Schräges Hobby:Die Bräute von Musikern

Gitarren, Spinnen und Filmrequisiten: Der Rock 'n' Roller Wild Willy Westbahn aus Grafing sammelt Raritäten aus aller Welt. Sein Haus gleicht einem Museum

Von Sara Kreuter

Dicht an dicht stehen sie, im Treppenhaus, über dem Türrahmen, auf dem Billardtisch und an den Fernseher gelehnt. Dort wo andere Blumentöpfe oder Wandgemälde haben, stehen bei dem Grafinger Willy Mertl alias Wild Willy Westbahn Gitarren. Er besitzt etwa 500 Stück; klein neben groß, spanisch neben akustisch, Gibson neben Fender reihen sie sich aneinander.

Schräges Hobby: Willy Mertl besitzt mehr als 500 Gitarren...

Willy Mertl besitzt mehr als 500 Gitarren...

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Der 53-Jährige ist nichts so richtig und von allem ein bisschen: Rock 'n' Roller, Produzent, Autor, Lebenskünstler, Sammler. Es scheint, als erfinde er sich an jedem Tag seines Lebens neu. Was ihn interessiert, kauft er sich. Die Gitarren sind dabei nicht nur Liebhaberstücke, sondern auch Arbeitsgeräte. "Jede Gitarre hat ihr Eigenleben, klingt anders, spielt sich anders", erklärt Westbahn. Etwa drei Stunden übt er pro Tag, variiert mit den Gitarren abhängig von Musikstil, Stimmung und Klang, den er erzeugen will - "da braucht man eben eine Auswahl".

"Gitarren sind die Bräute von Musikern", rechtfertigt Westbahn seine Sammlung. Wie jede Frau ihre Eigenarten habe, sei auch jede Gitarre besonders. Und Frauen - im Plural - gehören zum Rock 'n' Roll wie die Gitarre in die Hand des Rockmusikers. Natürlich gebe es bevorzugte Exemplare, es sei ja ganz unmöglich, jeder Gitarre hinreichend Aufmerksamkeit zu schenken, betont Westbahn - er besitzt schließlich mehr Gitarren als das Jahr Tage hat; dennoch behauptet der Musiker, jede seiner Gitarren an ihrem Klang erkennen zu können. Sein Lieblingsstück ist eine Gibson Firebird von 1963, eine von insgesamt nur 60 Exemplaren. Eine 480 Gramm leichte Stradivari Gitarre "hängt dafür halt einfach so rum". Einige seiner Gitarren sind von ihm selbst gebaut.

Schräges Hobby: ... ebenso wie ein Feuerzeug, das schon Daniel Craig als James Bond einmal benutzt hat.

... ebenso wie ein Feuerzeug, das schon Daniel Craig als James Bond einmal benutzt hat.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Neben Gitarren sammelt Westbahn Präparate von Spinnen und Skorpionen. Er leide unter einer regelrechten Spinnen-Phobie, gesteht er. Zur Selbsttherapie hängen die Tierchen in großen und kleinen Glasvitrinen an der Wand: "So nehme ich mir die Angst vor ihnen." Ein Freund beispielsweise, der sei einmal beinahe an einem Skorpionstich gestorben! - Was könnte dieses Trauma besser therapieren als ein "Malaysian Giant Scorpion" über dem Klavier?

Nicht zur Therapie, sondern einfach aus Freude an Raritäten gehören auch Filmrequisiten aller Art zu Westbahns Sammlung. Captain Jack Sparrows Pistolen aus der Walt Disney Erfolgsreihe "Fluch der Karibik" hängen an der Wand neben König Arthurs Schwert Excalibur aus dem gleichnamigen Film und dem originalen Filmbuch aus der Unendlichen Geschichte. In einer kleinen Box steckt ein Original Dupont Feuerzeug mit 007-Gravur. Das Feuerzeug ist im Film "Casino Royale" etwa eine Sekunde lang zu sehen.

Westbahns Haus gleicht einem Museum zum Anfassen, ist eine Fundgrube für Kruschtliebhaber und Filmfreunde. In den Ecken stapeln sich Schachteln und staubige Kartons mit weiteren Kostbarkeiten - "stimmt ja, das hier hatte ich ganz vergessen", so Westbahn - Bluerays stapeln sich bis unter die Zimmerdecke, spirituelle Yoga-Bücher reihen sich an Bibelauslegungen und Mohammed-Biografien. Mitten unter dieser famosen Büchersammlung steht seine eigene Biografie - der erste Band von Fünfen, die er veröffentlichen wird. Anhand der Autobiografien will er, am Beispiel seines Lebens, den Wandel der Gesellschaft darstellen. Westbahn, das wird deutlich, ist stolz auf sein Anderssein - und er liebt die Selbstinszenierung.

Willy Mertl könnte sich gut selbst in die Reihe seiner Raritäten einreihen. Knappe zwei Meter groß und 100 Kilo schwer, mit Lederhose, Stiefeln, Hut und langen schwarzen Haaren, ist er ein Rock'n' Roller der alten Schule. Silberne Gitarrenohrringe und Ringe an jedem Finger vervollständigen das Bild. Er nennt sich der "Guitar Highlander aus Grafing", seinen Künstlernamen hat er von Kurt Ostbahn abgeleitet. "Lebe den Moment und mach das Beste draus" ist sein Lebensmotto, er lebt in Superlativen, macht, worauf er gerade Lust hat. Das Sammeln ist sein Hobby.

Bei all seinen Errungenschaften legt er stets Wert auf Einzigartigkeit, er ist immer auf der Suche nach neuen Kuriositäten und Unikaten. "Ich glaube, dass es nicht viele auf der Welt gibt, die so sind wie ich", bemerkt der Musiker. Und zu so einem Individuum gehören einzigartige Sammelstücke. Westbahn ist seinen Weg gegangen, hat viel riskiert - und hat gewonnen. Im Musikbusiness keine Selbstverständlichkeit. "Da hatte ich Glück, da hab ich Talent", erklärt Westbahn. Der Songwriter und Komponist, Bandleader und Gitarrist spielt 14 Instrumente - und hatte nie Musikunterricht. In den letzten Jahren hat er sich zunehmend aus der aktiven Musikbranche zurückgezogen und sich dem Schreiben zugewandt. Er kommt aus einfachen Verhältnissen, heute sieht sein Leben anders aus: "Ich komme zurecht", meint er augenzwinkernd. "Ich hab das Geld weder gestohlen noch geerbt, sondern ehrlich verdient", betont Westbahn. Deshalb könne er es ohne Gewissensbisse für seine Marotten ausgeben. Der materielle Wert ist für ihn zweitrangig: Seine Spinnensammlung hat er für 20 Euro auf einem Flohmarkt erworben.

Charakteristisch für Westbahn ist sein Humor, gepaart mit Selbstironie. Es gebe auf der Welt nur zwei Arten von Männern, erklärt er lachend: Jäger und Sammler. "Und ich bin ein Sammler, weil ich zum Jagen zu faul bin."

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