Süddeutsche Zeitung

Schloss Elkofen bei Grafing:1000 Jahre überstanden

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Von Barbara Mooser, Grafing

Grafinger Schulkinder lernen im Heimatkundeunterricht eine spannende Geschichte: Das Schloss zu Elkofen, so erfahren sie, sei im 30-jährigen Krieg allein deshalb der Zerstörung entgangen, weil die Schweden es schlichtweg nicht gesehen hätten. Zu geduckt im Tal sei es errichtet worden, um die Aufmerksamkeit der marodierenden Truppen auf sich zu ziehen. Heute tendieren manche Historiker dazu, diese Geschichte eher ins Reich der Legenden zu verweisen. Tatsache ist aber, dass Elkofen inzwischen mehr als 1000 ereignisreiche Jahre wohlbehalten überstanden hat und noch immer in alter Pracht in der Mitte des kleinen Orts Unterelkofen, das heute zu Grafing gehört, thront.

Zwar liegt das Schloss in einem Tal, wer sich dem Bauwerk nähert, stellt aber fest, dass die alten Mauern auf einem beeindruckenden Burgberg errichtet wurden, man kann noch gut erahnen, dass es bis ins Jahr 1800 auch einen Burggraben gegeben hat. Und der wehrhafte 33 Meter hohe Turm mit den meterdicken Mauern ragt stolz aus der waldbewachsenen Landschaft hervor. Er ist der älteste Teil des Anwesens, das wohl als Fliehburg zur Zeit der Ungarneinfälle errichtet wurde.

In sicheren zehn Metern Höhe liegt der Eingang, drei Zimmer boten den Menschen in der Umgebung Schutz und Zuflucht. Das reichte auch, das Land rund um Elkofen war zur damaligen Zeit noch sehr schwach besiedelt. Heute erklimmen die Besucher - etwa Schulklassen, die Max Emanuel Graf von Rechberg, der heutige Besitzer, gelegentlich durch die Räume führt - die vielen Treppen zur obersten Turmstube vor allem, um den weiten Blick über Felder und Wälder zu genießen. Bei schönem Wetter sieht man sogar bis zum Wendelstein.

Ein Zeitreisender würde das Schloss wiedererkennen

Das heutige Erscheinungsbild haben die Schlossherren über die Jahrhunderte hinweg durch An- und Erweiterungsbauten geprägt. Der Kern der Anlage ist aber gotisch, Palas, Kemenate, Dürnitzstock und Wehrgang stammen aus dieser Zeit. Vorfahren der heutigen Eigentümer haben Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts den Ostflügel, den Unteren Hof und die Toranlagen angefügt - seither haben keine gravierenden Eingriffe mehr stattgefunden. Ein Zeitreisender aus dem 18. Jahrhundert würde das Schloss kaum verändert vorfinden; auch wer Votivdarstellungen der Anlage aus dieser Zeit betrachtet, muss sich bemühen, um Unterschiede zum heutigen Aussehen ausfindig zu machen.

Elkofen gilt als eine der am besten erhaltenen Burgen Oberbayerns, auch wenn der Bau im Landkreis eher als Schloss bezeichnet wird. Dies liegt nach Angaben des heutigen Besitzers daran, dass der Bau zwar eindeutig als Burg mit militärischer Bedeutung errichtet wurde. Diese verlor die Anlage aber bereits im 15. Jahrhundert, weshalb sich nach und nach die Bezeichnung Schloss einbürgerte. Auch die offizielle Adresse ist heute Schloss Elkofen 1.

Bereits 1665 zogen Vorfahren der heutigen Grafen ein

Erstmals urkundlich erwähnt wird der Bau im elften Jahrhundert, als die Burg nach dem Aussterben der Grafen von Ebersberg überging. Immer wieder neue Besitzer fand die Burg in den Jahrzehnten darauf, auch die verschiedenen Zweige der Wittelsbacher zankten sich teilweise darum. Bereits 1665 zogen Vorfahren der heutigen Grafen Rechberg in das Anwesen ein, doch schon 1734 verlegte eine Enkelin, die die Burg erbte, nach ihrer Heirat ihren Wohnsitz nach Amberg. Mehrere Besitzer mit klangvollen Namen prägten die Jahre danach, zu den bekannteren zählen Franz Johann Hieronymus Innozenz Graf von Spreti und Joseph Ritter von Hazzi, der nicht nur den Wassergraben zuschütten, sondern auch die umgebenden Sümpfe trockenlegen ließ.

Noch Anfang des 18. Jahrhunderts hatte Michael Wenig, der damals in ganz Bayern Kupferstiche von herrschaftlichen Anwesen anfertigte, geklagt, dass er selten eine dermaßen sumpfige und mückenreiche Gegend wie Elkofen erlebt habe. Nebeneffekt der Trockenlegung sei freilich gewesen, wie Graf von Rechberg erzählt, dass die Kriminalitätsrate stieg: Die Bauern wurden durch die ertragreichen Felder wohlhabender und konnten mehr Geld in die Wirtshäuser tragen - und Streitigkeiten anzufangen.

Mitte des 19. Jahrhunderts versuchte sich der Münchner Unternehmer Heinrich Höck als Burgherr - und scheiterte kläglich. In dieser Zeit, Ende der 1860er Jahre, ging ein großer Teil der Ausstattung durch Verkäufe und Versteigerungen verloren. Sogar über den Abriss des Turmes wurde damals nachgedacht, man erhoffte sich bitter nötige Einnahmen durch den Verkauf der Steine - zum Glück wurde es damit aber nichts.

1871 entschied sich Ernst Graf von Rechberg und Rothenlöwen - "mein romantisch denkender Ururgroßvater", wie der heutige Schlossherr sagt -, den einstigen Familienbesitz zurückzukaufen. Schon damals wurde viel am arg heruntergekommenen Anwesen gemacht, doch ein finanzieller Kraftakt bleibt der Erhalt der Burg nach wie vor. Allein in den 1980er Jahren investierte Max Emanuel Graf von Rechberg an die drei Millionen Mark in die Erneuerung des Dachs und andere Reparaturarbeiten; doch wenn eine Ecke fertig ist, geht es an der anderen wieder los. Gerade bekommt eine Wand im unteren Burghof einen neuen Putz; beim Rundgang deutet der 55-Jährige auf Risse im Fundament, dunkle Stellen im Putz.

Eine Dämmplatte unter dem Schreibtisch

Modernen Komfort bietet das Schloss trotz vieler Investitionen überdies dennoch nicht: Die Temperaturen im Inneren übersteigen beispielsweise trotz Heizung fast nie die 18 Grad, ein Problem eher für die "weibliche Welt", wie der Graf sagt. Wer improvisieren kann, ist da klar im Vorteil: Rechbergs Sekretärin etwa hat sich eine dicke Dämmplatte unter den Schreibtisch gelegt - zum Schutz vor der Kälte von unten. Die Familie selbst nutzt nur etwa 200 der 4000 Quadratmeter Fläche, "der Rest ist wie ein Museum, das aber nicht gezeigt wird", sagt der Graf. Öffentliche Führungen gibt es nicht. Einen kleinen Eindruck von der Schönheit der Anlage können sich aber immer wieder Besucher von sommerlichen Konzert- und Theaterveranstaltungen in den Innenhöfen verschaffen.

Das Geld für die nötigen Investitionen in den Erhalt der Bausubstanz kommt zum größten Teil durch die Bewirtschaftung der Wälder, die zur Burg gehören, herein. Viele Tage verbringt Rechberg statt in seinem kleinen Büro in den ehemaligen Stallungen im Führerhaus seines Unimog, beispielsweise, um Wege auszubessern oder liegen gebliebene Holztransporter wieder freizuschleppen. Das widerspricht natürlich den landläufigen Vorstellungen von den Tätigkeiten des Adels. Die Schulkinder etwa, die Rechberg bisweilen zu Besuch hat, fragen gern danach, wo denn der Thron stehe, erzählt der Graf und lacht.

"Lohnt sich das alles oder lohnt es sich nicht mehr?"

Eine 70-Stunden-Woche ist für ihn der Normalfall, Urlaub haben er und seine Frau zuletzt 2009 gemacht, wie er erzählt. Viele seiner Verwandten, denen es mit ähnlichen Besitztümern ebenso ging, haben einen Schnitt gemacht und verkauft. Selbst der Stammsitz Hohenrechberg im Göppinger Raum ist heute nicht mehr im Familienbesitz. "Die Frage ist: Lohnt sich das alles oder lohnt es sich nicht mehr?", sagt der Schlossherr von Elkofen. Eine eindeutige Antwort hat er selbst noch nicht auf diese Frage gefunden, "aber vielleicht bin ich nicht derjenige, der mit den Traditionen bricht".

Ob irgendwann eines der drei Kinder diese Tradition fortführen wird, das wird sich zeigen. Graf von Rechberg ist selbst der Wunsch nicht ganz fremd, alles einfach hinter sich zu lassen - im Alter von 21 Jahren gab es eine Phase, da wäre er lieber Lachsfischer in Alaska geworden als Schlossherr auf Elkofen. Letztlich, sagt er, sei ja nur eines wichtig: "Die Menschen kommen und gehen, Elkofen bleibt."

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Quelle:
SZ vom 06.06.2015
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