Ebersberger Forst:Deutschlands erster Harvester, der mit Salatöl fährt

Lesezeit: 3 min

In einer halben Minute entastet die Harvester-Kralle eine Fichte und sägt sie in drei Teile, fünf Meter Bauholz, drei Meter Brennholz - zwei Meter Rohstoff für Papier. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Im Ebersberger Forst ist eine Maschine im Einsatz, die mit Raps betankt wird. Nun endet die zweijährige Testphase. Unterwegs mit einem Probefahrer.

Reportage von Korbinian Eisenberger

Wenn sie ihr Opfer gefasst hat, gibt es kein Entrinnen mehr. Dann geht es ganz schnell: Der Greifarm des Harvesters führt die Kralle an den Stamm, dort öffnet sie sich wie der Unterleib einer Riesenspinne. Sie fährt für drei Sekunden eine Säge aus und schneidet den Stamm Zentimeter über dem Boden ab. Ein kurzer Schnitt, sauber und kompromisslos. Der Baum fällt zwischen seinen Artgenossen auf den Waldboden. Eine halbe Minute später ist er entastet und in drei Teile zerschnitten, fünf Meter Bauholz, drei Meter Brennholz - zwei Meter Rohstoff für Papier.

Gerhard Redenböck aus Hohenlinden hat eine dreijährige Ausbildung hinter sich, nun steuert er den einzigen Harvester Deutschlands, der mit Rapsöl läuft. (Foto: Christian Endt)

Ein ganz normaler Arbeitstag im Leben des Forstwirts Gerhard Redenböck, der mit Käppi im Führerhäusl der Arbeitsmaschine sitzt und zwei Joysticks, einen Bildschirm und gefühlt 300 Knöpfe bedient. 49 Jahre ist er alt, die letzten neun Jahre davon Harvesterfahrer. "Manchmal wird's hier ein bisserl warm, weil unterm Sitz die Hydraulikschläuche laufen", sagt er. Ansonsten ist es vom Fahrgefühl her "ein ganz normaler Harvester".

Und doch handelt es sich hier um ein Exemplar, dem die Menschen besondere Beachtung schenken. Diese vier Meter hohe Höllenmaschine, die gerade in einem Waldstück bei Hohenlinden eine Fichte nach der anderen umlegt. Sie ist etwas Einzigartiges unter den Waldmaschinen, die bundesweit im Einsatz sind. Weil sonst noch nirgendwo in Deutschland ein Harvester genutzt wird, der mit Rapsöl betrieben wird - also mit einem Lebensmittel, das den Menschen sonst eher im Supermarkt begegnet. Das aber, so heißt es, soll sich nun ändern.

Bayerns Wirtschaftsminister Josef Pschierer (von links) ist am Donnerstag im Ebersberger Forst. Mit dem Chef der Bayerischen Staatsforsten Martin Neumeyer, Wissenschaftler Edgar Remmele vom Technologie- und Förderzentrum Straubing und einem Vertreter des Maschinenherstellers John Deere präsentiert er die Ergebnisse der Testphase. (Foto: Christian Endt)

Der umgerüstete Harvester der Staatsforsten ist das Ergebnis eines Forschungsprojekts vom Technologie- und Förderzentrum Straubing, das vom bayerischen Wirtschaftsministerium gefördert wird. Deswegen steht der Wirtschaftsminister höchstpersönlich mit im Wald. Josef Pschierer (CSU) präsentiert 0 Gästen aus der Szene Erkenntnisse aus zweieinhalb Jahren, in denen die Maschine und ihr neuer Biokraftstoff getestet wurden.

Im Führerhaus des Harvester. (Foto: Christian Endt)

Die Ausbildung zum Harvester-Fahrer dauert drei Jahre

"Der Harvester weist die gleiche Produktivität wie mit Diesel auf", sagt er. Innerhalb von zwölf Monaten seien so Treibhausgasemissionen von 100 Tonnen vermieden worden, heißt es. Dies solle nun als gutes Beispiel für die ganze Branche dienen. Salatöl als Dieselersatz in der Waldarbeit, so Pschierer, habe "das Potenzial, die Emissionen um bis zu 80 Prozent zu senken".

Im Forst sinkt die nächste Fichte zu Boden. Der Harvester ermöglicht es Waldarbeitern, deutlich schneller und effektiver zu arbeiten, als mit der Motorsäge. Wer die Maschine beherrscht, ist sicherer unterwegs. Allerdings dauert es, ehe ein Forstwirt sich Harvesterfahrer nennen darf - und es besteht immer ein Restrisiko.

Neue Waffe im Wald
:Jetzt bekämpfen die Förster den Borkenkäfer per Handy-App

Befallene Bäume müssen so schnell wie möglich gefunden und gefällt werden. Dafür gibt es nun eine neue Strategie: Die Borkenkäfer-App.

Reportage von Korbinian Eisenberger

Das Reich des Hohenlindeners Gerhard Redenböck beginnt hinter einer ausklappbaren Metallleiter. Es erinnert weniger an ein Führerhäusl, eher an ein Hubschrauber-Cockpit. Links und rechts vom Fahrersitz ist eine Armatur mit Joystick und Dutzenden Knöpfen angebracht. Mit den Joysticks steuert er den Motor, den zweigliedrigen Greifarm und die Kralle. "Die Harvester-Ausbildung dauert drei Jahre", sagt er.

Im Führerhaus fühlt es sich an wie in einem Fiat Panda auf Kopfsteinpflaster

Kein Wunder bei all dem Multitasking. Die Knöpfe etwa stehen für die verschiedenen Baumarten, der Fahrer muss sie selbst bestimmen - Buche, Ahorn oder eben die Fichte - auf die hat Redenböck es heute abgesehen. Weil dieser Waldteil zu viele Nadelbäume enthält. Es sollen mehr Buchen her, damit der Ebersberger Forst hier wieder zum Mischwald wird.

Es geht bei all dem um den Schutz und Erhalt der Natur, was kaum glauben mag, wer Redenböck bei der Arbeit zuschaut. Einen Baum nach dem anderen reißt der Harvester in die Tiefe, die Säge gleitet durch Holz wie ein Schwert durch Butter. Noch im Fallen beginnt im Cockpit der nächste Schritt. Der Computerbildschirm hinter der Frontscheibe ist direkt mit den Zahnräder am Bauch der Kralle verbunden, sie messen Länge und Stammumfang. Je dicker und länger ein Baum, desto wertvoller ist sein Holz im Verkauf. Der untere, dicke Teil des Stammes wird auf fünf Meter zugeschnitten und später zu Bauholz verarbeitet, aus den dünneren Stammteilen wird Brennholz, dürres Holz wird zu Papier.

Der Harvester rumpelt über den Waldboden, im Führerhaus fühlt es sich jetzt an wie in einem Fiat Panda auf Kopfsteinpflaster, nur dreimal so heftig und hitzig - deswegen haben Gerhard Redenböck und sein Kollege Gregor Friedl zur Abkühlung eine Kältebox dabei, mit Brotzeit und Getränken. Ein Schluck Wasser, schon kracht der nächste Baum ins Laub. "Ein paarmal war es knapp", sagt Redenböck. Letztlich war auf die Riesenspinne aber immer Verlass. Gerhard Redenböck zeigt zur Decke des Führerhäusls und klopft sich aufs Käppi. Der Harvester und er, sie haben noch keinen Dachschaden erlitten.

© SZ vom 26.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Ebersberger Forst
:Wie aus einem Mischwald eine Monokultur wurde

Kein Wald in Bayern wurde so früh kartiert wie der Ebersberger Forst. Daten aus 300 Jahren zeigen, wie aus einem einst gesunden Mischwald ein Nadelwald wurde - und was nun dagegen getan wird.

Von Korbinian Eisenberger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: