Seit Gründung dabei:Ein Leben für die Musik

Kurt Schneeweis verlässt nach 40 Jahren die Vaterstettener Musikschule, die er seit 1976 leitet. Die Reihe klassischer Konzerte im Landkreis will er weiter führen - mit Stars der Szene natürlich

Von Nicola Staender

Seit Gründung dabei: Foto aus vergangenen Tagen: Kurt Schneeweis 2007 auf dem Grünen Sofa der Süddeutschen Zeitung mit Alena Krauth, Simon Schröder, Schorschi Klein und Abelina Ellert. Der heute 67-Jährige sieht immer noch so aus wie damals und Musik wird immer seine Leidenschaft bleiben. Foto: Christian Endt

Foto aus vergangenen Tagen: Kurt Schneeweis 2007 auf dem Grünen Sofa der Süddeutschen Zeitung mit Alena Krauth, Simon Schröder, Schorschi Klein und Abelina Ellert. Der heute 67-Jährige sieht immer noch so aus wie damals und Musik wird immer seine Leidenschaft bleiben. Foto: Christian Endt

(Foto: EBE)

Das Rentenalter sieht man Kurt Schneeweis wahrlich nicht an, wenn er kurzerhand auf einen Stuhl steigt und mit beiden Armen nach oben greift, um die Pappkartons zu erreichen, die im Schrank ganz oben lagern und Festaktbroschüren von früheren Jubiläen der Vaterstettener Musikschule beinhalten. "Ach ja, jetzt sehe ich ja ganz anders aus", sagt der 67-Jährige dann, als er eine Broschüre aufschlägt und sein Blick auf ein Foto seines zwanzig Jahre jüngeren Selbst fällt.

Sentimental wirkt der Musikschulleiter allerdings nicht, der am Freitag seinen Abschied aus der Vaterstettener Musikschule feiern wird. Seit der Gründung der Schule vor 40 Jahren ist der studierte Akkordeonist ein Teil dieser, seit 1976 deren Leiter. Dabei sei es "reiner Zufall" gewesen, dass er gleich zu Beginn der Lehrerschaft der von Max und Karoline Graf im Jahre 1973 gegründeten Einrichtung angehörte. "Maria Graf, eine der Töchter des Gründerehepaars sprach mich am Richard-Strauss-Konservatorium in München an, wo ich unter Karl Wimmer das chromatische Akkordeon studierte", erzählt Schneeweis. "Damals gab es kaum Musikschulen für Kinder. Die Grafs gaben bis dato Unterricht in ihrem Einfamilienhaus." Aufgrund der hohen Nachfrage entschloss sich das Ehepaar, in den am Nachmittag leer stehenden Räumen der Vaterstettener Grundschule zu unterrichten. "Es war die Zeit der Musikschulen", sagt Schneeweis rückblickend. Im ersten Jahr, 1973, gab der Student als einer von 16 teilzeitbeschäftigten Lehrkräften einen Nachmittag pro Woche Akkordeonunterricht. Im dritten Jahr übernahm der engagierte Musiker den Posten des stellvertretenden Schulleiters. Als Max Graf seine leitende Tätigkeit 1976 niederlegte, wurde Schneeweis offiziell der neue Musikschulleiter. "Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht", sagt er.

Kurt Schneeweis ist aus der Musikszene in Vaterstetten heute nicht mehr wegzudenken. "Ich wollte eigentlich nur mal Musik studieren, doch dann bin ich in eine Art Sog geraten", beschreibt er seinen Karriereverlauf. Dieser Sog bedeutete für die Vaterstettener Kulturszene eine ungeheure Entwicklung: einerseits expandierte die Musikschule unter Schneeweis stetig und bietet heute neben Vaterstetten auch in den Außenstellen Baldham, Neukeferloh, Zorneding, Anzing und Poing Unterricht an. Schneeweis startete vielseitige und bewegende Projekte, hinter denen er selbst immer die treibende Kraft blieb. Die von ihm initiierten Musikwettbewerbe für seine Musikschüler erlaubten auch Kindern und Jugendlichen, die es nicht bis "Jugend musiziert" schafften, ihr Können zu zeigen.

Andererseits organisiert Schneeweis regelmäßig klassische Konzerte im Landkreis. "Mein besonderer Ehrgeiz ist es, Leute zu bekommen, die man eigentlich nicht bezahlen kann", sagt der Musikkenner über seine Motivation für eine Konzertreihe, die seit 1978 in Vaterstetten stattfindet und für die schon zahlreiche professionelle Musiker aufgetreten sind. Dass er auch privat viel auf Konzerte gehe und danach die Musiker in ihren Künstlerzimmern anspreche, helfe, dies zu ermöglichen. Schneeweis kennt alle bedeutenden klassischen Musiker beim Namen, weiß, wer wo arbeitet und wo diese Menschen auf Tour gehen. "Es gibt natürlich ein paar Tricks, die man irgendwann raushat", schmunzelt Schneeweis.

Den Pianisten Michael Ponti beispielsweise hätte Schneeweis eigens fotografiert, "und zwar so richtig: von oben auf seine Hände herab und in einem großen Saal - einen ganzen 36er Kodakfilm habe ich verschossen." Als Dank gab der US-Amerikaner mit deutschen Wurzeln den Vaterstettenern daraufhin auch 15 Jahre später noch Rabatt auf seine Künstlergage. So müssten Klassikkenner "nicht immer nach München fahren", sagt Schneeweis, der die Konzerte auch nach seiner Verabschiedung als Musikschulleiter noch lange weiterführen möchte.

Schneeweis freut sich auf seinen Ruhestand. Schon lange plant er, im nächsten Jahr auf das "unkonventionelle" Rheingaufestival zu gehen, wo er "nicht in Anzug auflaufen" müsse, um die Musik zu genießen. Auch Akkordeon möchte der Musiker wieder spielen, "falls meine Finger nicht zu steif geworden sind", wie er sagt. Richtig freuen würde er sich außerdem, endlich mal die "dicken Russenschmöker" zu lesen. "Tagsüber stundenlang am Buch zu bleiben" - ein Traum für ihn, der sonst zumeist nur abends Zeit zum Lesen gefunden hatte. Auch Reisen möchte Schneeweis, gute Filme schauen, sich wieder mehr der Porträtfotografie widmen. "Zu meinem Bedauern", sagt er, habe er keine Kinder. "Ich war 24 Jahre verheiratet, doch meine Frau fand zur Jahrtausendwende wohl, dass es in meinem Leben zu viel Kultur gebe und mir das wichtiger wäre als die Frauen." Kurz schweigt Kurt Schneeweis, dann sagt er: "Stimmt vielleicht auch." Doch schon springt er auf, schiebt einen Stuhl vor den Schrank und sucht nach Festaktbroschüren. "Zehn Jahre, 20 Jahre, 30 Jahre . . . Hier, da können Sie alles noch mal nachlesen", sagt er ganz freundlich und reicht die Hefte runter. Dann steigt er vom Stuhl, reicht die Hand und sagt: "Bis bald!"

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