Süddeutsche Zeitung

Reden wir über:Ausgrenzung auf dem Pausenhof

Celil Ellialti, 19, hat sich für einen geflüchteten Mitschüler eingesetzt

Interview von Marina Förster, Christina Huber und Theresa Leipert

SZ: Hast du Vorurteile?

Celil Ellialti: Eigentlich bin ich völlig neutral. Aber wenn ich jemanden mit Vollglatze, Tattoos und Piercings sehe, denke ich schon manchmal schnell, dass da jemand eine politische Haltung zeigen will.

Glaubst du, dass viele Menschen in Deutschland Vorurteile gegenüber Flüchtlingen haben?

Natürlich gibt es auch Leute, die rechts sind und Vorurteile haben, obwohl sie die Menschen gar nicht kennen. Aber ich denke, dass es den meisten Flüchtlingen gut geht, vor allem, wenn ich sehe, dass sie eine Arbeit in Deutschland gefunden haben.

Hast du persönlich Kontakt zu Flüchtlingen?

Als ich in der achten Klasse war, kam ein Junge aus Afrika zu uns. Er schien sich eigentlich recht wohl zu fühlen, bis relativ schnell das Mobbing anfing: Ein Junge und ein Mädchen beleidigten und beschimpften ihn, sagten Sachen wie zum Beispiel "Geh zurück in dein Land". So grenzten sie ihn aus, und er war viel alleine. Einmal war er sogar den Tränen nah.

Wie hast du reagiert?

Meine Freunde und ich haben ihn in Schutz genommen, wir haben gesagt: "Lasst ihn in Ruhe" und haben ihn aufgebaut. Da sind die zwei erst mal weggegangen, und wir haben zusammen Fußball gespielt.

Warum hast du dich für ihn eingesetzt?

Weil das sich so nicht gehört, und weil das unmenschlich ist. Man sollte jeden aufnehmen.

Hat das Mobbing dann aufgehört?

Nein, das ging noch Wochen so weiter, bis die Lehrer das selbst in der Mittagspause mitbekommen haben. Dann gab es ein Gespräch, seitdem haben der Junge und das Mädchen ihn in Ruhe gelassen.

Wie würdest du dich fühlen, wenn du ausgegrenzt werden würdest?

Ich würde mich allein fühlen, aber ich würde auch versuchen, mit anderen Leuten etwas zu unternehmen. Wenn man in eine solche Situation kommt, muss man auch selbst was tun, damit es besser wird.

Dein Name hört sich nicht typisch deutsch an, hast du selbst ausländische Wurzeln?

Meine Eltern sind aus der Türkei nach Deutschland gekommen, aber ich bin hier geboren.

Bist du selbst schon mal mit Vorurteilen konfrontiert worden?

In der extremen Form habe ich es noch nicht erlebt. Allerdings waren Freunde und ich mal unterwegs und etwas lauter; dann haben uns ältere Leute beschimpft mit Worten wie zum Beispiel "Scheiß Ausländer". Wir haben die dann mit Absicht weiter provoziert; die kennen uns ja nicht und wissen nicht, wie wir wirklich sind. Sie hätten ja genauso gut sagen können: "Seid bitte ein bisschen leiser."

Bist du nur mit Jugendlichen befreundet, die auch einen multikulturellen Hintergrund haben?

Meistens schon, aber ich habe auch deutsche Freunde.

Was können Lehrer tun, damit ausländische Schüler nicht ausgeschlossen werden?

Wenn jemand neu in die Klasse kommt, könnten sie ihn fragen, ob er sich wohlfühlt. So könnten die Lehrer sein Vertrauen gewinnen. Denn wenn man beim anderen ein gutes Gefühl hat, dann erzählt man schneller von Problemen.

Was könnte grundsätzlich eine Gesellschaft tun, um junge Flüchtlinge besser zu integrieren?

Es sollte extra Gruppen mit Betreuern geben, die versuchen, dass Flüchtlinge nicht immer alleine sind. Sie könnten gemeinsam was unternehmen, wie zum Beispiel Fußball spielen.

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Quelle:
SZ vom 06.07.2018
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