Schwabener Moos:Leben und laufen lassen

Hunde müssen im Schwabener Moos bis 2016 nicht an die Leine - die wenigsten Spaziergänger stören sich daran. Die Halter sehen sich und ihre Tiere ohnehin zu Unrecht an den Pranger gestellt.

Von Isabel Meixner

Übermütig springt der kleine Hund am doppelt so großen Labrador hoch. Die Sonnenstrahlen wecken offenbar Frühlingsgefühle in ihm. Oder vielleicht doch die Tatsache, dass er frei im Moos herumlaufen darf. Das nämlich wäre seit März verboten gewesen, wenn Landrat Robert Niedergesäß (CSU) nicht die Anleinpflicht bis einschließlich 2015 ausgesetzt hätte. Diese war Teil der Verordnung zum Schutz von Bodenbrütern und dem Storch und sah vor, dass Hunde von Mitte März bis Juli im Schwabener Moos an die Leine müssen - sehr zum Unwillen der Hundebesitzer, die gegen die Verordnung ins Feld zogen.

Schwabener Moos: Ob es diesem Hund wurscht ist, dass er im Moos angeleint unterwegs ist, oder ob er sich vor Gram ins Feld geworfen hat, bleibt unklar.

Ob es diesem Hund wurscht ist, dass er im Moos angeleint unterwegs ist, oder ob er sich vor Gram ins Feld geworfen hat, bleibt unklar.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Anleinpflicht? Die Hundebesitzerin, die die zwei tollenden Tiere beobachtet, macht eine wegwerfende Handbewegung. "Das ist ein rotes Tuch", schimpft sie. "Da kriege ich einen Anfall." Dann legt sie los: Die Wiesen im Moos würden regelmäßig gemäht und gedüngt - und da soll ein herumlaufender Hund die dort lebenden Tiere stören? Überhaupt: Welche Tiere? Der Storch komme seit mehr als zehn Jahren ins Schwabener Moos, "da war noch nie etwas". Und Bodenbrüter gebe es nicht, behauptet die Frau und verweist auf die gedüngten Felder: "Welcher Vogel will da noch brüten?" Ein weiterer Hundehalter, der täglich mit seinem Mischling im Moos unterwegs ist, stimmt ihr zu: "Ich habe noch nie einen Hund erlebt, der gejagt hat."

Zweifelsohne: Die Anleinpflicht polarisiert. Obwohl sich ein Arbeitskreis aus Befürwortern und Gegnern des Leinenzwangs derzeit um ein Konzept für ein friedliches Miteinander im Schwabener Moos bemüht. Die Naturschützer fürchten, dass Störche und vom Aussterben bedrohte Bodenbrüter von den freilaufenden Hunden gestört werden. Mit der umstrittenen Verordnung war deshalb auch ein Betretungsverbot für gewisse Wege von März bis Juli verbunden. Die Vögel sollten ungestört brüten und Nahrung suchen können, so die Begründung.

Die Hundebesitzer, die sich mehrheitlich in der Interessensgemeinschaft Schwabener Moos zusammengeschlossen haben, fühlen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Sie verweisen darauf, dass ihre Tiere Auslauf brauchen und das Moos ohnehin intensiv landwirtschaftlich genutzt werde. Die Verordnung, die den Leinenzwang und das Betretungsverbot für gewisse Wege festgeschrieben hätte, hatte Landrat Robert Niedergesäß kurz nach seinem Amtsantritt im Mai 2013 für zwei Jahre ausgesetzt. Bis 2016 soll nun ein Konzept ausgearbeitet werden, wie die Interessen von Spaziergängern, Reitern, Hundebesitzern und Naturschützern unter einen Hut gebracht werden können.

Einige erachten diese Regeln für nicht notwendig. "Welcher Konflikt?", fragt eine Spaziergängerin, angesprochen auf die Verordnung, herausfordernd. "Es gibt überhaupt keinen Konflikt." Für sie sind die Rollen klar verteilt: "Die Naturschützer überschreiten absolut die Grenzen." Die Landwirtschaft sei für die brütenden Vögel ein viel größerer Störfaktor. Deswegen hält die Frau auch nichts von Wegesperrungen.

Andere Erholungssuchende stehen dem Verbot dagegen offen gegenüber. Die junge Mutter etwa, die an diesem Tag ihr Neugeborenes im Kinderwagen spazieren schiebt: "Wir haben hier doch genügend Platz." Ein Problem sei eher, dass der Kot häufig nicht weggeräumt werde, fügt die junge Frau hinzu. "Aber ich würde nicht sagen, man muss deswegen anleinen."

Die zwei Hundehalterinnen, deren Mischlinge einen Kilometer weiter südlich auf der Wiese tollen, lehnen ebenfalls das Betretungsverbot nicht per se ab. "Wenn sie's damals anders in die Wege geleitet hätten, hätte man drüber reden können", sagt die eine. Manche Hundebesitzer führten ihre Vierbeiner auf Wegen spazieren, auf denen viele Rehe unterwegs seien. Das muss aus Sicht der beiden Frauen aus Markt Schwaben nicht sein. Aber Wege sperren, die landwirtschaftlich genutzt werden? "Da kriege ich so einen Hals." Die Hundehalter, die an diesem Tag im Moos anzutreffen sind, haben mehrheitlich die Schuldigen für den Streit ausgemacht: die Vogelschützer. "Sie würden das Moos am liebsten entvölkern", sind sich die Frauen einig. Warum sie das glauben? Darauf könnten sie jetzt antworten, sagen sie. Doch das folgende Schweigen ist vielsagend.

Nur eine Frau hat an diesem Tag ihren Hund im Moos an der Leine. "Ich wollte keinen Ärger fabrizieren", sagt Jeanette Mehringer, die als einzige bereit ist, ihren Namen zu nennen. Sie gibt zu, sich als Hundebesitzerin gegängelt zu fühlen: "Ich finde das komisch: Wenn ein Hund nicht hier laufen darf, wo dann?" Selbst in München dürften sich Hunde im Englischen Garten frei bewegen.

Das ältere Ehepaar, das kurze Zeit später den Weg von Jeanette Mehringer kreuzt, ist indes froh darüber, dass Welsh Springer Spaniel Sally angeleint ist. "Ich bin tierlieb", betont die Seniorin, "aber oft folgen die Hunde einfach nicht." Ihr Mann präzisiert: "Wenn der Hund folgt, kann er frei laufen." Aber manchmal würden die Tiere ihrem Jagdtrieb folgen. Auch Sally tue das, gibt Jeanette Mehringer zu. "Aber sie dreht dann gleich wieder um. Und vor Rehen hat sie eh Angst."

Für die Markt Schwabenerin ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Hunde nicht dort frei herumlaufen, wo die Störche gerade ihre Nahrung suchen. Ebenso, dass aggressive Vierbeiner an die Leine kommen. "Aber dazu, so viel ist klar, braucht es keine Verordnung."

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