Kunstverein Ebersberg:Meisterwerke und Missverständnisse

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Drei Künstler, drei radikale Vorgehensweisen: Die Ausstellung "Frauen, Technik, Landschaft" in der Alten Brennerei

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Zu Schulzeiten sei er in Mathe immer schlecht gewesen, sagt Leonhard Hurzlmeier. Doch Mathe bestehe ja nicht nur aus Algebra. Zum Glück - auch für das Publikum: Bei der Ausarbeitung seiner Werke vertieft sich der Künstler detailverliebt in geometrische Formen; er zerlegt sie, setzt sie in ungewohnter, aber plausibler Weise wieder zusammen und schafft so Artefakte, die auch einen zweiten und dritten Blick herausfordern. Gemeinsam mit seinen Kollegen Nejat Baydar und Hansjoerg Dobliar stellt Hurzlmeier derzeit in der Galerie Alte Brennerei des Kunstvereins Ebersberg aus. Ursprünglich hatte die Werkschau den Arbeitstitel "Münchner Maler", doch im Laufe der Vorbereitungen kristallisierte sich die wenig griffigere Schlagzeile "Frauen, Technik, Landschaft" heraus. Dieser kleinste gemeinsame Nicht-Nenner sagt weniger über das Programm als vielmehr über die sehr unterschiedlichen Herangehensweisen der Maler aus, die sich über die Akademie der Bildenden Künste in München kennen.

Nejat Baydar verfremdet Aktfotos aus dem Internet. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Hurzlmeier, der zuletzt in New York ausstellte, ist ein Meister der Illusion: In seinen Bildern nimmt er Anleihen aus der Funktionsweise der Piktogramme, reduziert das Gezeigte also auf das Wesentliche und spielt dabei mit dem persönlichen Erleben des Betrachters. Dabei ist es egal, ob er in der Welt der Comics wildert oder grafische Elemente integriert; sein Vorgehen bleibt konsequent schematisch. So versteckt sich im Bild "Tisch und Stuhl" ein vertikales Achsensystem, in das sich jedes Element zwanghaft einfügen muss. Auch hier ist wieder die Geometrie Strippenzieher und Garant für die perfekte Komposition des Werks. Hurzelmeiers Werke lesen sich stellenweise wie ein wahnwitziger Ritt durch die Epochen; es ist ein Wiedersehen mit der Formfreude Miros, dem Bildwitz Magrittes, der Frechheit Warhols. Eine seiner größten Inspirationsquellen jedoch, so Hurzlmeier, sei die romanische Bildkunst, die sich ein eigentümliche Abstraktionsprinzip zu eigen gemacht hatte.

Dieter Hurzlmeier spielt mit geometrischen Formen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Lust zur Provokation zeigt Nejat Baydar in seiner pseudo-erotischen Verfremdung von Pin-ups. Dazu druckte Baydar Bilder nackter Frauen aus dem Internet aus, überzog diese mit schwarzer Ölfarbe und ritzte dann mit einem Holzstäbchen schablonenhaft Muster hinein, die den Blick auf das bearbeitete Motiv beinah ganzheitlich wieder freigeben. Es mutet ein wenig wie ein lustloses Versteckspiel an, bei dem dann doch alles gezeigt wird; Baydar selbst vergleicht es mit Reizwäsche, die nach demselben Schema funktioniere. Bei Entstehung der Bilder, die er schon seit 2004 anfertigt, wusste Baydar freilich noch nichts von der aktuellen Sexismus-Debatte, in der vor allem die Degradierung der Frau zum Objekt angeprangert wird. Trotzdem scheinen Baydars Bilder ebendiesen Vorwurf noch zu bedienen; vor allem, wenn er mit seiner Kunst, wie er sagt, eine bestimmte Perspektive in den Raum werfen wollte: den männlichen Blick. In der Filmtheorie gibt es dafür sogar einen Fachbegriff: "the male gaze", unter dem die Frau immer die Betrachtete, ein Objekt bleibt. Natürlich sei es ein heikles Thema, dem er sich annehme, räumt der Künstler ein; aber er wolle sein Publikum bewusst konfrontieren und mit dem kurzen Gefallen, den Männern beim Anblick seiner Kunst empfinden, spielen. Offen bleibt, inwieweit der Künstler die Wirkung seiner peripher bearbeiteten Bilder auf das weibliche Publikum berücksichtigt hat. Doch, so sieht es Baydar jedenfalls, Kunst lebe eben auch von Missverständnissen.

Dieter Hurzlmeier (links) und Nejat Baydar stellen in der Ausstellung "Frauen, Technik, Landschaft" ihre Werke aus. Dritter im Bunde ist Hansjoerg Dobliar, er interpretiert klassische Motive oft ironisch neu. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ungleich anspruchsvoller wirken die groß aufgezogenen Leinwände Baydars, die er wiederum mit schwarzer Ölfarbe überstrichen hat. Schwarz sei eine edle Farbe, sagt er; deshalb verstehe er sie auch nicht als etwas Bedrückendes. Die Formen, die er anschließend mit einem Holzstab in das Schwarz der Leinwand ritzt, fertigt Baydar vorher auf seinem Rechner an; bis zum Trocknen der Farbe hat er für seine Gravuren nur eine Stunde Zeit - ein minutiöses Arbeiten. Einige Tage später werden dann die Einkerbungen mit Farbe gefüllt. In diesen großflächig angelegten Farb- und Formstudien setze er sich vor allem damit auseinander, erklärt Baydar, wie man als Künstler mit der digitalen Welt konkurriere.

Dritter im Bunde der Ausstellung ist Hansjoerg Dobliar, der in seinen Werken oftmals Ausflüge in die klassische Moderne und den Expressionismus unternimmt, um dann die Motive in eine ironisch-trashige Bildsprache zu übersetzen. So erwarten den Besucher schon in der Eingangshalle der Alten Brennerei opulente Poster, die wie eilig zusammengeschusterte Abrisse von Litfaßsäulen und Plakatwänden anmuten. Indem er sich im Rahmen der Ausstellung auf Materialien wie Verpackungskartons oder Malunterlagen konzentriert, setzt Dobliar ganz auf das Beiläufige, Beliebige - oder, wie es die Kuratorin beschreibt, das Verhältnis zwischen Schönheit und Schrecken der Moderne.

Die Ausstellung "Frauen, Technik, Landschaft - Malerei aus München" ist von 24. November bis 17. Dezember in der Alten Brennerei im Kunstverein Ebersberg zu sehen. Die Vernissage findet am Freitag, 24. November, um 19 Uhr statt.

© SZ vom 23.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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