Schienenersatzverkehr auf der S4/S6:Unerfreulich eng

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In Grafing-Bahnhof informieren Lotsen die Fahrgäste über den Schienenersatzverkehr, der seit Freitag im Einsatz ist. (Foto: Christian Endt)

Seit einigen Tagen verkehrt zwischen Haar und Grafing-Bahnhof statt der S-Bahn ein Bus. Doch es läuft nicht rund: Nutzer beklagen Ausfälle und überfüllte Fahrzeuge.

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Zwei Tage Schienenersatzverkehr, zwei unerfreuliche Erlebnisse: So ist es einem 34-jährigen Vaterstettener gegangen, der eigentlich nur in die Arbeit und wieder zurück wollte. Doch auch andere S-Bahn-Nutzer berichten davon, dass es mit dem Ersatzverkehr zwischen Grafing-Bahnhof und Haar nicht rund läuft - und dass die Ersatzbusse, die fahren, extrem voll sind. "Coronaparty brutal überfüllter SEV", hat ein Betroffener gleich am ersten Tag getwittert. Bei der Bahn sind nach Angaben einer Sprecherin allerdings noch nicht viele Beschwerden eingegangen.

Seit 31. Juli müssen die S-Bahn-Nutzer, die zwischen der Landeshauptstadt und Ebersberg unterwegs sind, zwischen Haar und Grafing-Bahnhof auf Ersatzbusse umsteigen. Grund dafür sind umfangreiche Bauarbeiten: 20 Weichen, rund sieben Kilometer Gleis samt Schwellen und Schotter sowie weitere 1,7 Kilometer Schienen werden in den Sommerferien komplett erneuert. In der ersten Bauphase, die noch bis zum 19. August dauert, sind die S-Bahn-Gleise zwischen Haar und Grafing Bahnhof komplett gesperrt. Die S6 und die S4 entfallen in diesem Abschnitt. Zwischen Haar und Trudering steht nur ein Gleis zur Verfügung. Hier verkehrt ausschließlich die S6 im 40-Minuten-Takt.

Keine erfreuliche Aussicht also für Pendler. "Mir war klar, dass es nicht funktioniert - aber dass es so schlimm wird...", so Helmut R., der seinen richtigen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Bei einer Fahrt hat er es mit dem Schienenersatzverkehr immerhin in die Arbeit geschafft, allerdings mit deutlich mehr Kontakten zu seinen Mitfahrern als ihm lieb war. Ein Bus sei mittags in Vaterstetten ausgefallen, der nächste sei mit ein paar Minuten Verspätung gekommen, sagt R.. Dieser sei aber schon bei Ankunft gut besetzt gewesen und dann richtig voll geworden. "Jeder Doppelsitz war belegt und der Gang von hinten bis vorn", berichtet der Vaterstettener. Eine Familie hievte auch noch Koffer und einen Buggy in den Bus. Im Hinblick darauf, dass ja immer noch eine Pandemie herrsche, könne man das nur mit Ironie sehen, sagt der 34-Jährige. Als der Schlosser nach der Nachtschicht von Trudering aus zurück nach Vaterstetten wollte, fuhr der um 1.10 Uhr angekündigte Ersatzbus überhaupt nicht. R. stand, wie er erzählt, seit 1.08 Uhr an der Haltestelle und sah nur einen SEV-Bus, der mit unbeleuchtetem Innenraum an der Haltestelle vorbei gefahren sei. Er habe sich dann mit einer älteren Dame und zwei jungen Kerlen, die ebenfalls mit dem SEV fahren wollten, ein Taxi geteilt, sagt der Vaterstettener.

Von überfüllten Ersatzbussen und nicht eingehaltenen Fahrplänen beim Schienenersatzverkehr ist auch in Foren in sozialen Netzwerken die Rede. Bei der Bahn selbst allerdings sind Beschwerden noch nicht in größerem Umfang aufgelaufen, wie eine Sprecherin erklärt: "Grundsätzlich beobachten wir die Situation gerade am Anfang eines Schienenersatzverkehrs sehr genau und steuern bei Bedarf nach. Bislang sind bei uns noch keine Hinweise über sehr volle Busse eingegangen. Jedoch werden wir die Lage auch in den kommenden Tagen weiter beobachten und entsprechend reagieren. Die Anzahl der Busse wurde gemäß dem aktuellen Fahrgastaufkommen geplant und dabei großzügig bemessen. Dabei wurden auch die Hauptverkehrszeiten und jeweiligen Richtungen der Fahrgastströme berücksichtigt." Kritik und Beschwerden könnten die Betroffenen auch dem Kundendialog mitteilen, der unter der Telefonnummer (089) 55 89 26 65 erreichbar ist.

Zwar ist genau geregelt, wie viele Besucher während der Pandemie in Läden und Restaurants erlaubt sind - für öffentliche Verkehrsmittel gibt es keine Beschränkungen. Vorgaben zur Höchstpersonenzahl mache die 13. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung nicht, so ein Sprecher des Gesundheitsministeriums auf Anfrage. Es bestehe aber für die Fahrgäste FFP2-Maskenpflicht. Das Kontroll- und Servicepersonal müsse, soweit es in Kontakt mit Fahrgästen komme, zumindest eine medizinische Gesichtsmaske tragen. Die Einhaltung der Vorgaben werde durch die Bayerische Eisenbahngesellschaft überprüft, "indem stichprobenartig die bereitgestellten Kapazitäten auch im Schienenersatzverkehr kontrolliert werden und indem konkreten Fahrgastbeschwerden nachgegangen wird", so die Auskunft aus dem Ministerium.

© SZ vom 04.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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