Bildung im Landkreis Ebersberg:Mangelhafter Lückenfüller

Nach einer Woche "Sommerschule": Rektoren bemängeln bürokratische Hürden und fehlendes Personal.

Von Karin Pill, Ebersberg

Zeit für Sommerferien, endlich! Für die Schülerinnen und Schüler ist ein herausforderndes Schuljahr mit Homeschooling, Wechselunterricht und Maskenpflicht zu Ende gegangen. Doch nicht nur der Alltag war im vergangenen Schuljahr alles andere als normal - auch die Sommerferien verlaufen für viele Kinder und Jugendliche anders als gewohnt. Um durch die Pandemie entstandene Lerndefizite aufzuholen, können sie in der ersten und letzten Sommerferienwoche freiwillig die Schulbank drücken. "Sommerschule" heißt das Projekt, das durch zusätzliche Lernstunden in den Ferien "Brücken bauen" soll. In diesem Rahmen bieten auch viele Ebersberger Schulen Förderprogramme an. "Das Angebot wird im Landkreis sehr gut angenommen", berichtet Sigrid Binder, Leiterin des Ebersberger Schulamts. Von den 30 Grund- und Mittelschulen, die es betreut, nehmen laut Binder 28 Schulen am Programm teil.

Doch dass am Ende auch für alle lernwilligen Kinder ein Lehrer zur Verfügung stehen würde, war noch bis zu Beginn der Woche ungewiss. Das Problem: Es mussten Freiwillige gefunden werden, Lehrer durften nicht für die Sommerschule verpflichtet werden. Und die Messlatte für externe Mitarbeiter war extrem hoch angesetzt, um, wie Binder sagt, gute Qualität zu bieten. Das hatte zur Folge, dass mancher Lehrerposten in der ersten Schulwoche unbesetzt blieb, weil zum Beispiel qualifizierte Führungszeugnisse nicht rechtzeitig beim Schulamt ankamen. "Das ist wirklich schade und für viele Eltern wohl auch schwer nachzuvollziehen", sagt Binder. Doch ihr ist es wichtig zu unterstreichen, dass die Schulen sich mit besonders viel Engagement und so mancher Überstunde für die bestmögliche Umsetzung des Förderprogramms eingesetzt hätten. Zumindest für die letzte Woche der Sommerferien seien dann auch alle Lehrer formal einsatzbereit, um den zweiten Teil der Sommerschule fortzuführen, so Binder.

Auch für die Schulen selbst war die Bürokratie freilich eine der größten Hürden bei der Umsetzung des Förderprogramms. Doch eine Vielzahl der Schulen im Landkreis hatte auch Probleme, überhaupt Lehrer zu finden. Es sei "problematisch" jemanden für die Sommerschule einzustellen, den man gar nicht kenne, sagt etwa Nicole Storz, Rektorin des Gymnasiums in Grafing. Problematisch vor allem deshalb, weil die externen Lehrer "zwanzigseitige Verträge ausfüllen müssten", so Storz. "Da findet sich einfach niemand", lautet ihr Resümee.

Die naheliegende Lösung war für die Rektorin, auf die eigenen Schüler zurückzugreifen: Nun unterstützen in Grafing ausgewählte Oberstufenschüler etwa 45 jüngere Mitschülerinnen und Mitschüler; hauptsächlich in Mathe, Englisch, Latein, Französisch und Deutsch. Zudem seien ein paar der eigenen Lehrkräfte dabei, um die lehrenden Schüler "zu unterstützen und zu coachen", so Storz.

"Schüler lehren Schüler" heißt die Devise auch an der Realschule Vaterstetten. "Da weiß ich einfach, wen ich habe", sagt der Schulleiter Stefan Gasior. Wegen Umbauarbeiten fand die Sommerschule dort jedoch in dieser Woche nur an zwei Tagen statt. Überhaupt sei die Nachfrage an seiner Schule nicht sonderlich groß gewesen, sagt Gasior: Rund 20 Schüler der Jahrgangsstufen fünf bis sieben wurden in den Hauptfächern von ihren Mitschülern unterrichtet. Die eher durchwachsene Resonanz erklärt der Schulleiter damit, dass die Schüler "einfach erholungsbedürftig" seien. Eine regere Teilnahme erwarte er sich dann aber in der letzten Ferienwoche, denn dann stünden bei einem "Musical-Projekt" Miteinander und Sozialkompetenz auf dem Programm.

"Die Kinder sind einfach am Ende, fertig, ausgelaugt." So lautet das ernüchternde Fazit von Franz Kraxenberger, Rektor der Grund- und Mittelschule Kirchseeon. Auch an seiner Schule ist die Teilnahme mit sieben Schülern in der ersten und 15 Schülern in der letzten Ferienwoche eher gering. "Die brauchen einfach dringend Ferien", sagt Kraxenberger. Seine eigenen Lehrkräfte habe er für die Betreuung der Sommerschule gar nicht erst in Erwägung gezogen, denn auch die bräuchten Urlaub - in diesem Jahr ganz besonders.

Einzig an der Grund- und Mittelschule Vaterstetten zeichnet sich ein anderes Bild: Dort unterrichteten alle Lehrer selbst, sagt Rektorin Catherine Aicher stolz. Insgesamt 50 Kinder, aufgeteilt in fünf- bis neunköpfige Gruppen, bekommen von ihren Lehrern passgenaue Lehrinhalte. Zwei Lehrerinnen seien sogar aus ihrer Elternzeit zurückgekehrt, weil sie Lust auf die Sommerschule gehabt hätten. "Das ist ein Riesenglück, denn so konnten wir uns die schwierige Antragstellung sparen", freut sich Aicher.

In Parsdorf, einer kleineren Grundschule mit insgesamt 139 Kindern, büffelten diese Woche neun Schüler, davon einige mit Migrationshintergrund. "Dort liegt der Fokus ganz klar darauf, Deutsch zu hören und zu sprechen", sagt Schulleiterin Ellen Riebesell. Betreut wurden die Schüler unter anderem von einem Studenten und einer jungen Frau, die ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert. Sie übten mit den Schülern vorwiegend Textverständnis und Sachaufgaben, auch Sport stünde auf dem Plan, so Riebesell. Ihre Kinder seien trotz Ferienzeit sehr motiviert und mit einem hohen Anspruch in die Schule gekommen, berichtet die Rektorin. Dennoch könne das Ziel, die Lücken zu füllen, ihrer Meinung nach nicht erreicht werden, denn Zweisprachigkeit könne in insgesamt zwei Wochen "nicht wirklich aufgefangen werden", so Riebesell. Die Sommerschule sei insofern nur ein "Tropfen auf den heißen Stein".

Ob nun 45 lernwillige Schüler wie am Gymnasium in Grafing oder neun motivierte Grund- und Mittelschüler wie in Parsdorf: Am Ende der ersten Woche "Sommerschule" ähneln sich also die Schlussfolgerungen der Schulleiterinnen und -leiter im Landkreis. Die Frage, ob es das Förderprogramm schafft, in dieser kurzen Zeit die Defizite auszugleichen, beantwortet nicht nur Nicole Storz mit einem klaren "Nein". Die entstandenen Lücken könne man nicht "einfach auf null setzen".

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