Schulung in Grafing:Hilfe im Alter

Schulung in Grafing: Sozialpädagogin Christine Deyle von der Caritas bildet in Grafing Freiwillige zu Alltagsbegleitern von Seniorinnen und Senioren aus.

Sozialpädagogin Christine Deyle von der Caritas bildet in Grafing Freiwillige zu Alltagsbegleitern von Seniorinnen und Senioren aus.

(Foto: Christian Endt)

Zehn neue Freiwillige sind seit Kurzem Alltagsbegleiter bei der Caritas. Sie stehen Senioren unterstützend zur Seite, bei Einkäufen oder beim Arzt, im Haushalt oder beim Kaffeetrinken. Dafür haben die Helfer einen Kurs besucht - Voraussetzung: gesunder Menschenverstand

Von Johanna Feckl, Grafing

Links in der Ecke auf dem Teppichboden liegen Fotos. Alle in Postkartengröße. "Pettersson und Findus" sind auf einem abgebildet. Auf einem anderen farblose massive Statuen aus Stein. Daneben liegt ein Foto, das einen Mann zeigt, tiefe Falten durchziehen sein Gesicht, er hat eine Geige zwischen Kinn und Schlüsselbein geklemmt, den Bogen auf die Saiten aufgesetzt und lacht. Ein weiteres Bild zeigt drei Hände, die von den Außenkanten in die Bildmitte hineinzugreifen scheinen. Christine Deyle schaut in die Gesichter der elf Menschen, die um einen langen Tisch vor ihr sitzen. Mit einer Handbewegung deutet sie auf die Fotografien. Stühle rücken, Füße bewegen sich, Blicke wandern über die am Boden drapierten Bilder - bis jeder der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein oder zwei Fotos in den Händen hält und wieder am Tisch Platz nimmt.

Es ist Donnerstagvormittag, der erste von insgesamt fünf Tagen, an denen Christine Deyle und ihre Kolleginnen elf neue Alltagsbegleiter in den Räumen der Caritas in Grafing ausbilden. Alltagsbegleitung, das bedeutet, dass freiwillige Helfer betagte Seniorinnen und Senioren unterstützen. Das können ein paar entlastende Handgriffe im Haushalt sein, Autofahrten zum Supermarkt und zum Arzt, oder einfach eine gemeinsame Tasse Kaffee und währenddessen eine keine Plauderei. Das "Wie" der Alltagsbegleitung ist sehr individuell - entscheidend ist dabei freilich, wie fit die Senioren sind: Entweder die Betroffenen haben mit zunehmenden Einschränkungen zu kämpfen und müssen all ihre Energie zum Bewältigen des Alltags aufwenden, oder sie sind bereits auf Pflege und eine Betreuung angewiesen. Das vierte und fünfte Lebensalter, wie Deyle wenig später erklären wird.

"Man sollte Spaß haben, bis man in die Kiste 'nei hüpft", sagt eine Frau und hält das Foto, das sie sich ausgesucht hat, empor. Es zeigt Miss Sophie und ihren Butler James aus dem Sketch "Dinner for one", der hierzulande in den Fernsehprogrammen zu Silvester rauf und runter läuft.

An diesem ersten Tag der Schulung zum Alltagsbegleiter stehen alterstypische Erkrankungen und Grundlagen in der Pflege auf dem Programm. Zuvor aber geht es um Fragen, die wesentlich und banal zugleich erscheinen mögen: Was verbinden die Teilnehmer mit dem Älterwerden? Um das herauszufinden, hat Christine Deyle die vielen Fotos auf dem Teppichboden verteilt. Zurück am Tisch, präsentiert nun jedes Mitglied der Gruppe seine Wahl. Und es geht darum, warum die Ehrenamtlichen überhaupt hier sind.

Um letztere Frage zu klären, haben die Teilnehmer einen Steckbrief über sich geschrieben. Sie hängen nun nebeneinander an einer Wand im Schulungsraum. Formulierungen wie "etwas Sinnvolles tun" und "etwas zurückgeben" stehen so oder so ähnlich auf beinahe jedem der elf Steckbriefe. Oft ist auch von Unsicherheiten zu lesen: Ist die Alltagsbegleitung das Richtige für mich? Kann ich die Voraussetzungen und Erwartungen überhaupt erfüllen?

Die Voraussetzungen sind im Grunde genommen ziemlich einfach, wenn es nach Christine Deyle geht: Nötig sei nur ein gesunder Menschenverstand. Es ist Mittagspause, als die Sozialpädagogin das erzählt. Andere bestimmte Eigenschaften benennen kann sie nicht. "Ich habe den Eindruck, dass hier immer sehr unterschiedliche Leute sitzen, auch heute." Von Müttern in ihren 30ern bis hin zu Witwen jenseits der 70 hat an diesem Morgen eine recht bunte Truppe vor Deyle Platz genommen. Die Männer sind in der Unterzahl: Zehn der elf künftigen Alltagsbegleiter sind Frauen. Ein solches oder ähnliches Verhältnis der Geschlechter finde sich so ziemlich in jedem Kurs, so Deyle.

Drei Bereiche gebe es, in denen die Helfer nach der Alltagsbegleiter-Schulung eingesetzt werden könnten, erzählt Deyle weiter. Einer davon ist die stundenweise Betreuung. Dazu kommt der Freiwillige nach Hause zu dem Betroffenen, es wird vorgelesen, spazieren gegangen oder Kaffee getrunken. Es geht vor allem darum, dass der Senior oder die Seniorin Gesellschaft hat und die Angehörigen für ein paar Stunden entlastet werden. Der zweite Einsatzbereich ist die hauswirtschaftliche Betreuung. "Nicht zu verwechseln mit dem Job einer Putzkraft", betont Deyle. Alte Menschen wollten nicht nur bespaßt werden, sie wollten vor allem mithelfen, sagt sie. "Aktivieren von Ressourcen" lautet also das Motto. Zum Beispiel, indem der Alltagsbegleiter mit dem Betroffenen gemeinsam Wäsche aufhängt. Der dritte Einsatzbereich sind Betreuungsgruppen, in denen der Helfer die Gruppenleitung unterstützt.

An den vier weiteren Schulungsterminen soll es noch um Grundsätze der Kommunikation mit demenzkranken Menschen gehen, um rechtliche Rahmenbedingungen und die Schweigepflicht, um die Situation pflegender Angehöriger, wie man die Pflegebedürftigen aktivieren kann und noch um einiges mehr. Mittlerweile haben zehn der elf Teilnehmer den Kurs erfolgreich abgeschlossen - eine Anwärterin musste aus persönlichen Gründen vorerst abbrechen. Ab sofort stehen der Caritas damit etwa 40 freiwillige Helfer zur Verfügung. Pro Jahr können die Ehrenamtlichen für ihr Einsätze maximal 2400 Euro bekommen, die Teilnahme am Kurs kostet 100 Euro. Die Hälfte davon wird nach einem halben Jahr zurückerstattet, sollten die Helfer dabei bleiben. Und die Kosten, die den Betroffenen für die Betreuung entstehen, können über die Pflegekassen abgerechnet werden.

Interessierte an einer Schulung oder an der Betreuung eines Angehörigen durch einen Alltagsbegleiter wenden sich an das Ebersberger Caritas-Zentrum, Telefon (08092) 23241-11.

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