Reisebüros im Landkreis Ebersberg:"Es ist eine Vollkatastrophe"

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Die Buchungen in den Reisebüros sind stark zurückgegangen. Beliebter werden dagegen Spontanreisen innerhalb Europas. (Foto: Christian Endt)

Das Tourismusgewerbe im Landkreis ist massiv von der Corona-Krise betroffen. Zwar motiviert das Fernweh die Ebersberger inzwischen wieder zu Buchungen, doch die Unsicherheit bleibt

Von Antonia Voelzke, Ebersberg

Mitte März hagelte es nicht nur Stornierungen, sondern auch Neubuchungen für den kommenden Sommer fehlten: Die Ebersberger Reisebüros sehen sich angesichts der Corona-Krise einer existenziellen Herausforderung gegenüber.

"Es ist eine Vollkatastrophe", sagt etwa Veronika Weinhart vom "Mein Reisebüro" in Glonn. Ihr Unternehmen leide an einem regelrechten "Doppelschaden", denn nahezu die Arbeit eines ganzen Jahres war umsonst, während parallel keine neuen Buchungen getätigt wurden. Hinzu komme, dass der Aufwand der vergangenen drei Monate durch die vielen Stornierungen, dem Arrangieren mit den Reiseveranstaltern sowie der Kommunikation mit Kunden außergewöhnlich hoch war, sagt Weinhart - und das alles, ohne auch nur einen Cent in die eigene Kasse zu bekommen.

Gutscheine werden nur von wenigen Kunden akzeptiert

In den vergangenen drei Monaten waren zudem Oster- und Pfingstferien, eigentlich Hochsaison der Reisebüros. Bereits jetzt würden viele von ihnen durch die Corona-Krise in den Ruin getrieben, so Weinhart. Als im März die Reisewarnung von Bundesaußenminister Heiko Maas ausgesprochen wurde, hätten die meisten Kunden des Reisebüros in Glonn zunächst sehr verhalten reagiert.

Der Vorschlag der Gutscheinregelung werde bisher nur von etwa einem Viertel der Kunden angenommen, denn derzeit sei dieses System noch nicht rechtlich abgesichert. Veronika Weinhart berichtet, dass momentan viele Reiseveranstalter ihren Kunden mit der Zusicherung entgegen kommen, alle jetzt gebuchten Reisen bis 14 Tage vor Antritt kostenlos stornieren zu können. Damit sei das Risiko für den Kunden relativ gering, man könne als Urlauber bei Buchungen nun also etwas gelassener sein.

"Wir brauchen dringend Unterstützung"

Während Ebersberger Reiselustige nun also ein Stückchen Sicherheit bekommen, verbleiben die Reisebüros jedoch weiter in der Ungewissheit. Veronika Weinhart sagt, die meisten dieser Unternehmen hätten in den vergangenen Monaten von ihrem Ersparten gelebt, während andere entweder bereits insolvent sind oder es in den nächsten Wochen oder Monaten noch werden könnten. "Wir brauchen dringend Unterstützung. Wir sind die einzige Branche, deren Gewinne rückwirkend vernichtet worden sind."

Auch Daniela Aschenbrenner von der Reiselounge in Anzing wünscht sich mehr Hilfen von der Regierung: "Große Konzerne in der Automobilbranche oder dem Luftverkehr bekommen entsprechende Beihilfen, während die kleinen Reisebü- ros gewissermaßen unten durch laufen."

Dass das mit Abstand größte Problem die Unsicherheit ist, sagt auch Claus-Dieter Binder, Inhaber des Reisebüros Binder in Grafing. Vor allem in der Reisebranche handele es sich um eine Unberechenbarkeit in vielerlei Hinsicht: Ob Reisen in Zukunft angetreten werden können, hänge nicht nur von den Entscheidungen des Außenministeriums ab, sondern auch von den Entscheidungen der anderen EU-Länder, von Quarantäneregelungen sowie der Wiederherstellung der Infrastruktur im In- und Ausland. Damit sind auch Neubuchungen kein sicheres Einkommen für die Reisebüros, so Binder. Zudem könne er sich nicht sicher sein, welche Reiseveranstalter die Corona-Krise überstehen werden.

Die meisten Kunden des Reisebüros Binder reagierten im März gefasst und vernünftig, sagt der Geschäftsführer. Was viele bisher seitdem vom Buchen einer Reise abgehalten habe, sei die Angst vor der Quarantäne gewesen: Wenn es für einen Reisenden dumm laufe, müsse er zwei Wochen Quarantäne im Urlaubsort sowie weitere zwei Wochen Quarantäne in Deutschland verbringen. Das schrecke viele ab, sagt Binder. Auch die aktuelle Lage in so manchem Reiseland verunsichere viele Kunden. "Es ist da immer etwas zwischen Angst und Respekt bei den Kunden", so Binder.

In die Ferne wollen die meisten Kunden eher nicht

Trotz der momentan kritischen Lage zeigt das Reisebüro Dr. Krugmann in Baldham Zuversicht. "Die Leute wollen wegfahren", sagt Corinna Reiser. Am 16. Juni soll die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes aufgehoben werden. Das Reisezentrum Dr. Krugmann verzeichnet daher nun wieder mehr Buchungen, denn die meisten Kunden wollen sobald als möglich wieder eine Reise buchen. Die Reiseziele seien dabei dieses Jahr etwas weniger in die Ferne gerichtet, berichtet Reiser. Beliebte deutsche Urlaubsziele wie Mallorca und Griechenland seien zwar auch dieses Jahr wieder sehr gefragt, viele ziehe es allerdings mehr in die nähere Umgebung, etwa Österreich oder Südtirol, am liebsten mit dem Auto.

Ein Stückchen Sicherheit in Zeiten der Ungewissheit könnten die Landkreisbürger in den Services und Angeboten der Reisebüros finden, wirbt Corinna Reiser: Durch persönliche Beratung und Gespräche könnten die Mitarbeiter eben diese vermitteln. Die Kunden seien froh, einen Ansprechpartner zu haben; jemanden, der sich kümmert, sagt Reiser. Für viele sei dies auch das ausschlaggebende Argument, nach wie vor in ein Reisebüro zu gehen, statt den Urlaub über ein Onlineportal zu buchen.

Allgemein ist die aktuelle Lage der Branche natürlich sehr dramatisch, sagt Veronika Weinhart vom Glonner Reisebüro. Trotzdem sei sie weiterhin zuversichtlich, denn man spüre: Die Ebersberger wollen - sobald es möglich ist - wieder verreisen.

© SZ vom 06.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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