Robert Jung:"Ich bin Schlagerfuzzi und steh' dazu"

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Er hat für Mireille Matthieu geschrieben, die Kastelruther Spatzen und nebenbei hat er auch Nicole entdeckt. Am Wochenende tritt Robert Jung beim Grand Prix der Volksmusik an - mit Ralph Siegel.

Lena Grundhuber

Das meiste Glück habe er mit Rosen gehabt, sagt Robert Jung. Nicht bei den Frauen, das braucht es nicht, denn Jung ist seit bald 50 Jahren mit seiner Rosie verheiratet. Nein, in der Musik, da hat er es oft mit Rosen zu tun. Sie sind weiß oder rot, sie verstecken sich in den Rosmarys und Rosalies der Lieder. Und so flüchtig ihre Schönheit in der rauen Wirklichkeit sein mag - in der Welt des Schlagers sind sie ebenso wenig totzukriegen wie der Kunstblumenstrauß neben Jungs Sofa. Sie verkaufen sich einfach zu gut.

Die Stars und ihr Texter: Um die 3000 Schlager hat Robert Jung, 74, geschaffen. Vor 30 Jahren hat Mister Evergreen Nicole entdeckt, am Wochenende versucht er sich wieder bei einem Grand Prix. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Es gibt keine neuen Themen", sagt der Textdichter, Komponist, Musikproduzent und Sänger aus Baldham. Rosen, Walzer, Liebe, Frauen, Heimat, "alles ein Pott" - ein Pott, der für ihn zum Füllhorn geworden ist: Um die 3000 Lieder hat Robert Jung daraus geschöpft, wie er sagt. Ein Arbeitszimmer voller Gold- und Platinplatten hat es ihm beschert, ein Haus am Gardasee sowie Fans, die sich seine Lieder noch zu ihrer Beerdigung wünschen.

Trotz aller Erfolge - wer in der duftigen Welt des Schlagers nicht zu Hause ist, dem wird der Mann, der am 11. September seinen 75. Geburtstag feiert, nicht unbedingt ein Begriff sein. Robert Jung ist in diesem Genre fast so bekannt wie Ralph Siegel. Zudem ist er dessen Freund, oft sein musikalischer Mitstreiter, in erster Linie aber ist er Texter. Derjenige, der dafür sorgt, dass die Herzen zueinanderfinden, dass es Glück regnet und die Liebe alle Tränen fortküsst, ein Lied lang zumindest.

Für Mireille Mathieu hat Jung geschrieben, für Peter Alexander, die Kastelruther Spatzen und Nana Mouskouri. Nebenher hat er Nicole entdeckt, aber dazu später. Texte schreiben, das ist ein undankbarer, weil stiller Part in diesem bei aller Heimeligkeit lauten Geschäft. Manchmal werde man nicht einmal erwähnt, meint Jung ärgerlich, obwohl die Worte so wichtig seien für das, was einen Schlager zum Schlager mache; er nennt es das "Ah-Gefühl".

"Der liebe Gott macht das schon"

Mit Freund Siegel feierte der gelernte Großhandelskaufmann, der zunächst als Vertreter für Molkereiprodukte, später als Journalist sein Geld verdiente, 1970 seinen ersten Erfolg mit Peggy March und "Einmal verliebt, immer verliebt". Am Samstag packen es die beiden alten Herren des Schlagers noch einmal, beim Grand Prix der Volksmusik in Österreich. Musik: Ralph Siegel, Text: Robert Jung, Interpretin: Angela Wiedl, Titel: "Der liebe Gott macht das schon" - business as usual, aber die Unsicherheit bleibt, sagt der Mann mit den markanten Augenbrauen.

Zum Beleg holt er seine vier "Hit-Bücher" hervor, in die er über die Jahre getreulich die seiner Meinung nach "hitverdächtigen" Lieder eingetragen hatte. Manchmal hat er recht behalten - bei "La Pastorella" oder "Rot sind die Rosen". Manchmal lag er so daneben, dass nicht einmal ein Zugpferd wie Hansi Hinterseer als Interpret geholfen hat.

Robert Jung kennt die Vorbehalte gegen volkstümliche Musik. Kitsch? Davon könne er gar nicht genug kriegen, sagt er: "Ich bin ein Schlagerfuzzi, und ich steh' dazu." Schon mit seiner ersten Band, den Nachtfaltern, hat er in den fünfziger und sechziger Jahren Schlager und Tanzmusik gespielt.

Immer wieder schreibt Jung Lieder über die "Heimat", und auch das ist mehr als ein Verkaufsargument - es hat mit der Geschichte des dreifachen Vaters zu tun. Robert Jung war elf Jahre alt, als er mit seiner Familie aus dem Sudetenland floh; er zeigt gern das Foto mit dem Schild, das die Gemeinde an seinem Geburtshaus angebracht hat. Wohl nicht zuletzt deswegen sind seine eigentliche Passion die Heimatlieder, Blasmusik-Kracher wie "Aus Böhmen kommt die Musik" oder Schnulzen wie "Sudetenland, mein Heimatland", das er selbst gesungen hat.

Und wer Robert Jung auf seinem cremefarbenen Sofa zwischen den goldenen Schallplatten, den Autogrammfotos, den Schlager-Alben, Porzellanenten und Teddybären sitzen sieht, der kann nicht anders als zu glauben, dass ihm bei dieser Musik "das Herz aufgeht" - kein Schlagertitel, das sagt er so.

Die letzte Seite im ersten Hit-Buch ist Robert Jungs größter Entdeckung vorbehalten. 1980 hatte man ihn eingeladen zu einem Festival in Schwäbisch Hall. Die Show war vorbei, da hörte er draußen ein Mädchen singen. Zum Wettbewerb war sie nicht zugelassen, also hatte sie sich mit ihrer Gitarre abseits gesetzt und gab ihr eigenes kleines Konzert.

Ralph Siegel - geweint vor Glück

Ein paar Monate später hatte das Mädchen einen Plattenvertrag, noch ein paar Monate später den ersten Hit, 1982 dann saß die 17-Jährige mit weißem Kragen und Gitarre auf einer Bühne in Harrogate, wünschte sich - mitten im Wettrüsten des Kalten Krieges, kurz nach Ausbruch des Falklandkriegs - "ein bisschen Frieden" und gewann damit als erste deutsche Interpretin den Grand Prix d'Eurovision. Der Text, das fuchst Robert Jung noch immer, stammte nicht von ihm. Aber Produzent war er, immerhin.

Sie wisse ja selbst, dass es "ein bisschen" Frieden streng genommen gar nicht geben könne, sagt Nicole heute. Aber die Leute hätten die Botschaft verstanden, und so klingt Nicole ein bisschen stolz, wenn sie erzählt, wie ihr Entdecker sie zu Ralph Siegel schleppte, wie die Putzfrauen bei der Probe zum Grand Prix ihre Besen abstellten, um ihr zuzuhören, wie Komponist Siegel, dem dieser Wettbewerb später so viel Kummer bereiten sollte, weinte vor Glück.

16 Jahre lang war Robert Jung ihr Produzent, bevor Nicole ihrer Wege ging. Böses Blut habe es nicht gegeben, nur seien seine Worte irgendwann nicht mehr die ihren gewesen. Sie habe ihn getriezt, wenn ihr ein Text zu wenig Tiefgang hatte, wenn es ihr zu viel wurde mit Rosen, Walzer, Liebe und Heimat. Den Jung-Titel "So viele Lieder sind in mir" habe sie aber immer noch im Repertoire - "einer seiner besten Texte". Nicole sagt die Strophen auswendig auf. Dann lacht sie vergnügt wie ein Schulmädchen: "Hört sich doch gut an, oder?"

© SZ vom 27.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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