Handwerker in Zorneding:Der letzte Schliff des Messerschleifers

Ausbildung Handwerk

Heckenscheren, Friseurscheren, Rasenmäherklingen und vieles mehr haben die Kunden in die Schleiferei gebracht.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Andreas Kollmannsberger hat in seiner Werkstatt in Zorneding Messer, Scheren und Rasenmäherklingen geschärft. Nun schließt er seinen Betrieb.

Von Barbara Mooser, Zorneding

"Geöffnet" steht an dem grünen Schild, das an der schweren Metalltür hängt. Immer wieder stemmen an diesem Nachmittag Kunden die Tür auf, klingeln an der zweiten, nicht ganz so massiven Tür und warten auf Andreas Kollmannsberger. Er hat noch gut zu tun in diesen Tagen. Ein Kunde holt ein Kochmesserset in einem schwarzen Etui ab, das selbst ein Laie als hochwertig erkennt. Er habe Koch gelernt, übe den Beruf aber jetzt nicht mehr aus, erzählt der Mann, "aber man behält natürlich sein Lieblingswerkzeug".

Handwerker in Zorneding: Einem Satz hochwertiger Kochmesser hat Andreas Kollmannsberger noch einmal den richtigen Schliff verpasst.

Einem Satz hochwertiger Kochmesser hat Andreas Kollmannsberger noch einmal den richtigen Schliff verpasst.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dem hat er von Andreas Kollmannsberger noch einmal einen frischen Schliff verpassen lassen, "wenn man schon eine gute Schleiferei um die Ecke hat", sagt der Mann. Wenig später kommt ein anderer Kunde, er trägt eine Kiste mit einem unförmigen Bündel, das in ein Geschirrtuch gewickelt ist. "Ich hätt ein paar Messer", kündigt er an, packt sie aus und zeigt sie Andreas Kollmannsberger. Normalerweise, gesteht er, lasse er seine Messer auf der Auer Dult schärfen, doch da war er jetzt schon zwei Jahre nicht mehr. Im Internet hat er deshalb nachgeschaut, wann die Schleiferei von Andreas Kollmannsberger auf hat - und dabei auch festgestellt, dass er sich beeilen muss, wenn er dort seinen Messern wieder einen guten Schliff verpassen lassen will.

Denn an diesem Donnerstag sperrt der 41-Jährige seine Werkstatt zum letzten Mal auf - und dann für immer zu. Dass er bald sein Werkzeug zusammenpacken wird, dass er schon im Februar in der Schweiz ein neues berufliches Leben anfangen wird, danach sieht es an diesem Mittwoch freilich nicht aus. Die Begeisterung, die Andreas Kollmannsberger gepackt hat, als er sich vor sieben Jahren die Räume zum ersten Mal angeschaut hat, ist immer noch zu spüren, als er die Metalltreppe hinauf in sein Büro führt oder zu dem Raum im Hinteren des Gebäudes, wo der alte Schleifbock steht. "Aus Solingen, ungefähr 1920", sagt Kollmannsberger. "Neu ist hier gar nichts."

"Es gibt wenig Sachen, die ich nicht machen kann", sagt er

Neu muss aber auch nichts sein, denn der Zornedinger mag alte Maschinen und kann so ziemlich alle reparieren. "Ich bin einfach ein guter Handwerker", sagt er. "Es gibt wenig Sachen, die ich nicht machen kann." Deshalb warten in seiner Werkstatt auch noch ein paar uralte schwarze Singer-Nähmaschinen auf ihren Einsatz, die hat er sich zugelegt, um vielleicht mal Messerscheiden zu machen. Doch aus diesem Plan ist jetzt erst einmal nichts geworden, ebenso wie aus dem Plan, sich dauerhaft an seinem Heimatort als Schleifer zu etablieren.

Die kleine Schleiferei hat eine Adresse am Schmiedweg und früher war hier auch die Schmiede untergebracht, die dem Weg den Namen gegeben hat. Sie liegt aber im Prinzip direkt an der Münchener Straße, zentral im Ort. Wenn man in Zorneding nach einem schönen Fotomotiv suchen würde, wäre die Schleiferei ein guter Tipp - im Hintergrund idyllisch die Pfarrkirche. Und doch sind über die Jahre zu wenige Kunden gekommen. Warum? Das fragt sich Andreas Kollmannsberger auch.

Vielleicht, weil man heutzutage ein billiges Messerset im Supermarkt für ein paar Euro kaufen kann, das hält ein paar Monate, aber zur Schleiferei bringen braucht man das nicht. Das nächste Set liegt ja schließlich schon beim Discounter im Regal. Man spürt aber auch, dass sich Kollmannsberger von den Zornedingern trotzdem ein bisschen mehr erhofft hat, schließlich ist er hier aufgewachsen, hat den Großteil seines Lebens hier verbracht. Aber schon vor der Eröffnung sei das Gerücht verbreitet worden, dass er beim Messerschliff pro Zentimeter drei Euro verlange, erzählt der 41-Jährige. Das habe ihn schon getroffen.

Handwerker in Zorneding: Ein Idyll mit Blick auf die Kirche: In der Schleiferei von Andreas Kollmannsberger war früher die Schmiede untergebracht.

Ein Idyll mit Blick auf die Kirche: In der Schleiferei von Andreas Kollmannsberger war früher die Schmiede untergebracht.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im Internet findet man viele begeisterte Rezensionen

Handwerker in Zorneding: Der 41-Jährige ist gelernter Chirurgiemechanikermeister, einige der Instrumente von damals hat er sich aufgehoben.

Der 41-Jährige ist gelernter Chirurgiemechanikermeister, einige der Instrumente von damals hat er sich aufgehoben.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wer aber mal bei Kollmannsberger war, schwärmt von seiner Arbeit. "Einwandfreie Arbeit. Heckenschere, Gartenschere, Haarschere (ja, auch diese!), Taschenmesser, jetzt wieder alles wie neu", schreibt ein begeisterter Rezensent im Internet, es ist eine von vielen Lobeshymnen. Auch die Lederhosenschneiderei Stangassinger in Berchtesgaden setzte auf das Können des Zornedingers und brachte ihm ihre Scheren vorbei. Vielleicht, sagt Kollmannsberger selbstkritisch, hätte er doch mehr Werbung machen sollen und nicht so sehr darauf setzen, dass es sich schon rumsprechen würde, dass er gute Arbeit leistet.

Doch dass das Geschäft nicht so lief wie erhofft, ist ja nicht der einzige Grund für das Ende. Denn auf dem Areal rund um seine Werkstatt wird es auch zu großen Veränderungen kommen. Die Gemeinde lässt das Gebiet überplanen; dass das historische Gebäude mit der Werkstatt stehen bleiben soll, gilt zwar als ausgemacht. Doch dass die Werkstatt als solche erhalten bleiben soll, eben nicht. Kollmannsberger hat die Räume vom früheren Kunstschmied gemietet, der sie wiederum von der Gemeinde gemietet hat. Langfristige Zusagen wollte niemand machen, sagt der 41-Jährige. Es waren sogar schon Leute da, die an dem Gebäude Interesse hätten. Einer wollte eine kleinere Brauerei hier aufziehen, ein anderer ein Café. Vielleicht wird es letztlich auch etwas ganz anderes.

Für Andreas Kollmannsberger ist seine Zeit in der gemütlichen Werkstatt jedenfalls bald beendet und auch seine Zeit in Zorneding. Als Chirurgiemechanikermeister ist er eine gesuchte Fachkraft, in Sankt Gallen hat er eine neue Stelle gefunden, seine Familie zieht gemeinsam mit ihm in die Schweiz. "Ich bin froh, dass diese Tür für mich aufgegangen ist", sagt er. Dass er eine andere hinter sich zuziehen muss, das beutelt ihn aber sichtlich. "Ich nehme Abschied von meiner Heimat, von dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin. Das geht mir richtig nahe." Doch seine Werkzeuge, Schleifböcke und Nähmaschinen behält er erst einmal - vielleicht erfüllt sich sein Traum ja in einem zweiten Anlauf.

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