Roger Rekless :Dreh den Markt Swag auf

Roger Rekless, Rapper aus Markt Schwaben

Markt Schwaben ist nicht nur der Ort, an dem Roger Rekless unter seinem bürgerlichen Namen David Mayonga aufgewachsen ist. Für ihn nahm dort auch seine Karriere als Hip-Hop-Musiker seinen Lauf. Mittlerweile ist der 38-Jährige als Rapper und Freestyler, DJ und Produzent damit erfolgreich.

(Foto: oh)

Der Hip-Hop-Musiker Roger Rekless heißt eigentlich David Mayonga und ist in Markt Schwaben aufgewachsen. Mit dem Ort seiner Kindheit und Jugend verbindet der 38-Jährige viele Erinnerungen - schöne und nicht so schöne

Von Johanna Feckl

Roger Rekless sitzt in schwarzer Sporthose und schwarzer Trainingsjacke in einem Café. Er bestellt einen Caffè Americano. Das ist ein Espresso, gestreckt mit heißem Wasser. Ohne Milch. Ohne Zucker. Also im Grunde genommen bestellt der 38-jährige Künstler einfach eine Tasse starken Kaffee ohne alles. Nach einem Glas Leitungswasser ist das wohl das simpelste und unaufregendste Getränk - vom Koffeingehalt mal abgesehen. Das ist dann aber auch schon das einzige, was an Roger Rekless simpel und unaufregend ist: Sein liebstes Kaffeegetränk.

Was nun aber ist so unsimpel und aufregend an dem Künstler? Rekless tut Dinge. So beschreibt sich der 38-Jährige - aufgewachsen im beschaulichen Markt Schwaben, mittlerweile in Neuperlach zu Hause - auf seinem Instagram-Profil. Das mag auf dem ersten Blick banal und vielleicht sogar nichtssagend klingen. Denn freilich: Tut nicht jede und jeder irgendwie Dinge? Zähneputzen? Zur Arbeit gehen? Abendessen kochen? Den Schlafanzug anziehen? Nun ja, klar. Aber "Rekless tut Dinge" meint mehr als das. Es ist eine Art Abkürzung, so könnte man sagen. Denn wer erzählen möchte, was der Künstler alles tut, der braucht einen langen Atem.

Der 38-Jährige moderiert beim Bayerischen Rundfunk. Gerne tauscht er als Moderator die Radiobühne auch gegen haptische Bühnen, wie zum Beispiel, wenn er der Host ist bei einem der größten Hip-Hop-Festivals in Europa, dem splash! in Sachsen-Anhalt. Er ist Pädagoge und arbeitete beim Münchner Kreisjugendring. Im Auftrag des Goethe-Instituts reiste er durch die Welt, um die deutsche Sprache zu fördern. In der Kampfkunst Brazilian Jiu-Jitsu trägt er einen lila Gurt. Ab und an gibt er auch selbst Trainingsstunden.

Gerade hat er ein Buch geschrieben

Am bekanntesten ist aber sein Tun als Musiker: Als Rapper, vor allem im Freestyle, aber auch als Teil von Bavarian Squad, einer Art Boarisch-Rap-Allstars-Boyband. Als Frontman der Hardcore-Band GWLT. Als DJ und als Musikproduzent. Vor kurzem hat er auch ein Buch geschrieben, in dem er von seiner Kindheit und Jugend in Markt Schwaben erzählt und dem Alltagsrassismus, den er als Schwarzer und Bayer damals wie heute erlebt.

In seinem Buch "Ein Neger darf nicht neben mir sitzen" (Komplett Media) erzählt er unschöne Dinge mit dem Schauplatz Markt Schwaben: Der Bub an seinem ersten Kindergartentag, der ihn mit dem Spruch bedachte, den er zum Titel seines Buches gemacht hat. Oder der ältere Junge, der ihm den Schuh entgegenstreckte und sagte: "Neger, putz ma d'Schua!" Oder der Kommentar einer kopfschüttelnden Frau, als er mit seiner Jugendfreundin verliebt und Händchen haltend am Bahnhof saß: "Na, was da wohl für Kinder bei rauskommen." Die Liste ließe sich fortsetzen. Ist Markt Schwaben eine Metapher für all die schlechten Erinnerungen geworden?

Nein. Absolut nicht. Rekless antwortet schnell. "Wenn ich an Markt Schwaben denke, dann kommen da vor allem die vielen positiven Sachen, die dort passiert sind." In den Augen des 38-Jährigen hat der Ort viele Facetten zu bieten, oft stünden sie im Kontrast zueinander. Er nennt ein Beispiel: Die Siedlung, in der er groß geworden ist, der Dr.-Hartlaub-Ring. "Da hast du eher unschöne Hochhäuser auf der einen Seite und schicke Reihenhäuser auf der anderen - das ist super weird!" Er erzählt vom Lagerbauen im Wald und von der Zeit, in der er stolz Zeitungen austrug. Zwölf oder 13 war er damals, pro ausgetragene Zeitung winkten ein paar Pfennig. Dann gibt es da noch die Wittach, eine Anhöhe ganz im Süden, von der aus man den Ort überblicken kann. Für Rekless und seine Kumpels war das damals eine Art Hotspot. Genauso wie die Bank vor dem alten Krone-Supermarkt. "Daran erinnere ich mich gerne, weil es eben Dinge einer normalen Landjugend sind", erklärt er.

"Für die waren wir die Dorfdeppen"

Und dann gibt es dieses große Trum im Leben von Rekless, bei dem man so gar nicht an eine klassische bayerische Jugend auf dem Land denkt, und das trotzdem in Markt Schwaben seinen Ursprung nahm: Hip-Hop. Im alten Schulhaus haben sich ein paar Jungs regelmäßig getroffen um zu breakdancen, ein typischer Hip-Hop-Tanzstil. Bestimmt zehn Jahre älter seien sie gewesen, "aber über die haben wir Anschluss an die Szene gefunden", erzählt Rekless. Zwangsläufig.

Denn im großen München wollte man von den kleinen Markt Schwabenern nichts wissen. "Für die waren wir die Dorfdeppen, die hatten keinen Bock auf uns", sagt der Rapper. "Also haben wir die Hip-Hop-Sachen eben bei uns gemacht." Breakdance. Graffities malen. Vinylplatten auflegen und scratchen. Beatboxen. Rap-Musik hören. Die Genialität von Lyrics feiern. All das eben. Gut 20 Jugendliche seien es damals gewesen, die sich in Markt Schwaben ihre eigene Hip-Hop-Metropole aufgebaut haben, erinnert sich der 38-Jährige.

Irgendwie kam es dann, dass zwei Typen aus einer Münchner Graffitiecrew auf Rekless als DJ aufmerksam wurden - und ihn fragten, ob er nicht bei ihrer Ausstellung auflegen wolle. "Das war der absolute Wendepunkt, durch den wir aus Markt Schwaben in die Stadt hineingekommen sind", sagt der Musiker. Damals war er 16.

Schlag für Schlag ging es dann weiter. Mit 18, kurz vor dem Abi, war er das erste Mal mit auf einer großen Tour. Zusammen mit den Rap-Gruppen Main Concept und Teilen von Blumentopf und dem Rapper Raptile, allesamt aus München oder Umgebung. Rekless handelte einen Deal mit dem Direktor seines Gymnasiums aus: Er durfte mit, sofern er zu allen Prüfungen in der Schule anwesend war. Während die Jungs also nach den Shows "Halligalli-Machen" waren, erinnert sich der 38-Jährige, saß er im Bus und fragte sich: "Ja, aber wenn Kraft mal Weg ..." - er lernte Physik.

Die Schule zu schmeißen kam für ihn nicht in Frage. In der Oberstufe "schnackelte" es bei ihm, sagt er. Seine stolzesten Null Punkte in einem Test habe er sich in Ethik eingehandelt. Thema waren die altgriechischen Philosophen. Rekless hatte einen solchen Narren an Epikur gefressen, dass er Platon und Co. relativ schnell links liegen ließ. "Ich habe jede einzelne Frage mit Epikur beantwortet, völlig egal, was gefragt wurde - der Dude hat mich einfach fasziniert!" Das war die Zeit, in der er begriff, dass er für sich lernen wollte und zwar das, was ihn interessierte. Nicht, weil es jemand von ihm verlangte.

Noch vor dem Abitur unterschrieb Rekless seinen ersten Vertrag mit einer großen Plattenfirma. "Und das ist alles nur passiert, weil wir dieses Hip-Hop-Ding in Markt Schwaben hatten!" Das verbinde er mit dem Ort, sagt er: Anfänge. Etwas, das ihn seitdem nicht mehr losgelassen hat. "Sachen anzufangen macht mir einfach sauviel Spaß, ohne Schmarrn!" Dinge, die er zu gut kennt und beherrscht, langweilen ihn schnell. Lieber also etwas Neues ausprobieren, es mit dem Alten mischen und sich selbst herausfordern.

So will er es auch bei seinem Konzert am 3. Mai in Glonn machen. Er wird Songs von seinem neuen Rap-Album "Über die Natur der Dinge" spielen, mit Gitarre, vielleicht auch mit Keyboard. Der Schlagzeuger seiner Hardcore-Band GWLT wird dabei sein. Ein bisschen wird er über sein Buch quatschen. "Und dann werden sich da Dinge entspinnen, von denen wir selber noch gar nichts wissen", verspricht er.

Roger Rekless am 3. Mai in Steinbergers Marktblick in Glonn. Einlass ab 19 Uhr, Beginn um 20 Uhr, Karten gibt es für 20 Euro im Marktblick.

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