rechtens, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in höchster Instanz entschieden hatte und damit das Unternehmen entlastete. "Zurückbehaltungsrecht" heißt das, der Knackpunkt liegt bei dem Betrag, den das Unternehmen einfordert. Denn der BGH sprach den Geschäftsführer zwar von dem Vorwurf der schweren Erpressung frei. Aber er entschied auch, dass nicht mehr als ortsübliche Abschleppkosten verlangt werden dürfen. Ein schwammiger Begriff, der nirgends bindend festgelegt ist, sondern den jedes Gericht im Einzelfall ermitteln müsste.

"Wir brauchten die Unterlagen im Auto dringend", sagt Dannert, die zunächst den Weg über das Amtsgericht ging, 150 Euro hinterlegte, worauf sich das Unternehmen aber nicht habe einlassen wollen. Die Hinterlegung empfehlen die Amtsgerichte aber trotzdem: "Damit geschieht eine Beweislastumkehr, die Firma muss also beweisen, dass ihr Preis angemessen ist", sagt Klaus-Peter Jüngst vom Amtsgericht München. Der erste Schritt führt die Leute aber zunächst zur Polizei. "Mit Beschwerden über das Unternehmen haben wir regelmäßig zu tun", sagt Markus Stocker von der Polizei Poing. Das Unternehmen lasse der Polizei die Kfz-Kennzeichen der abgeschleppten Wagen zukommen; wenn Leute ihr Auto als gestohlen melden wollen, verweise man auf das Unternehmen. Durch die rechtliche Situation habe die Polizei sonst keine Handhabe, auch wenn das Vorgehen "moralisch verwerflich" sei.

Im Raum München ist das Unternehmen, das Menschen wie Nathalie Dannert Zeit und Nerven kostet, berüchtigt - auch innerhalb der Branche. Als "nicht mehr ertragbar" bezeichnet Christian Holm vom Abschlepp-Team München die Forderung von 407 Euro, er nehme pauschal 150 Euro für Abschleppungen. Auch Karl Unterhaslberger vom gleichnamigen Abschleppunternehmen sagt zur Parkräume KG: "Das ist nicht unser Niveau." Die Parkräume KG selber beteuert auf Anfrage, dass der Preis, der sich erst nach Rücksprache mit der Eigentümerin auf 334 Euro verringerte, "absolut üblich" sei. Zudem gebe es "keinen vernünftigen Grund", bundesweit Verwahrstellen zu betreiben.

Die Gemeinde kann gegen die rabiaten Methoden nicht vorgehen

Im Zornedinger Rathaus zeigt man sich derweil machtlos. "Die Eigentümerin übt ihr Hausrecht aus", so Bürgermeister Piet Mayr (CSU). Zweite Bürgermeisterin Bianka Poschenrieder (SPD) sieht ein Parkplatzproblem im Zentrum. Sie finde es rigoros, auch nachts abschleppen zu lassen, "wo sollen die Anwohner denn sonst parken?" Die Eigentümerin hinter dem Schild und den nächtlichen Abschleppaktionen gibt an, keine Alternative gesehen zu haben: "Die Stellplätze waren permanent mit Langzeitparkern zugeparkt", sie spricht von Pkw aus dem ganzen Bundesgebiet, abgemeldeten Schrottautos, "Stress über Jahre". Ob das nächtliche Abschleppen seinen Zweck erfülle? "Wir wollen ja nicht unsere Kunden abschleppen", beteuert sie, also sei das Unternehmen beauftragt, in der Nacht zu kommen, "so erwischt man die Dauerparker." Zu dem Preis, mit einem Unternehmen zu arbeiten, das systematisch überhöhte Preise fordert? "Wenn mir jemand eine Alternative aufzeigt, wechsele ich sofort",sagt sie. Für ihren Nissan, der in die angeschlossene Tiefgarage nicht hineinpasse, hat Nathalie Dannert derweil einen neuen Stellplatz ausfindig gemacht: Vor dem Edeka, "zumindest da darf man nachts stehen", sagt sie.

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