Schlamperei in Markt Schwaben:Baustelle Bauamt

Schlamperei in Markt Schwaben: Niemand zu sehen? Das liegt vielleicht auch daran, dass im Markt Schwabener Rathaus jahrelang am Personal gespart wurde.

Niemand zu sehen? Das liegt vielleicht auch daran, dass im Markt Schwabener Rathaus jahrelang am Personal gespart wurde.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bei der Dokumentation ist über Jahre geschlampt worden. Bis heute sind einige Akten nicht auffindbar oder unvollständig. Für Markt Schwaben kann das noch ein ernstes Problem werden.

Von Isabel Meixner

Es war wieder eine dieser Meldungen, die Kopfschütteln über das Bauamt Markt Schwaben hervorrief: Alle Schlösser in den öffentlichen Gebäuden müssen ausgetauscht werden, weil Tausende Schlüssel im Umlauf sind. Deren Besitzer sind ebenso unbekannt wie die genaue Anzahl der Schlüssel. Es ist längst ein offenes Geheimnis in der Gemeinde: Bei der Dokumentation ist im Bauamt über Jahre geschlampt worden. Entscheidende Akten sind auch 15 Monate, nachdem im Bauamt der neue Leiter Frank Eichner das Sagen hat, nicht auffindbar - oder vielleicht auch nicht existent. Zehn Jahre lang war Eichner in der Kommunalberatung tätig, "aber so was wie hier . . .", sagt er und schüttelt den Kopf. Dann spricht er das harte Urteil über die Zeit vor ihm: "Das war die organisierte Unverantwortlichkeit."

Die Kritik richtet sich gegen Ex-Bürgermeister Bernhard Winter (SPD) und den ehemaligen Bauamtsleiter Andreas Pröschkowitz. Akten seien unvollständig, Bauanträge zerfleddert, Dokumente von Neubauten ohne Endabrechnungen gewesen, zählt Eichner auf. Er nennt die Arbeitsabläufe chaotisch. Entscheidungen sollen teils ohne Wissen des Gemeinderats getroffen worden sein. Die Vorwürfe bestätigte auch der kommunale Prüfungsverband, der 2014 die 1,8 Millionen Euro Mehrkosten des mit 3,3 Millionen veranschlagten Feuerwehrhauses überprüfen sollte. Ergebnis der Untersuchung: Von einem gewissen Punkt an seien die Dokumente nicht mehr prüfbar gewesen, weil nicht alle Akten vorhanden waren.

Vier Tage Akten ordnen am Stück

Frank Eichner kann nach eigener Aussage bis heute bei einigen gemeindeeigenen Gebäuden beispielsweise nicht sagen, ob regelmäßig Aufzüge, Blitzableiter oder die Trinkwasserqualität überprüft worden sind. Vier Tage hatte er das Bauamt im vergangenen Jahr zugesperrt, um mit seinen Mitarbeitern Akten zu ordnen und zu etikettieren. "Diese Bestandsunterlagen haben wir entweder noch nicht sortiert - oder sie sind nicht da."

Für die Gemeinde kann das ein großes Problem werden. "Da befinden wir uns im Strafrecht", betont Eichner. Denn die Kommune muss ihren Betreiberpflichten nachkommen, wie es im Behördendeutsch heißt. Wird nach einem Unfall geklagt, muss die Gemeinde vor Gericht dokumentieren können, dass sie sich nichts hat zu Schulden kommen lassen. In einigen Fällen dürfte ihr das schwer fallen. In anderen dürften noch hohe Kosten auf sie zukommen: Pläne von öffentlichen Gebäuden sind teils verloren gegangen oder zumindest nicht mehr auffindbar. Bevor zum Beispiel das Rathaus saniert werden könnte, müsste ein Architekt zunächst über Bauunterlagen im Archiv des Landratsamts rekonstruieren, wo Stromleitungen verlaufen.

Der Gemeinderat soll immer eingebunden gewesen sein

Fehlende TÜV-Unterlagen, unvollständige Dokumentation, Schlamperei: Bernhard Winter, von 2002 bis 2011 Markt Schwabener Bürgermeister, will davon in seiner Amtszeit nichts bemerkt haben. "Ich erinnere mich an keine gravierenden Mängel oder das Nicht-Auffinden von Unterlagen", schreibt er in einer E-Mail an die SZ. Auch sei der Gemeinderat seines Wissens nach stets in der richtigen Form in Entscheidungen eingebunden gewesen.

Auch Andreas Pröschkowitz weist die Vorwürfe zurück. Er war bis Ende 2014 an der Spitze des Bauamts gestanden, dessen Leitung Bernhard Winter ihm neben der des Ordnungsamts anvertraut hatte. Pröschkowitz sieht sich als Sündenbock für Probleme, die "entweder gar nicht in meiner Zeit als Bauamtsleiter - sondern vorher oder danach - entstanden sind, nicht das Bauamt betrafen oder sogar vom Bauamt erkannt und einer Lösung zugeführt wurden". Er habe im Bauamt eine "schwierige Ausgangslage" vorgefunden, "die sich sicherlich bis zum Ausscheiden aus dem Dienst immer noch in manchem Aktenstapel erkennen ließ". Den Vorwurf, er habe ein Chaos hinterlassen, will er jedoch nicht auf sich sitzen lassen: In seiner Zeit seien eine zentrale Registratur aufgebaut, ein Einheitsaktenplan eingeführt und klarere Strukturen geschaffen worden. Wichtige Aufgaben wie die Prüfung der Aufzüge und Blitzableiter seien erledigt worden.

Pröschkowitz räumt allerdings ein, dass das Bauamt personell unterbesetzt war. Das habe es unmöglich gemacht, den Aufgaben vollumfänglich nachzukommen. Besonders in den letzten Jahren von Pröschkowitz' Tätigkeit für die Gemeinde Markt Schwaben sei das Bauamt täglich an die Grenzen gestoßen. "Es war für mich keine Alternative, überlastete Mitarbeiter immer weiter mit noch mehr Arbeit einzudecken", so Pröschkowitz.

Die Folgen früherer Personalpolitik

Dass das Bauamt zu wenige Mitarbeiter hat, bestätigt auch Frank Eichner: Auch heute noch würden fünf, sechs Stellen fehlen, um den Planungsstau im Bauamt aufzulösen. Derzeit sind dort zwölf Leute angestellt, zum Vergleich: In Heimstetten, von der Einwohnerzahl mit Markt Schwaben vergleichbar, sind es Eichner zufolge mehr als 20 Personen. "Auf dem Papier sieht Personaleinsparung immer gut aus", sagt Eichner.

Die restriktive Personalpolitik ging auf Bürgermeister Winter zurück. Dieser bestätigt, dass in seiner Amtszeit im Bauamt wie auch in der gesamten Verwaltung "auf das Gebot der Sparsamkeit im klaren Gemeinderats-Willen Wert gelegt wurde". Stellen wurden nicht nachbesetzt, auch die Dotierung habe deutlich unter der heutigen gelegen. Noch heute sind Neuausschreibungen in Markt Schwaben fast ein Ding der Unmöglichkeit: Der Gemeinderat wehrt sich gegen ein Mehr an Personalkosten im Rathaus, Stellen werden in der Regel nur zähneknirschend bewilligt. Dabei sei sein Amt in den vergangenen Jahren ein Multidienstleister geworden, sagt Bauamtsleiter Eichner: Die Bauleitplanung schlägt hier ebenso auf wie die Umweltthematik, der Hochwasserschutz, die Abfallwirtschaft, das Gebäudemanagement oder Anliegen der Freiwilligen Feuerwehr. Auch über Gesetzesänderungen, DIN-Vorschriften und Fördermöglichkeiten müssten die Mitarbeiter Bescheid wissen. Entsprechend viel Manpower brauche es.

Doch wenn der Zustand im Bauamt über Jahre so chaotisch gewesen sein soll: Warum reagierte Georg Hohmann (SPD) erst fast vier Jahre nach seiner Wahl zum Bürgermeister? Er habe bereits nach einem halben Jahr gemerkt, dass Pröschkowitz mit den Aufgaben überfordert gewesen sei, sagt Hohmann. Warum er nicht reagiert hat? "Ich hab's ja versucht", so der Bürgermeister. Aber der Gemeinderat habe die Notwendigkeit zunächst nicht gesehen, den Bauamtsleiter auszutauschen. Und ohne das Okay des Gremiums können keine Stellen ausgeschrieben werden.

Ein externer Gutachter muss nun ran

Eineinhalb Jahre will Hohmann nach eigener Aussage Pröschkowitz' Absetzung betrieben haben, bis der Gemeinderat seinem Anliegen im Lauf des Jahres 2014 zustimmte. Für Pröschkowitz sollte eine neue Stelle in der Verwaltung gefunden werden. Dieser kam seiner Entmachtung aber zuvor und kündigte. "Leider wurden von Einzelnen Informationen wissentlich oder auch in Unkenntnis falsch verbreitet", schreibt er an die SZ. Mit ihm habe keiner direkt über die Vorwürfe gesprochen.

Ruhe wird im Bauamt so schnell wohl keine einkehren. Die Rechnungen aus vergangenen Tagen werden von einem externen Gutachter untersucht, auch soll die EDV auf aktuellen Stand gebracht werden, damit automatisch gewarnt wird, wann etwa eine TÜV-Prüfung der Blitzableiter ansteht. Aufräumarbeiten, die nicht jedem gefallen. Er würde sich wünschen, wenn weniger mit dem Finger in die Vergangenheit gezeigt werde, sagt der ehemalige Bürgermeister Bernhard Winter: "Aus manchen Äußerungen könne der Eindruck entstehen, dass durch das Negativ-Malen der Vergangenheit das Handeln der jetzt Verantwortlichen positiv hervorgehoben werden soll".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: