Rechtspopulistische Äußerungen:Was Zornedings Pfarrer von der CSU-Chefin hält

Rechtspopulistische Äußerungen: Olivier Ndjimbi-Tshiende, 66, kam als drittes von sechs Kindern eines Bauernehepaares in Sintu im Kongo auf die Welt.

Olivier Ndjimbi-Tshiende, 66, kam als drittes von sechs Kindern eines Bauernehepaares in Sintu im Kongo auf die Welt.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende hat selbst rassistische Anfeindungen erlebt. Die Äußerungen der Zornedinger CSU-Vorsitzenden Boher will er deshalb nicht unkommentiert lassen.

Von Carolin Fries

Olivier Ndjimbi-Tshiende, 66, ist seit vier Jahren Pfarrer in der katholischen Pfarrei Sankt Martin in Zorneding. In der heutigen Demokratischen Republik Kongo geboren und aufgewachsen, promovierte er 1992 an der Hochschule für Philosophie und habilitierte 2001 an der LMU in München auf dem Gebiet der Werteethik. 2007 wurde er durch das Erziehungsministerium in seinem Heimatland, der Demokratischen Republik Kongo, zum Professor ernannt.

Seit 2005 lebt und arbeitet Ndjimbi-Tshiende in Deutschland, seit 2011 ist er außerdem deutscher Staatsbürger, "weil ich mich gefühlsmäßig hier zu Hause fühle", wie er sagt. Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende hat eine "Hymne an Frau Bundeskanzlerin Dr. A. Merkel" (Seite R9) geschrieben und der SZ geschickt.

SZ: In Ihrem offenen Brief loben und preisen Sie die Kanzlerin, was hat Sie dazu veranlasst?

Olivier Ndjimbi-Tshiende: Die Stellungnahmen von Kanzlerin Merkel zur Asylpolitik und -problematik verdienen Anerkennung und Lob. Meine Hymne an sie möchte ihren Mut und ihre Ausdauer in der Verteidigung der Gerechtigkeit, der Gesetzmäßigkeit, der Menschlichkeit und der moralischen und christlichen Werte wie der Liebe, Barmherzigkeit und Toleranz anerkennen und loben, um sie zu ermutigen.

In Zorneding hat die CSU-Ortsvorsitzende im Mitteilungsblatt ihrer Partei Stimmung gegen Flüchtlinge gemacht. Wie stehen Sie zu diesen Äußerungen?

Ich unterscheide deutlich zwischen Frau Bohers Äußerungen und ihrer Person als Mensch. Mit ihrer Person habe ich Mitleid, weil sie nicht gründlich überlegt hat, bevor sie ihre kritischen Anmerkungen geschrieben hat. Zu ihren Äußerungen: Sie sind weder auf wahre historische noch auf aktuelle Tatbestände bezogen, sondern nur Emotionen aufgrund falscher Wahrnehmungen. Sie sind eine falsche Interpretation der Einstellung des damaligen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, der auch Freunde in Afrika hatte.

Am Anfang will Frau Boher nicht ihre eigene Meinung äußern, aber dann sagt sie ununterbrochen im Namen von Strauß, was dieser gesagt hätte - das ist aber ihre Meinung. Sie beleidigt die Kanzlerin und den Bundespräsidenten, weil sie diese als Faktoren eines Gottesstaats betrachtet - nur weil sie evangelisch sind, dazu aus der DDR. Ihre Äußerungen sind zu ideologisch und demagogisch, führen falsche aber sehr beeindruckende Argumente: Die Staatsvertreter stellen die Asylbewerber über die eigenen Bürger. Für wen wurde das Hartz IV-Gesetz denn erlassen, wenn nicht, um den notleidenden Deutschen zu helfen?

Auf der Titelseite des "Zorneding Reports" sind zwei Kirchtürme abgebildet. Ist das für Sie so tragbar?

Es ist gut, dass eine Partei sich zum christlichen Glauben bekennt, aber um so mehr fordere ich von einer solchen Partei, dass sie dem christlichen Glauben Rechnung trägt, sonst ist das eine Täuschung. Je mehr Äußerungen wie die von Frau Boher von dieser Partei kommen, desto mehr stellt sich die Frage der Tragbarkeit und Täuschung. Frau Boher ist nicht die CSU, aber man hätte die Veröffentlichung ihres Artikels vorher abwägen müssen.

Halten Sie personelle Konsequenzen im Ortsvorstand für nötig?

Als Pfarrer und Seelsorger überlasse ich die Organisation der Partei den Mitgliedern der CSU. Diese haben Verstand und Gewissen.

Wie politisch muss und darf Kirche sein?

Die Kirche ist nicht politisch tätig, sondern neutral. Wir gehören keiner Partei an. Aber die Kirche ist Mahnerin und Ermahnerin gegenüber den Politikern, insbesondere gegenüber denen, die sich zum Christentum bekennen. Die Kirche hält ihre Augen und Ohren offen, um wie damals Jesus den Pharisäern entgegenzutreten, wenn menschliche, moralische und spirituelle Werte zertreten werden. Insofern ist die Kirche apolitisch, aber aus ihrem Auftrag als Kirche heraus ist sie schon immer politisch tätig. Weil die Menschen, die wir zu Gott führen möchten, die gleichen sind, die Politiker sozial und staatlich verwalten.

Wie erleben Sie den Umgang mit den Asylbewerbern, die in Zorneding leben?

Die Mehrheit der Bevölkerung ist offen zu den Asylbewerbern. Wir haben über 100 Helfer im Helferkreis für 49 Asylbewerber. Die Schmierereien auf Wänden gegen die Asylbewerber kommen von einer Minderheit, die der Rede nicht wert ist.

War oder ist Kirchenasyl ein Thema in der Pfarrei?

Meine Pfarrei hat im Juni/Juli einen Asylbewerber im Kirchenasyl gehabt. Es war für mich eine gute Erfahrung, auch wenn es anstrengend ist. Wir haben einen Jungen vor der Abschiebung nach Italien gerettet und so einem Menschen in Not geholfen.

Erleben Sie als dunkelhäutiger Pfarrer Ausgrenzung?

In Zorneding nicht. Aber wie überall auf der Welt gibt es auch hier rassistisch eingestellte Leute. Diese aber verstecken sich, weil ich Pfarrer bin. Früher und anderswo, und als ich noch Student war, habe ich einige Unannehmlichkeiten erlebt: In einem Restaurant in München wurde ich nicht bedient und musste nach einer Stunde des Wartens weggehen. An einer Trambahn-Station in München-Nord, als ich gelaufen bin, um die Tram noch zu erreichen, rief ein Herr mir zu: "Geh' zu Fuß, gibt es so was bei dir in Afrika?". In der Pfarrei Buch am Erlbach sagte ein Mitarbeiter, als ich angewiesen wurde: "Unter einem Neger arbeite ich nicht." Ebenfalls dort wollte ein junges Ehepaar sein Kind nicht bei einem schwarzen Pfarrer taufen lassen.

Das ist unglaublich traurig und beschämend.

Aber ich habe inzwischen viele Freunde und Fans, die nur von mir die Sakramente bekommen möchten. Insofern ist es ausgeglichen. Aber momentan tun die boshaften Äußerungen weh. Diese ganze Geschichte ärgert mich, macht mich traurig. Und zugleich fühle ich Mitleid mit dieser Frau, die Politik macht ohne Gesetze, Toleranz und Wahrheit im 21. Jahrhundert!

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