Reden wir über:Die weibliche Sicht auf die Dinge

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Christa Stewen findet, dass die Präsenz der Frauen im Bayerischen Landtag schon mal besser war. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Christa Stewens über 100 Jahre Frauenwahlrecht

Interview von Alexandra Leuthner

Dass Frauen erstmals in der deutschen Geschichte wählen und gewählt werden durften, jährt sich an diesem Samstag, 19. Januar, zum 100. Mal. Dabei hatte das preußische Abgeordnetenhaus die Neuerung noch im Mai 1918 abgelehnt. Was eine Frau darüber denkt, die 35 Jahre lang aktiv in der Politik war, als Gemeinde- und Kreisrätin, Landtagsabgeordnete, Ministerin, erste weibliche JU-Vorsitzende, Mitglied im CSU-Parteivorstand und Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag, wollte die SZ Ebersberg von Christa Stewens wissen. Die Poingerin, 1945 geboren, hat sechs Kinder und 24 Enkel.

SZ: Frau Stewens, ein Land, in dem Frauen nicht wählen dürfen, ist das überhaupt eine Demokratie?

Christa Stewens: Nach meiner Ansicht nicht. Frauen sind ganz normale Menschen (lacht), es ist schon witzig, dass man das überhaupt so sagen muss. Die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau gehört unabdingbar zum demokratischen Staatsgefüge.

Haben Sie das Gefühl, dass diese Gleichberechtigung in der Politik tatsächlich funktioniert? Nehmen wir das Kabinett Söder: zehn Männer, vier Frauen.

Nein, wir sind ein Stück weit wieder zurück gefallen. Die Präsenz der Frauen im Bayerischen Landtag war schon mal besser. Vor diesem Hintergrund wird bei uns intensiv diskutiert, ob man Delegierte paritätisch besetzen soll, weil wir Frauen erhoffen, dass dann Frauen auch Frauen wählen. Die CSU hat 2018 keine einzige Frau über die Liste reingebracht. Wir haben ja immer Parteivorsitzende gehabt wie Horst Seehofer, der sehr frauenfreundlich war und geschaut hat, dass Frauen gute Listenplätze bekommen. Aber wenn nur noch Direktkandidaten in den Landtag gewählt werden, dann haben es die CSU-Frauen sehr, sehr schwer, weil es schwierig ist, in einem Stimmkreis die Delegierten - meist nur 20 Prozent Frauen - umzustimmen.

Warum ist das denn so schwer, Männer zu überzeugen?

Männer haben in aller Regel bessere Netzwerke - heute umschreiben wir das vornehm mit "Netzwerke knüpfen", früher nannte man das Seilschaften (lacht). Und Männer sind einfach die Mehrheit im Politikbetrieb. Aber entscheidend ist auch eines, was etwa (die frühere CDU-Familienministerin und Bundestagspräsidentin) Rita Süssmuth am Donnerstag (bei der Feierstunde zum Frauenwahlrecht im Bundestag, Anm. d. Red.) gesagt hat: Sie sei ihr ganzes Leben lang gehetzt - und das ist mir ähnlich gegangen. Haushalt, Familie sind zum Großteil immer noch Sache der Frau. Es ist einfach so. Auch wenn sich ein bisschen was verändert; bei der jüngeren Generation bügeln schon mal die Männer und bringen die Kinder in den Kindergarten. Aber grundsätzlich ist das nicht so. Das bedeutet für Frauen puren Stress, und da haben viele einfach keine Lust dazu. Sie sind ja beruflich auch engagiert. Das heißt, wir müssen uns überlegen: Wie machen wir zum Beispiel Kommunalpolitik frauenfreundlicher? Wann fangen die Kreistagssitzungen an, die Gemeinderats- und Fraktionssitzungen? Da hat sich relativ wenig in den letzten Jahren verändert.

Also hat sich seit 1978, als Sie angefangen haben, sich politisch zu engagieren, bis heute nicht wahnsinnig viel getan.

Na ja, doch, in der Gesellschaft tut sich was. Wir haben gerade in Bayern viele junge Männer, die Elternzeit genommen haben. Dass das kein Urlaub ist, merken die dann immer ganz schnell. Aber wie man Männer wirklich dazu bekommt, dass sie den Schalter im Kopf umlegen, da gehört viel Reden und Überzeugungsarbeit dazu. Es liegt vielleicht auch ein bisschen an uns Frauen, dass wir uns ungern diesem harten Kampf stellen. Wenn Sie eine Kampfabstimmung um ein Direktmandat durchstehen müssen, da sind wir Frauen eher zögerlich, fragen, "kann ich das überhaupt?" Krieg ich das mit meiner Familie in Einklang, ich muss ja meinen Kindern gegenüber auch ausgeglichen sein?

Was sagen Sie jungen Frauen, die sich politisch engagieren möchten?

Es hilft nur: Ziele setzen, klar sagen, "das will ich jetzt". Und dann gilt es, Allianzen zu schaffen. Selbstbewusst zu sein. Aber wir sind nun mal 50 Prozent Frauen und 50 Prozent Männer, so ist die Welt. Ich will nicht sagen, dass wir besser sind, aber wir können die Dinge genauso gut und deshalb ist es wichtig, dass die weibliche Sicht auf die Dinge in die Politik und auch die Arbeitswelt eingebracht wird.

© SZ vom 18.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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