Seit einem Jahr:Immer im Dienst

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Regierungssprecherin und Gemeinderätin - Sabine Heimbachs Doppelbelastung ruft Kritik in Anzing hervor

Sophie Rohrmeier

- Kritische Fragen lässt Sabine Heimbach (CSU) an sich abperlen. Ihre Schutzsicht ist ihre Professionalität. Die frühere Journalistin ist stellvertretende Pressesprecherin der Bundeskanzlerin. Und Anfang November jährt sich ihr Mandat im Anzinger Gemeinderat. Heimbachs Beredtheit und Umgänglichkeit kommen ihr auch hier zugute. Doch Ehrenamt und Hauptberuf müssen sich vereinen lassen. Ihre Anzinger Gemeinderats-Kollegen und sie selbst ziehen hier unterschiedliche Resümees.

"Im vergangenen Jahr im Gemeinderat habe ich viel über die Gemeinde gelernt und neue Perspektiven erhalten", so lautet Sabine Heimbachs erste Bilanz. Die 50-Jährige ist in Münster geboren und lebt nun seit bald 13 Jahren in Anzing. Sie war am 4. November 2011 für Berthold Kettner in den Gemeinderat nachgerückt. Trotz ihrer Verpflichtung in Berlin hat sie das Ehrenamt angenommen.

Die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung musste erst lernen, dass in Anzing die Parteien weniger in Lagern von Regierung und Opposition agieren. Die Arbeit im Gemeinderat habe sie in ihrer Bodenhaftung bestärkt, die sie mit nach Berlin nehme, so Heimbach. "Was in Berlin ein großes Thema ist, findet vor Ort ganz konkrete Lösungen." Das ist Heimbachs zweites Resümee ihres ersten Jahres im Ehrenamt der Gemeinde. Sie erlebe in Anzing den Alltag und könne so Bayern in Berlin besser erklären.

Heimbachs Bilanz bezieht sich kaum auf Lokalpolitik, sondern erstreckt sich auf Grunderfahrungen einer Berufstätigen, die Berlin und Anzing unter einen Hut bringen muss. Sie selbst sieht darin kein Problem: Politik bedeute, "unmittelbare Lebensfragen zu ordnen" - und darin unterscheidet sich nach Heimbachs Meinung die Lokalpolitik nicht von der Berliner Ebene. Ein Amt, so Heimbach, befruchte das andere. "Ich muss nicht umschalten."

Zu den Gemeinderatssitzungen fliegt Heimbach, auf eigene Kosten, meist aus Berlin ein. Bei acht von zwölf Sitzungen habe sie teilgenommen, so Heimbach, und als Mitglied des Gemeindeausschusses sei sie bei der Hälfte der Sitzungen dabei gewesen. Reinhard Oellerer, Fraktionssprecher der Grünen im Gemeinderat, schätzt Heimbach. "Sie ist ein klarer Kopf, der mitdenkt." Dennoch hält er ihre berufliche Situation für schwierig. "Sie kann lokalpolitisch nicht alle Informationen haben, die wir haben. Da besteht zwangsläufig ein gewisser Rückstand." Die Abstimmung über die Differenzen in der Gemeinde fänden aber Tag für Tag statt, so Oellerer - "und da ist Sabine Heimbach nicht dabei." Auch Helmut Mütze (UBA) hält die Abwesenheit für problematisch. Auch habe sie oft Verständnisfragen, etwa was ein Flächennutzungsplan sei.

Im Gemeinderat äußert sich Heimbach vor allem, wenn es um das neue Präventionsprojekt der Jugendpflege geht. Hier ist Heimbach persönlich betroffen, hier engagiert sie sich. "Ich habe selbst zwei Kinder und mir ist das wichtig." Aus dem Projekt entstünden "unglaubliche Chancen", so Heimbach. Schließlich, so wird sie deutlicher, sei es die große Chance, den Jugendraum "zum akzeptierten und selbstverständlichen Anlaufpunkt zu machen". Kritik wittert Sabine Heimbach sofort und umschifft sie gekonnt. Die Übung aus Berliner Pressekonferenzen imprägniert sie - und wo sie nicht weiter weiß, sagt sie es selbstbewusst. "Sie hat eine gute Ausdrucksweise, sie kann sich mit Reden helfen", meint Helmut Mütze.

SPD-Fraktionssprecher Reinhardt Friedrich beschreibt Heimbach als umgängliche Kollegin. Aber ihre fehlende "Verwurzelung im Ort" sieht er kritisch. "Ihre Fragen zu Themen der großen Politik wie Jugendprävention sind konkret und sinnvoll, aber sie tut sich schwerer, wenn es sehr kommunalpolitisch wird." Wenn Heimbach weitermachen wolle, "muss sie daran arbeiten", so Friedrich. Tatsächlich kann Heimbach nichts sagen zu Themen, die nicht auf der Tagesordnung der Gemeinderatsitzungen stehen, die aber dennoch relevant sind für die Kommunalpolitik - wie etwa die Debatte zwischen Anzing und Markt Schwaben um die Wassernotversorgung.

Unter ihren Anzinger Kollegen provoziert das die Frage, ob sie die beste Kandidatin für das Amt im Gemeinderat ist. "Man kann nie zwei Herren dienen - wenn der Beruf das Engagement im Gemeinderat nicht erlaubt, dann muss ich wieder aussteigen", sagt Helmut Mütze. Manche andere in Anzing hätten aus diesem Grund nach sechs Monaten wieder aufgehört. Menschlich sei gegen Sabine Heimbach nichts zu sagen. "Sie nimmt das Amt ernst, aber man muss es auch wahrnehmen", so der UBA-Sprecher.

Bei der Seniorenpolitik etwa lässt sich die Debatte auf Bundesebene gut auf Anzing anwenden. In den letzten Monaten war Altersarmut ein zentraler politischer Streitpunkt auf Landes- und Bundesebene. Auch in Anzing setzt sich der Gemeinderat zunehmend mit der demografischen Entwicklung auseinander. Sabine Heimbach sieht in Altersarmut "für die momentan lebende Generation von Rentnern kein grundsätzliches Problem, jedenfalls nicht in einem Ort wie Anzing". Es sei erfreulich, dass es hier keine weit verbreiteten Notlagen gebe. Anders sehe das für die heute jüngeren Menschen und deren Lebenssituation im Alter aus, da gestalte sich die Frage schwieriger. "Leute, die hier in Anzing leben, arbeiten ja ganz überwiegend", so Heimbach - und meint damit, dass vor allem Erwerbslose oder Geringverdiener im Alter in eine schwierige Lage kommen könnten. Bei der Gestaltung des Seniorenhauses, das in Anzing gebaut werden soll, wolle sich die CSU mit ihrer "spezifischen Erfahrung einbringen". Ziel dieser Bemühungen müsse es aber sein, "umfassende Lösungen zu entwickeln, die auch noch für nächste Generationen, also meine Altersgruppe und Jüngere, tragfähig und attraktiv sind".

Wenn es um spezifische politische Ziele ihrer Partei in Anzing geht, zieht sich Heimbach auf die Sprache einer Pressesprechern zurück: Die CSU sei momentan ein "harmonisches und junges Team". Ziel sei, das "bestmögliche Ergebnis" zu erreichen und als geschlossene Partei wahrgenommen zu werden. Für die nächste Wahlkampfperiode sei es aber "noch zu früh, um alle Karten auf den Tisch zu legen". Dabei ist die Halbzeit bis zur nächsten Kommunalwahl 2014 längst verstrichen. Heimbachs konkrete Beteiligung an lokalpolitischen Entscheidungen bleibt bei solch abstrakten Sätzen unklar.

Der Wechsel von der Ebene Berlin in den Modus "Anzing" ist für Heimbach dann mühevoll, wenn Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik zugleich gefordert sind. Auf der Veranstaltung des CSU-Kreisverbandes zum Tag der Deutschen Einheit mit der saarländischen Ministerpräsidentin ist Heimbach überrascht, als sie auf konkrete Anzinger Themen angesprochen wird. Es dauert, bis sie antwortet Sabine Heimbach ist nicht vorzuwerfen, dass sie den Spagat versucht - und auch nicht, dass man ihr gelegentlich die Anstrengung anmerkt. Aber ihre Behauptung, es gebe bei der Doppelaufgabe keine Reibungen, ist eine Idealisierung.

© SZ vom 27.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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