Kurz vor der Landkreisgrenze soll Schluss sein – so zumindest sieht es ein aktuelles Strategiepapier zum Bahnausbau des bayerischen Verkehrsministeriums vor. Gemeint ist ein Infrastrukturprojekt, das seit Jahren immer mal wieder Thema ist, wenn es um die Verkehrsentlastung in der Region geht: ein weiterer S-Bahn-Ast im Norden der bestehenden Linie zwischen Ostbahnhof und Erding. Nun sieht es so aus, als könnte dieser teilweise realisiert werden – nur eben nicht bis in den Landkreis Ebersberg.
Die Idee einer weiteren S-Bahn-Strecke, die von Riem über Aschheim, Kirchheim bis Pliening führen könnte, wurde zuletzt vor etwas mehr als fünf Jahren wieder in größerer Runde diskutiert. In einer Anfang 2019 in mehreren Gemeinden des Münchner Ostens vorgestellten Studie wurden Maßnahmen präsentiert, welche die verkehrsgeplagten Kommunen entlasten könnten. Eine davon war eine weitere S-Bahn-Linie, die zwischen der Messe in Riem und Pliening verlaufen sollte.
München/Ebersberg:Kollaps mit Ansage
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Diese wurde nun von Fachleuten hinsichtlich des sogenannten Nutzen-Kosten-Verhältnisses geprüft und zumindest in Teilen positiv bewertet – allerdings ohne zwei damals in der Studie genannte Stationen. Die Messe soll demnach keine solche mehr sein, auch Pliening nicht, aber der Riemer Bahnhof und Aschheim. Diese Mini-Erweiterung würde der vorliegenden Bewertung zufolge rund 75 Millionen Euro kosten – allerdings ermittelt aus Daten von 2016 und ohne Planungskosten – und könnte täglich etwa 3200 Passagiere aus oder nach Aschheim befördern.
Immerhin von Landsham aus könnte man künftig mit dem Radl zur Bahn kommen
Für diese Maßnahme errechnet sich laut aktueller Studie ein Kosten-Nutzen-Verhältnis mit dem Faktor von 1,4 – alles größer als eins gilt als positiv. Entsprechend wird empfohlen, die Idee einer Bahnstrecke nach Aschheim weiterzuverfolgen, gegebenenfalls könnte diese sogar um eine Station verlängert werden, denn auch ein S-Bahnhof in Kirchheim wäre positiv zu bewerten. Zumindest von Landsham wäre dieser wohl gut mit dem Fahrrad zu erreichen, auch wenn noch nicht ansatzweise feststeht, wo die neue Station gebaut werden soll – und, vor allem, wann. Denn einen Zeitplan enthält das Strategiepapier nicht.
Dafür ein positives Votum zu einem anderen Bahn-Projekt im Landkreisnorden, das ebenfalls in der 2019 vorgestellten Studie auftauchte, damals unter dem Stichwort: „Streckenertüchtigung zwischen Riem und Markt Schwaben“. Konkret schlugen die Fachleute einen viergleisigen Ausbau in dem Bereich vor – und einen solchen empfehlen auch die Macher des aktuellen Papiers.
Und das, obwohl man hier von einem negativen Kosten-Nutzen-Verhältnis ausgeht, bei veranschlagten Ausgaben – wieder Stand 2016 und ohne Planung – von 667 Millionen Euro ergäbe sich ein Faktor von 0,92. Allerdings überwögen die übrigen Vorteile, als da wären eine Steigerung der Zahl der Personenfahrten um 5870 pro Tag, die Möglichkeit eines engeren S-Bahn-Taktes sowie die Entlastung des Güter- und Personenverkehrs auf der Fernbahnstrecke. Da diese Züge sich die Gleise nicht mehr mit der S-Bahn teilen müssten, könne die Strecke zwischen München Hauptbahnhof und Mühldorf um etwa acht Minuten schneller oder 14 Prozent Reisezeit weniger zurückgelegt werden.
Ob es irgendwann eine S-Bahn nach Rosenheim geben kann, wird noch geprüft
Einen positiven Einfluss auf andere Zugverbindungen sieht man im Verkehrsministerium und bei der Bahn auch in einer S-Bahn-Verlängerung nach Rosenheim. Anfang vorigen Jahres wurde diese Route unter dem Arbeitstitel „S21 X“ erstmals vorgestellt. Geplant ist, ausgehend von Grafing-Bahnhof via Aßling und Ostermünchen nach Rosenheim eine für die S-Bahn taugliche Strecke herzustellen. Die Züge sollen in einem 30-Minuten-Takt verkehren, möglicherweise ist auch ein 60-Minuten-Takt bis Kufstein möglich.
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Ein neues Gutachten empfiehlt eine zusätzliche Verbindung über Grafing-Bahnhof zum Ostbahnhof. Ob dieser Plan aber tatsächlich jemals in die Tat umgesetzt wird, ist ungewiss.
Zu dieser Maßnahme gibt es noch keine Kosten-Nutzen-Berechnung – allerdings ist sie im Vergleich zum Frühjahr 2023 etwas unwahrscheinlicher geworden. So rechne sich die Rosenheimer S-Bahn nur bis zu Kosten von 368 Millionen Euro – die alte Studie nennt noch 400 Millionen als Obergrenze. Auch der prognostizierte Nutzen ist etwa geringer geworden, waren es Anfang 2023 noch ungefähr 7800 Personen, die pro Tag das neue Angebot nutzen würden, sollen es laut der aktuellen Daten nur etwa 6900 sein.
Zwar sei zwischen Grafing-Bahnhof und Rosenheim ohnehin ein Streckenausbau im Rahmen des Brenner-Nordzulaufs geplant, so die Studie, ebenfalls in diesem Zusammenhang wird die Strecke zwischen Berg am Laim und Grafing-Bahnhof leistungsfähiger gemacht. Für eine S-Bahn müssten allerdings die Stationen zwischen Grafing-Bahnhof und Rosenheim um- oder sogar neu gebaut werden. Auch betrifft der Bau des Brenner-Zulaufs vor allem die Fernbahngleise. Diese würden aber gemäß den aktuellen Planungen weit um die Ortschaften herumführen, sodass für die S-Bahn zumindest teilweise die Bestandsstrecke ausgebaut werden müsste.
Die drei Vorhaben sind Teil des Programms „Bahnausbau Region München“, dessen größter Teil die geplante zweite Stammstrecke für die S-Bahn ist. Drumherum gibt es 73 weitere Maßnahmen, die unterschiedlich weit fortgeschritten sind. Für die Verbesserung des Zugverkehrs im Landkreis Ebersberg sind noch der zweigleisige Ausbau beziehungsweise das Ausweichgleis zwischen Grafing-Bahnhof und Ebersberg sowie die Elektrifizierung samt Option einer S-Bahn zwischen Ebersberg und Reitmehring bei Wasserburg geplant. Außerdem steht noch der zweigleisige Ausbau der Strecke zwischen Markt Schwaben und Erding samt Ertüchtigung der Bahnhöfe auf der Agenda.
Diesen Maßnahmen wurde bereits ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis bescheinigt, teilweise gibt es auch schon Zeitpläne: So soll der Bahnhof Markt Schwaben bis 2028 barrierefrei ausgebaut sein, anschließend soll der Streckenausbau folgen. Die Elektrifizierung bis Reitmehring hätte eigentlich schon beginnen sollen, hat sich allerdings wegen an der Strecke nistender Kiebitze verzögert. Derzeit laufen Untersuchungen, ob die geschützten Vögel dort immer noch leben – falls nicht, soll der Oberleitungsbau im kommenden Jahr beginnen.