Ebersberg:Rentner hortet Artillerie-Munition, Maschinenpistolen und Sprengstoff

Prozess gegen Waffenschmuggler

Symbolfoto.

(Foto: Polizeipräsidium Oberbayern Süd/dpa)

Die Polizei braucht zwei VW-Busse, um das Waffenlager in Vaterstetten auszuheben. Die Anklageschrift vor dem Amtsgericht liest sich wie die Inventarliste eines Munitionsdepots.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Familienstreitigkeiten können sehr lästig sein - einen 64-Jährigen brachte eine solche nun als Angeklagten vors Ebersberger Amtsgericht. Denn nachdem seine Tochter mit ihrem langjährigen Freund Schluss gemacht hatte, erstattete dieser bei der Polizei in Poing Anzeige gegen den Ex-Schwiegervater. Denn der hortete illegalerweise ein beachtliches Arsenal in seinem Haus in Vaterstetten. Die Polizei brauchte zwei VW-Busse und mehrere Stunden, um alles sicherzustellen.

Nicht ganz so lang aber immerhin eine gute Viertelstunde dauerte nun vor dem Amtsgericht die Verlesung der Anklageschrift am Mittwoch. Die liest sich größtenteils wie die Inventarliste eines Munitionsdepots. Zehntausende Patronen, Schrot- und Jagdmunition, Klein- und Großkaliber, bis zu Bundeswehr-Übungsmunition für Artillerie fanden die Ermittler in der Wohnung und im Keller des Hauses. Darunter war auch Leuchtspur-Munition für Maschinenpistolen, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen. Allerdings war nur noch eine der mehr als 50 Jahre alten Patronen tatsächlich voll funktionsfähig.

Ebenfalls funktionsunfähig waren zwei tschechische Maschinenpistolen, welche die Polizei fand, zusammen mit diversen Waffenteilen. Die aber laut eines Sachverständigen zumindest in ihrem Zustand beim Auffinden nicht benutzbar und auch nicht zu einer funktionierenden Waffe zusammenbaubar waren. Darüber hinaus lagerte in dem Haus auch Schwarzpulver, insgesamt etwas unter einem halben Kilo fanden die Beamten in verschiedenen Tüten oder Schachteln.

Wegen einer Trunkenheitsfahrt musste er seinen Waffenschein abgeben

Eine Erlaubnis für den Besitz der Munition oder des Sprengstoffs hatte der Rentner nicht - allerdings war er bis 1998 im Besitz eines Waffenscheins gewesen. Den hatte er aber in Folge einer Trunkenheitsfahrt verloren, damals war ihm vom Landratsamt die für den Waffenbesitz notwendige Zuverlässigkeit aberkannt worden.

Vor Gericht ließ der Angeklagte zunächst seinen Verteidiger Florian Alte aus Anzing eine Erklärung abgeben. Dass er der Besitzer der gefundenen Gegenstände sei, ließ sich angesichts der Beweislast unschwer leugnen - allerdings "hat das eine Vorgeschichte", so Alte. Nämlich die vor 21 Jahren entzogene Waffenerlaubnis. Sämtliche Munition habe der Angeklagte vor 1998 erworben, als er dies noch legal durfte.

Nach Verlust des Scheins habe er seine Waffen auch alle wie vorgeschrieben abgegeben. Dass er die Munition behielt, liege daran, dass man ihm damals im Landratsamt gesagt habe, dies sei in Ordnung. Wer der damalige Ansprechpartner gewesen war, wusste der Angeklagte aber nicht mehr. Allerdings stützte einer der als Zeugen gehörten LKA-Sachverständigen diese Geschichte: Bis 2002 sei es tatsächlich rechtens gewesen, die legal erworbene Munition zu behalten - danach hätte er sie indes beim Landratsamt abgeben müssen.

Ohnehin scheint der Angeklagte ein sehr inniges Verhältnis zu seinen explosiven Mitbewohnern gehabt zu haben. Denn auch in seiner neuen Wohnung, er lebt mittlerweile in Niederbayern, fand die Polizei ein umfangreiches Arsenal, im Bericht ist die Rede von "kiloweise Munition". Auch dazu wusste der Angeklagte eine Erklärung abzugeben: Die Sachen, darunter auch Kleinkalibergewehre, hätten sich nach der ersten Durchsuchung noch in seiner Wohnung befunden. Da habe er eben gedacht, dass das für die Polizei in Ordnung sei, wenn er es behalte.

Wie kamen die Waffen in die Wohnung?

Ob er daran gar keine Zweifel gehabt hätte, wollte Richter Markus Nikol wissen. Das verneinte der Angeklagte, ohnehin habe er keine Ahnung gehabt, was er alles in die neue Wohnung umgezogen habe, die Kisten hätten die Umzugsleute gepackt. Zum Auspacken sei er wegen mehrerer Krankenhausaufenthalte nicht gekommen. Zumindest der letzte Teil dieser Aussage scheint zu stimmen, gefunden hat die Munition nämlich eine Nachbarin am neuen Wohnort des Angeklagten, als sie bei ihm aufräumen wollte, während er im Krankenhaus war. Dass aber wirklich die Möbelpacker kistenweise Patronen eingepackt hätten, war für den Richter schwer zu glauben: "meinen Sie nicht, dass dann die Polizei schon viel früher bei Ihnen vor der Tür gestanden hätte?"

Darauf hatte der Angeklagte allerdings ebensowenig eine Antwort, wie auf die Frage, wie er denn an die Kriegsmunition gekommen sei. Nachdem er sich in einer Sitzungspause mit seinem Anwalt beraten hatte, konnte dieser immerhin eine Theorie anbieten. Der Angeklagte habe irgendwann Anfang der 1980er Jahre "magazinweise" Munition von einer Privatperson gekauft. Möglicherweise waren da auch die Leuchtspur-Patronen darunter.

In einem Rechtsgespräch versuchten Richter, Verteidiger und Staatsanwaltschaft eine Einigung zu finden - was indes nicht gelang. Aus Rücksicht auf den Gesundheitszustand des Angeklagten wurde der Prozess daher unterbrochen, am kommenden Mittwoch soll es eine Fortsetzung geben.

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