Reden wir über:Religiöse Darstellungen

andreas hildmann, Kirchenrat der ev. Kirche

Andreas Hildmann war als Kirchenrat Beauftragter der evangelischen Landeskirche für Kunst und Künstlerseelsorge.

(Foto: privat)

Andreas Hildmann über Geschichte und Funktion der Gottesbilder

Interview von Thorsten Rienth

Als Kirchenrat war der Tutzinger Andreas Hildmann Beauftragter der evangelischen Landeskirche für Kunst und Künstlerseelsorge. Am Mittwoch, 17. Juni, ist er Referent beim Grafinger Ökumene-Abend, der um 20 Uhr in der Stadtbücherei beginnt. Sein Thema: "Die Macht der Bilder. Wie Kunst den Glauben prägt."

SZ: "Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen." Warum gibt es trotzdem bildliche Gottesdarstellungen?

Andreas Hildmann: Zunächst gab es genau deshalb keine frommen Bilder in der christlichen Gemeinde. Erst im 3. Jahrhundert kam es in Rom zu Christus-Darstellungen. Sie waren aber keine Kult-, sondern Sinnbilder. Die Christen wollten schlicht sehen, was sie glaubten. Gottvater wurde frühestens im 12. oder 13. Jahrhundert bildlich dargestellt.

Wie stellte man sich Gottvater denn vor?

Als die berühmte Hand, die vom Himmel fährt. Der alte Herr mit Bart ist ein spätes Motiv. Lange Zeit, und auch heute noch, bediente man sich in diesem Fall lieber einer christlichen Symbolsprache. Allerdings gab es die Vorstellung, ein Christus-Bild sei auch ein Gottes-Bild. Jesus hatte wohl einmal gesagt: "Wer mich sieht, sieht den Vater." Christus-Darstellungen waren weniger umstritten. Es ist interessant, wie sie - und damit auch die Gottesvorstellungen - sich im Lauf der Zeit änderten.

Wie sieht dieser Wandel aus?

Zunächst stellten Künstler Jesus als guten Hirten dar. Später regelrecht heroisch, vergleichbar mit Gestalten aus der griechischen Sagenwelt. Schließlich zeigte man ihn als göttlichen Kaiser: thronend, von Wächter-Engeln flankiert. In romanischer Zeit ging es bescheidener zu. Man gestaltete Jesus noch immer als König. Aber als einen König, der still, souverän als Friedensbringer am Kreuz steht. In gotischer Zeit trat die Passion in den Vordergrund: Kranke, Leidende sollten dem elend am Kreuz hängenden Christus begegnen und aus seiner Not Kraft für die eigene Not schöpfen.

Warum diese wechselnden Darstellungen? Was lässt sich aus ihnen ableiten?

Die Darstellungen sind immer ein Spiegel ihrer Zeit. Sie sind oft auch eine Art Propaganda und reflektieren eine bestimmte Kirchenpolitik. Die Zeit, in der Christus wie ein Kaiser gezeigt wurde, war eine Schwellen-Zeit: Aus der christlichen Gemeinde wurde unter Konstantin dem Großen eine Staatskirche. Schnell mussten Hunderttausende sogenannter Heiden in die Kirche integriert werden. Es war hilfreich, wenn man das im Namen einer allerhöchsten Autorität tun konnte. Die Reformationszeit war wieder eine schwierige Epoche. Auch hier wurde die Kunst eingesetzt - zur Verbreitung der neuen Lehre, leider aber auch zur Schmähung des jeweiligen Gegners.

Wie steht es heute um die Kirchenkunst?

Die katholische Kirche hat nach wie vor Zugang zur metaphysischen Kraft der Bilder. Sie setzte der Reformation und Aufklärung überzeugende Macht- und Pracht-Bauten gegenüber: Steht man zum Beispiel im Eingang der Münchner Michaelskirche - eine Wucht, da bekommt die Seele Flügel! Auf der evangelischen Seite geriet die Potenz des Bildes mehr und mehr in Vergessenheit. Nur als didaktische Mittel hatte Luther sie beibehalten. Das hatte Folgen. Manche Kirchenräume - und manche Herzen verödeten. Dennoch, auch die evangelische Kirche beauftragte weiterhin Kunstschaffende. Nur nicht immer die herausfordernden, prophetischen, die für das Glaubensleben wichtig wären.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: