Mitten in der S-Bahn:Halt doch den Schnabel!

Mitten in der S-Bahn: Auch Eulen können ganz schön wach sein - vor allem, wenn eine gesprächige Lerche ihnen auf den Keks geht.

Auch Eulen können ganz schön wach sein - vor allem, wenn eine gesprächige Lerche ihnen auf den Keks geht.

(Foto: imago stock&people/Anka Agency International)

Morgens in der Bahn will man am liebsten seine Ruhe. Ab und zu gibt es aber Mitfahrer, die einfach zu wach sind für diese Tageszeit.

Glosse von Franziska Langhammer, Ebersberg

Didliu widlwidl didliu. Wer genau hinhört, weiß sofort, welcher Vogel hier sein Bestes gibt: eine Lerche. Ihr Gesang kann manchmal ziemlich penetrant sein; eine rasante Abfolge von höchsten Tremolos und vorwitzigen Trillern, vorgetragen mit einer Vehemenz und Ausdauer, dass es Tote wecken könnte - oder noch im Halbschlaf befindliche Menschen. Bahnfahrer, um genauer zu sein.

Ein Blick in die Abteile der S-Bahn morgens Richtung München zeigt, dass hier eindeutig die Eulen in der Überzahl sind. Müde Gesichter, verschlossene Mienen, halb geschlossene Augen. Jeder ist bei sich, hängt vielleicht noch einem Traum nach oder bereitet sich gedanklich auf den bevorstehenden Tag vor. Nur einer schaut ganz munter durch die Gegend. Anfang fünfzig mag der Passant sein, und wer es nicht schnell genug schafft, seinem Blick auszuweichen, hat ein Gespräch an der Backe. Und schon zwitschert er los. Eindeutig eine Lerche.

Die erste Eule, die er erwischt, ist ein Schüler, der auf dem Smartphone nach etwas zu suchen scheint. Lerche: "Was schaust denn nach?" Eule: "Ich such meinen Stundenplan." Lerche: "Was hast du denn heute?" Eule: "Ich weiß es noch nicht." Lerche: "Du weißt es noch nicht. Soso." Kurze Pause. Lerche: "Und, hast du es gefunden?" Eule: "Noch nicht." Lerche: "Vielleicht hast du zu viele Fotos. Musst du welche löschen." Eule: schweigt.

Die nächste Eule ist eine Frau mit Kind. Das Kind wird von der Lerche taxiert und wiederholt gefragt: "Ist die Breze gut? Schmeckt die Breze?" Das Kind ist eindeutig noch in keinem sprechfähigen Alter, schaut sich den komischen Vogel aber interessiert genauer an, ohne zu antworten. Die Lerche versucht, die Mutter ins Gespräch zu ziehen: "Breze ist immer gut." Die Mutter nickt, dreht sich weg, Dialog beendet.

Auch ein jüngerer Schüler scheint keine Lust auf einen Austausch zu haben. "Musst noch Englisch lernen wie dein Bruder?", fragt der nimmermüde Mittfünfziger. "Halt doch den Schnabel!", möchte man ihm endlich zurufen. "Das ist nicht mein Bruder", antwortet der gefragte Schüler stattdessen und verstummt. Nur die Bahn rattert weiter.

Irgendwann scheint auch die Lerche gemerkt zu haben, dass sie allein auf weiter Flur zwitschert. Wenigstens ein paar Bahnstationen ist es ruhig, dann steigt der Mann mit den meisten anderen Fahrgästen aus. Zurück bleibt ein leeres Abteil, angenehme Ruhe - und die Einsicht, dass Eulen, die zu früh unterwegs sind, gelegentlich eben ein paar Federn lassen müssen.

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