Ihren früheren Job als Pressereferentin und Redakteurin hat Veronika Schantz vor etlichen Jahren an den Nagel gehängt. Stattdessen hat die Politikwissenschaftlerin aus Kirchseeon eine Ausbildung gemacht in MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction/Stressbewältigung durch Achtsamkeit) und hilft nun gestressten Menschen auf den Weg zu größerer Achtsamkeit. Darüber hat sie jetzt ein Buch geschrieben. Am Mittwoch, 14. November, um 20 Uhr stellt sie es in der Kirchseeoner Bücherei vor.
SZ: Frau Schantz, Sie essen gerne Schokolade, oder?
Veronika Schantz: (lacht) Lieber als Kakerlaken jedenfalls.
Deshalb nennen Sie jene Fragen, die man sich stellen sollte auf dem Weg zu sich selbst, auch Schokoladenfragen. Kakerlakenfragen sind die anderen.
Ja, das sind die Warum-Fragen. "Warum ich? Warum jetzt?" Das ist nicht besonders hilfreich, das bringt uns nicht weiter. Diese Fragen sind wie das Ungeziefer, das immer übrig bleibt, selbst noch nach einem Atomschlag.
Und die Schokoladenfragen lauten wie?
"Wie geht es mir? Wie komme ich zu Sinnen? Was sind eigentlich Gedanken?" Diese Fragen sinken tiefer, eröffnen ungeahnte Blickwinkel. Sie führen uns näher zu uns selbst.
Und das tut uns gut?
Es tut uns gut, mit Aufmerksamkeit bei den Dingen zu sein, die wir gerade tun. Tatsächlich sind wir rund die Hälfte des Tages mit den Gedanken woanders, immer schon einen Schritt voraus, oder wir hadern noch mit Dingen, die passiert sind. Die Idee ist es aber, präsent zu bleiben, mit allen Sinnen dabei zu sein, zu erspüren, wie das Wasser beim Duschen über die Haut fließt, wie die Kartoffeln riechen, wenn ich sie schäle, wie sich mein Körper fühlt, wenn ich zwei Stunden am Schreibtisch gesessen habe.
Also ist Spüren wichtiger als Denken?
So würde ich das nicht sagen. Stellen Sie sich Ihr Denken als eine Art sechsten Sinn vor und verzichten einfach auf den hierarchischen Unterschied zwischen Fühlen und Denken. Man sollte auftauchen lassen, was auftaucht, und dem dann den nötigen Raum geben.
Dann wird aber die Zeit ganz schön knapp, jeder von uns ja auch noch ein paar andere Dinge zu tun. . .
Ja, die Zeit . . . Der einzige Rohstoff, der nicht ersetzbar ist. Denken Sie an "Momo", die grauen Herren, die uns die Zeit stehlen. Die Frage muss sein: Wer sind unsere grauen Herren? Wenn ich ständig denke, ich habe keine Zeit, dann habe ich auch keine Zeit.
Das hört sich an, als müsste ich ständig in mich hinein horchen.
Nein, aber Sie sollten immer wieder bei sich selbst vorbei zu schauen, den Autopilot ausschalten, Dinge bewusst tun. Ich kenne niemanden, der das ständig schafft, das wäre viel zu anstrengend. Die Idee ist ja nicht, ein neues Ideal anzustreben. Es soll ja nicht schon wieder um Leistung gehen. Wir stecken ohnehin viel zu sehr in Selbstoptimierungsprozessen. Wenn ich jetzt auch noch immer achtsam sein muss, dann stresst das zusätzlich. Aber in der westlichen Gesellschaft gibt es für das Nicht-Leisten keinen Raum, es wird nicht als Wert an sich gesehen. Wir tun immer nur etwas, um etwas anderes zu erreichen. Das heißt jetzt aber nicht, das es nicht schön ist, etwas zu leisten, das macht natürlich auch große Freude.
Es gibt unzählige Werke zum Thema Achtsamkeit. Was unterscheidet denn Ihr Buch von all den anderen?
Ich stelle Fragen, gebe keine Antworten. Ich wollte keinen Ratgeber schreiben, ich stecke ja in den Menschen nicht drin. Ich will Neugier und Freude daran wecken, die eigenen Macken anzuschauen und das geht meiner Meinung nach nur mit einer gehörigen Portion Humor. Das ist der Weg, den Menschen Distanz zu sich selbst zu bringen. Der Humor kommt mir in vielen Büchern zum Thema viel zu kurz.
Wieso hat es Ihnen gerade der Gedanke der Achtsamkeit so angetan?
Anfang der Zweitausender saß ich mit zwei kleinen Kindern zu Hause, war unzufrieden, hatte Rückenschmerzen. Dann habe ich Yoga versucht und begonnen, mich theoretisch und praktisch für Meditation zu interessieren. Später hab ich eine Ausbildung zur MBSR-Lehrerin gemacht. Die Methode hat sich für mich angeboten, weil sie weltanschaulich absolut neutral ist. Das hat mir gut getan und ich glaube, meine Familie findet mich seitdem auch viel erträglicher.