Schwimmbäder im Landkreis:Seepferdchen auf Warteposition

Schwimmbäder im Landkreis: Ein Bild aus besseren Zeiten: Jürgen Puls (links) bei einem Schwimmkurs in Kirchseeon. Derzeit sind diese Kurse wegen Corona nicht möglich.

Ein Bild aus besseren Zeiten: Jürgen Puls (links) bei einem Schwimmkurs in Kirchseeon. Derzeit sind diese Kurse wegen Corona nicht möglich.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Seit Monaten finden keine Schwimmkurse statt - und damit steigt das Risiko des Ertrinkens. Das liegt jedoch nicht nur an Corona, auch Sparzwänge und Fachkräftemangel machen sich bemerkbar

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Geduld ist derzeit in vielen Bereichen angesagt. Auch die Schwimmschulen haben lange Wartelisten zu verzeichnen, denn seit November geht wegen der Schließung sämtlicher Schwimmbäder auch hier nichts mehr. Der Landesverband Bayern der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) schlug kürzlich Alarm: Die Entwicklungen würden aktuell zu einem Jahrgang von 100 000 Nichtschwimmern führen - und das allein in Bayern. Damit steigt für viele das Risiko, zu ertrinken.

Auch im Landkreis Ebersberg haben die Schwimmschulen derzeit einen gewaltigen Andrang zu verzeichnen. Jürgen Puls, der unter anderem Schwimmkurse für Kinder und Erwachsene anbietet, berichtet: "Wir haben schon immer viele Anmeldungen. Gerade aber haben wir einen Rückstau bis in den Oktober hinein." Wie in der Schule auch sei das einfach Zeit, die verloren gegangen sei. Auch wenn die Schwimmbäder wieder öffnen können, sieht Puls große Herausforderungen auf Schwimmschulen zukommen - denn in den Schwimmbädern müssten auch die Zeiten mit anderen Kursen, die momentan ausfallen, koordiniert werden. "Das werden Schwimmschulen nicht alles wegarbeiten können", sagt er. Vieles würde sich erst mal nach hinten verschieben. Am besten, so Jürgen Puls, würden Kinder in dem Jahr schwimmen lernen, an dem sie in die Schule kommen. "Da sind sie dafür auf dem physischen und geistigen Stand", sagt er. Doch auch Kinder mit vier Jahren könnten bereits Schwimmen lernen, natürlich mit einem anderen Zeitaufwand sowie einer anderen Philosophie im Hintergrund.

Das Problem, warum die Anzahl an Nichtschwimmern sich jenseits von der Corona-Problematik in den vergangenen Jahren deutlich vergrößert hat, will Jürgen Puls nicht verkürzt dargestellt wissen. "Früher hatten die Schulen den Lehrauftrag, den Kindern das Schwimmen beizubringen", sagt er. "Das ist heute nicht mehr so, und das können sie auch gar nicht stemmen." Außerdem seien in den letzten Jahren extrem viele Schwimmbäder geschlossen worden. Als weiteren Punkt führt Puls an, dass das Schwimmen als Sportart nicht mehr den Bekanntheitsgrad habe, den es etwa zu Zeiten von Spitzenschwimmern wie Franziska van Almsick oder Michael Groß alias Albatros hatte. "Alles in allem aber haben wir im Landkreis Ebersberg eine gute Konstellation an Schwimmschulen", findet er.

Auch bei der Wasserwacht im Landkreis will man nicht die Corona-Schließungen als Hauptproblem dafür sehen, dass es immer mehr Nichtschwimmer gibt. "Wir sehen schon auch in der Wasserwacht, dass leider aus ganz vielen Gründen die Ertrinkungsrisiken steigen", sagt Alexander Schemmel, Vorsitzender der Ortsgruppenleitung Wasserwacht Moosach-Steinsee. Zum einen führt auch er an, dass es immer weniger Hallenbäder zum Schwimmen lernen gibt. "Und da haben wir schon sehr große Sorgen, dass vielleicht in Zukunft wegen höherer Schuldenlasten in den Kommunen es zu noch mehr Schließungen kommen wird", so Schemmel. "Auch bei uns im Landkreis. Wir hatten und haben ja da immer wieder Bäder, deren Weiterbetrieb auf der Kippe steht."

Außerdem gäbe es immer weniger Schwimmunterricht an den Schulen, unter anderem, weil im Sportunterricht die Zeit fehlt, oder auch weil es immer weniger dafür ausgebildete Lehrkräfte gibt. Auch das Finanzielle sei ein wichtiger Aspekt, sagt Schemmel: Immer weniger Eltern lassen ihren Kindern das Schwimmen beibringen. Entweder weil sie es selber nicht können, oder weil sie einen professionellen Schwimmkurs nicht finanzieren können. Aber auch für die Wasserwacht selbst tun sich durch Corona neue Probleme auf: Derzeit seien die Möglichkeiten zur Ausbildung der Wasserwacht-Einsatzkräfte stark eingeschränkt, und auch, weil die Jugendarbeit etwa im Wasser gerade ruht, droht Nachwuchsmangel. "Das sind Entwicklungen der letzten Jahre, die durch Corona zusätzlich verstärkt werden", fasst Alexander Schemmel zusammen, "eine große Herausforderung von Wasserwacht, DLRG und die Gesellschaft für die Zeit mit und nach Corona."

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