Süddeutsche Zeitung

Schloss Falkenberg:Wo der Pappenheimer wohnte

  • Die Wittelsbacher ließen im frühen zwölften Jahrhundert in Falkenberg eine Burg errichten, auf deren Ruinen das spätere Schloss entstand.
  • In den 436 Jahren seines Bestehens wurde das Schloss insgesamt 18 Mal verkauft, alleine zwölf Mal in den vergangenen 200 Jahren, nur acht Mal wurde es vererbt
  • Viele Münchner kennen heute den Biergarten, nicht aber das Schloss.

Von Wieland Bögel, Moosach

Diese Aussicht! Dafür ist Falkenberg bekannt und berühmt. Als Synonym für Falkenberg gilt meist der dortige Biergarten, in dem sich sommers der eine oder andere Radler die eine oder andere Radlermass schmecken und dabei den Blick weit über Felder, Wiesen und Wälder schweifen lässt. Nicht jedem bekannt ist dagegen, dass es außer dem Biergarten in Falkenberg - und nur wenige Meter davon entfernt - auch noch ein Schloss gibt. Und auch dass es dieses gibt, hängt mit der Aussicht zusammen.

Denn diese war es wohl, warum die Wittelsbacher im frühen zwölften Jahrhundert, noch bevor sie 1180 zu bayerischen Herzögen aufstiegen, in Falkenberg eine Burg errichten ließen. Die heute von den Ausflüglern so geschätzte Ästhetik dürfte für die neuen Burgherren allerdings eher zweitrangig gewesen sein, sie schätzten die Aussicht wohl mehr aus strategischen Gründen. Genutzt hat es letztlich nichts, spätestens zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde die Burg zerstört. Im Jahr 1578 entstand dann auf ihren Ruinen das Schloss Falkenberg, wie es im Wesentlichen bis heute zu sehen ist.

Sehr intensiv mit der Geschichte Falkenbergs beschäftigt hat sich Peter Maicher. Bereits vor einem Vierteljahrhundert hat der inzwischen pensionierte Direktor des Bayerischen Landtages in einem Beitrag für die Moosacher Chronik zum 1200. Gemeindegeburtstag das Schloss und seine vielen Besitzer vorgestellt. Für die Neuauflage des Moosacher Heimatbuches, das im November erscheint, hat sich Maicher erneut auf die Suche nach den Geheimnissen Falkenbergs begeben.

Zwischen 1120 und 1160 wurde das Schloss fertig

Diese beginnen bereits mit der Erbauung der Burg, deren genauer Zeitpunkt genau wie der Auftraggeber für das Vorhaben nicht überliefert ist. Laut Maicher wurde die Burg in den Jahren zwischen 1120 und 1160 fertig, Bauherr war damit entweder der spätere Herzog Otto oder dessen Vater Pfalzgraf Otto. Erstmals urkundlich erwähnt wird Burg Falkenberg dann im Jahr 1167 - in einem Dokument, das in Jerusalem entstand. Denn der erste Burghauptmann Osrich von Falkenberg hatte seine Herrn, die Wittelsbacher Brüder Otto und Friedrich auf einen Kreuzzug begleitet, den jene, so vermutet es Maicher, unternahmen, um nicht in den Krieg zwischen Kaiser Barbarossa und dem Papst hineingezogen zu werden.

Doch nicht nur geschickte Diplomatie war der Grund, dass ein Wittelsbacher 13 Jahre später zum bayerischen Herzog wurde, sondern lange Vorbereitung. Gerade an Falkenberg zeigt sich das strategische Geschick der Familie, erklärt Maicher. Denn anders als der genaue Zeitpunkt ihrer Fertigstellung ist am Zweck der Burg überhaupt nichts unklar: Dank seiner guter Lage war Falkenberg "eine Hauptburg gegen die Ansprüche des Bischofs von Freising", auf dessen Land die Burg im Übrigen von den Wittelsbachern errichtet wurde, so Maicher weiter. Aber auch gegen andere Konkurrenten, wie die Grafen von Valley, deren Herrschaftsbereich im Hochmittelalter von der Mangfall bis zur Moosach reicht und die auch in Glonn aktiv sind, war eine Burg wie Falkenberg sicher nützlich. Mehr als ein Jahrhundert lang war Burg Falkenberg Gerichtssitz und Verwaltungszentrum der Wittelsbacher für mehr als 40 Ortschaften in der Umgebung.

Noch geheimnisvoller als ihr Beginn ist auch das Ende von Burg Falkenberg. Dieses kam spätestens im Landshuter Erbfolgekrieg 1505, laut Maicher sogar bereits 1395 in einem anderen Wittelsbacher Familienkrieg, der seinen Schwerpunkt mehr in der Gegend östlich von München hatte und in dem auch Markt Schwaben abgebrannt wurde. Letztmalig erwähnt wurde die Burg auf jeden Fall im Jahr 1282, definitiv verschwunden war sie im Jahr 1517. Denn aus diesem Jahr ist ein Dokument überliefert, weiß Maicher, wonach in Falkenberg ein gewisser Cunz Vischer "auf dem Purckstall" lebte, also auf der Stelle der Burg, die es folglich nicht mehr gegeben haben kann. Überlebt hat sie dennoch, zumindest ein bisschen und zwar in Form zweier Wappen.

Der Falke im Moosacher Gemeindewappen stammt für Maicher eindeutig vom Burgwappen Falkenberg ab. Mit diesem sogar nahezu identisch ist das 1409 durch Herzog Stephan III verliehene Wappen der Gemeinde Markt Schwaben. Denn dieses, "ein weißer Falke auf einem schwarzen Berg mit aufgehenden Flügeln in einem roten Feld" ist nach dem Ende der Falkenberger Herrschaft einfach wiederverwendet worden, vermutet Maicher.

Recycling der Ruine

Wiederverwendet wurden wohl auch Teile der alten Burgruine, als der Münchner Patrizier Alexander Schöttl in Falkenberg sein Schloss errichten ließ. Im Jahr 1579 wurde es fertiggestellt, neben einem schmucken zweistöckigen Domizil mit "zwo Stuben, sechs Khämern, zwo gewölbt Kuchl, ein Stall zu drey Pferden" bringt es seinem Erbauer auch den sozialen Aufstieg. Denn der alte Burgsitz mit den zugehörigen Ländereien ist immer noch ein Herrschaftsbereich, eine sogenannte Hofmark, erklärt Maicher. Deren neuer Besitzer Schöttl "wird Herr über die hier lebenden Menschen, kann von ihnen Arbeit und Abgaben verlangen und urteilt als ihr Richter über alle Delikte, auf denen nicht die Todesstrafe steht", außerdem darf sich der neue Bewohner mit dem Titel "Edler" anreden lassen.

Doch trotz schöner Aussichten in die Landschaft und auf gesellschaftliches Renommee schaffte es Falkenberg in den kommenden Jahrhunderten nie, dass sich seine Bewohner über längere Zeit niederließen. In den 436 Jahren seines Bestehens wurde das Schloss insgesamt 18 Mal verkauft, alleine zwölf Mal in den vergangenen 200 Jahren, nur acht Mal wurde es vererbt. Eine Liste und die Geschichte der Käufer und Erben hat der inzwischen verstorbene Moosacher Historiker und Oskar Mayer in der 1990 erschienenen Ortschronik vorgestellt.

Am längsten hat es noch die Familie des Erbauers Schöttl auf Falkenberg ausgehalten, wenn auch nicht ohne Unterbrechung. Denn Alexander Schöttls Erben Martin und Jakob verkaufen das Schloss 1599 zunächst an den Kaiserlichen Geheimen Rat Johann Wolfgang Freimann, kaufen es aber bereits 1603 zurück. Der letzte der Schöttls, Anton Albrecht, geht 1690 ins Kloster und überschreibt das Schloss seinem Orden, den Augustinern, der es nur drei Jahre später weiterverkauft. Es folgt eine lange Reihe von Schlossherren, die meisten blieben nur ein paar Jahre, die wenigsten konnten Falkenberg an ihre Nachkommen weiterreichen.

Für Maicher ist die Ursache dafür klar: "Weil die Höfe nicht genug abwerfen und weil hohe Baulasten anfallen." Denn die zwölf "Gütl", welche eine Liste aus der Mitte des 18. Jahrhunderts als zu Falkenberg gehörig nennt, sind lediglich kleine Subsistenzbauernhöfe, die kaum zum Wohlstand der Schlossherren beitragen. Einer von ihnen, der Hofoberrichter Benno Ignatz von Hofstetten, der Falkenberg 1806 übernimmt, versucht dies zu ändern.

Er und später sein Sohn Anton führen einen jahrelangen Rechtsstreit mit König Max I, beziehungsweise seiner Verwaltung um einige ertragreiche Güter in der Umgebung von Falkenberg und die Einrichtung eines nicht minder einträglichen Patrimonialgerichtes. Letztlich erfolglos, 20 Jahre nach dem Kauf veräußert die Familie Hofstetten Falkenberg wieder. Das endgültige Ende der Hofmark kommt dann elf Jahre später, 1837 werden die zum Schloss gehörigen Grundstücke und Hoheitsrechte an den Staat übertragen.

Ein Schloss mit Aussicht

Das Schloss selbst tut in den Folgejahren, was es schon in den Jahrhunderten zuvor immer tat: Es wechselt seine Besitzer und zwar in immer rascherer Folge. Zwischen dem Ende der Hofmark und dem Beginn des 20. Jahrhunderts zieht im Schnitt alle zehn Jahre ein neuer Schlossherr ein. Am meisten Spuren hinterlassen hat dabei der Regierungsrat Graf Clemens zu Pappenheim. Er bewohnte das Schloss zwar nur sieben Jahre lang, aber als er 1880 aus gesundheitlichen Gründen zurück nach München zog, hinterließ er ein komplett modernisiertes Schloss, mit neuen Öfen und funktionierender Kanalisation. Auch über "laufendes Wasser" verfügt Falkenberg nun. Pappenheim, sagt Maicher, gebühre das Verdienst, "dass das Schloss so gut ins 20. Jahrhundert gekommen ist".

Dessen erste Hälfte verläuft ungewöhnlich ruhig für Falkenberg, bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges gehört es der Familie des Münchner Chemikers Rudolf Soltmann. Zwischen 1914 und 1919 stellen sie es als Lazarett zur Verfügung, 1945 beschlagnahmt die US-Armee das Gebäude als Quartier. Danach wird das Schloss zunächst ans Landwirtschaftsamt verpachtet, das darin eine Hauswirtschaftsschule betreibt, bis es 1952 an den "Missionsdienst für Christus" verkauft wird. Gut ein halbes Jahrhundert lang fanden in Falkenberg dann Lehrgänge für Hauswirtschaft und Berufsvorbereitung statt. Seit 2000 ist das Schloss wieder in Privatbesitz.

"Nur Gast auf Zeit waren in Burg und Schloss selbst die hochfahrendsten, stolzesten und mächtigsten Herren und ihre Damen - nicht anders als ihre ärmsten Knechte, Mägde und Diener", fasst Maicher die nahezu neun Jahrhunderte währende Geschichte Falkenbergs zusammen. Was bleibt, ist das Schloss - und die Aussicht.

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Quelle:
SZ vom 13.06.2015/vewo
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