Schulweghelfer in Ebersberg:"Asylbewerber waren die Rettung"

Schulkinder auf dem Heimweg

Kinder auf dem Weg zur Schule.

(Foto: Jens Kalaene/dpa)

Seit 1999 organisiert die Ebersberger Landtagsabgeordnete Doris Rauscher Schulweghelfer in der Kreisstadt. In den vergangen Jahren ist die Bereitschaft zurück gegangen. Ihr Appell geht an die Eltern

Interview von Michaela Pelz, Ebersberg

Seit 2013 sitzt die Ebersberger Politikerin Doris Rauscher im Bayerischen Landtag, davon seit drei Jahren als Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie. In Ebersberg ist sie seit dem Grundschulstart ihrer Tochter vor 22 Jahren eine Schlüsselfigur als Organisatorin der Schulweghelferdienste. Was hier früher viel leichter war und warum man nicht oft genug Werbung für dieses Ehrenamt machen kann, erklärt sie im Interview.

SZ: Frau Rauscher, was hat sich seit 1999, als Sie anfingen, verändert?

Doris Rauscher: Ich habe mit acht Helfern und vier Übergängen begonnen, mittlerweile sind es 48 Ehrenamtliche und acht Übergänge. Jeden Tag steht an jedem Übergang ein Ehrenamtlicher, vor dem Aldi am Ortseingang sind es sogar zwei. Das bedeutet 45 Einsätze die Woche. Und manchmal werden die Leute krank, fahren in den Urlaub, sind jobtechnisch verhindert... Hier bin ich froh, dass wir zusätzlich Helfer als Springer haben.

Wie viele Schulweghelfer bräuchte man, um die Stadt Ebersberg komplett abzudecken?

Ich bräuchte aktuell fünf Leute mehr. Bei zirka 100 Erstklässlern im Jahr 2021 hat sich heuer niemand gemeldet, um mein Team zu verstärken. Leider. Manche stehen dankenswerterweise mehrmals in der Woche.

War das früher anders?

Vor 15 bis 20 Jahren war die Bereitschaft der Eltern deutlich höher, diesen Dienst zu übernehmen. Klar, die Berufstätigkeit von Frauen hat zugenommen, was ich übrigens sehr unterstütze, und die Spielräume morgens sind für so ein Ehrenamt oft sehr gering. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass viele Kinder das ganze erste Jahr von Erwachsenen persönlich zur Schule begleitet werden. Da stellt man sich schon die Frage, ob die 40 Minuten in der Woche nicht auch drin wären, selbst einen Übergang zu übernehmen.

Ist das nicht trotzdem ziemlich viel Aufwand?

Es reicht einmal die Woche, die Ferien sind frei. Ist man verhindert, kommen Springer zum Einsatz, und der Dienst kann auch mit einem anderen Ehrenamtlichen geteilt werden.

Sind die Schulweghelfer alles Eltern von Grundschulkindern?

Mitnichten. Dreiviertel der Helfer haben längst keine kleinen Schulkinder mehr - ohne meine Ü50- und Ü60-Helfer ginge es nicht, viele stehen bereits mehr als zehn Jahre an der Straße. Der Älteste ist schon 82. Zwei Jahre lang waren zudem die Asylbewerber meine Rettung. Als es dann für sie Sprachkurse und eine stärkere Inklusion in den Arbeitsmarkt gab, sind sie weggefallen. Aber das war für alle Seiten ein Gewinn.

Neben "normalen" Zebrastreifen besetzen Sie auch Ampeln. Man könnte denken, dass man dort auf Helfer mit Kelle verzichten kann.

Die Grundfrage ist: Wo schafft man einen Übergang? Typischerweise an den Hauptverkehrsadern, die oft mit einer Ampelschaltung ausgestattet sind. Nun muss man wissen, dass bis zum achten Lebensjahr die Koordinationsfähigkeit der Kinder noch nicht so ausgeprägt ist. Für sie bedeutet es eine Überforderung, mit dem schweren Schulranzen auf dem Buckel gleichzeitig auf den Straßenverkehr und die Freunde zu achten. Vielleicht ist es auch dunkel oder sie tragen einen Schirm. Dann brauchen sie Erwachsene, die sie unterstützen.

Wie wirkt sich die Präsenz der Schulweghelfer auf die Autofahrer aus?

Leider haben manche doch die Tendenz, in der Rushhour bei Dunkelgelb noch drüberzurauschen, um die Ampelphase maximal auszunutzen. Da sorgen Menschen in Leuchtwesten für deutlich mehr Sichtbarkeit. Außerdem dürfen die Schulweghelfer auch die Randmomente ausnützen und länger in der Straße stehen bleiben, als die Grünphase dauert.

Wie sieht es in den anderen Landkreisgemeinden aus?

Nach meinem Eindruck ist es überall gleich, alle kämpfen.

Liegt das möglicherweise an der Form der Anerkennung?

Wir veranstalten ein jährliches Dankesessen, das kommt sehr gut an. Von einer Gemeinde weiß ich, dass sie eine kleine Aufwandsentschädigung zahlen - sie tun sich auch nicht leichter. Wir haben das in Ebersberg mal vor Jahren thematisiert: Wollen wir bezahltes Ehrenamt?

Wie war die Antwort?

Nein! Wir machen es für die Kinder, für die Stadt Ebersberg, nicht, um daran zu verdienen.

Könnte man denn auch jetzt noch als Schulweghelfer einsteigen? Wie wäre der Ablauf?

Im Grunde kann man jederzeit anfangen, das ganze Jahr über. Man meldet sich direkt bei mir, danach absolviert man eine zweistündige Schulung bei der Polizei. Normalerweise gibt es die im Herbst, aber freundlicherweise machen sie die Einweisung auch flexibel. Dann kläre ich, welcher Tag und welcher Übergang gut geeignet wäre und es geht los.

Was ist für Sie der Kernpunkt des Ganzen - neben der Sicherheit der Kinder?

Beim Ehrenamt geht es nicht ums Geld - der Dienst für die Allgemeinheit oder die persönliche Betroffenheit sollten im Vordergrund stehen. So viele verlassen sich auf die Schulweghelfer, sind Nutznießer dieses Ehrenamts. Da wäre es schön, wenn sich einige einen Ruck geben könnten, selbst einzusteigen. So wie ich die Sache sehe - und auch immer gelebt habe: Man ist nicht nur Konsument einer Gesellschaft. Sie lebt vom Geben und Nehmen.

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