Streit um SchulnamenAfD fordert Umbenennung der Ebersberger Realschule

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In Ebersberg sind eine Straße und die Realschule nach dem früheren Verfassungsrichter Josef Wintrich benannt, dessen Rolle in der NS-Zeit umstritten ist.
In Ebersberg sind eine Straße und die Realschule nach dem früheren Verfassungsrichter Josef Wintrich benannt, dessen Rolle in der NS-Zeit umstritten ist. (Foto: Christian Endt)

Ist der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Josef Wintrich wegen etwaiger Verstrickungen in der NS-Zeit als Namensgeber noch geeignet? Darüber wird in der Kreisstadt schon länger diskutiert.  Nun gibt es einen offiziellen Antrag auf Namensänderung – ausgerechnet aus den Reihen der teilweise rechtsextremen Partei.

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Soll die Ebersberger Josef-Wintrich-Realschule weiterhin den Namen des wegen seiner Vergangenheit im Nationalsozialismus umstrittenen Juristen tragen oder soll eine Umbenennung angestrebt werden? Mit dieser Frage wird sich ein Ausschuss des Ebersberger Kreistags am 1. Juli befassen. Einen entsprechenden Antrag hat ausgerechnet AfD-Kreisrat Manfred Schmidt gestellt, also ein Vertreter einer Partei, die mindestens in großen Teilen als gesichert rechtsextrem eingestuft wird.

Der Vaterstettener ist überzeugt, dass Wintrichs Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus die eines „Regime-Stabilisators und karrierebewussten Opportunisten“ war und schlägt daher vor, die Schule stattdessen nach dem „Apfelpfarrer“ und NS-Gegner Korbinian Aigner zu benennen. Christoph Schwarz vom Verein „Geraubte Kinder – vergessene Opfer“, der seinerseits eine Umbenennung bereits eindringlich gefordert hat, wehrt sich gegen Schützenhilfe von dieser Seite: Die AfD, so Schwarz, stehe „nicht auf dem Boden des Grundgesetzes“  und sei als „rassistische und rechtsextreme Partei einzuordnen“. Eine Zusammenarbeit komme daher nicht infrage, so Schwarz in seiner Antwort an Schmidt, in der dann auch noch sehr deutlich wird: „Ihr Vorgehen ist schändlich und soll der rechtsextremen AfD nur ein Alibi verschaffen. Ihr Vorgehen ist verwerflich.“

Die Frage, ob der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Josef Wintrich als Vorbild gelten kann, ist in Ebersberg immer wieder diskutiert worden, seit im Sommer 2023 erste Erkenntnisse eines neuen Forschungsprojekts des Instituts für Zeitgeschichte bekannt geworden sind.  Demnach lässt sich das Bild des Aufrechten, der sich auch als Richter in Ebersberg zur Zeit des Nationalsozialismus nicht instrumentalisieren ließ und im Verborgenen Widerstand leistete, nur schwer halten. Wintrich, der während der NS-Zeit Richter in Ebersberg war, sei zwar nicht unbedingt als Täter einzuordnen, aber auch nicht als Gegner des Nationalsozialismus zu klassifizieren, so die Historikerin Eva Balz damals in einem SZ-Interview. Wintrich hatte unter anderem eine Berichterstattertätigkeit für den Sicherheitsdienst des Reichsführers SS angenommen, war während der NS-Zeit durchgehend als Lehrbeauftragter tätig und wirkte als Vormundschaftsrichter für die Einrichtung „Lebensborn“.

Josef Wintrich war zur Zeit des Nationalsozialismus Richter in Ebersberg.
Josef Wintrich war zur Zeit des Nationalsozialismus Richter in Ebersberg. (Foto: Historischer Verein für den Landkreis Ebersberg/oh)

Vor allem letztere Rolle hatte zuletzt auch der Freiburger Verein „Geraubte Kinder – vergessene Opfer“ thematisiert, der sich für diejenigen einsetzt, die als Kinder von den Nationalsozialisten verschleppt und dann über die „Lebensborn“-Heime weitervermittelt wurden. Bei einer Mahnwache im Januar hatte der Verein die geraubten Kinder und Wintrich in den Mittelpunkt gestellt, auch Vereinssprecher Christoph Schwarz hatte bereits an die Schule appelliert, eine Umbenennung anzustreben. Denn für Schwarz ist klar, dass sich Wintrich als Vorbild nicht eignet: „Wer für solche Kinder Adoptionen vermittelt hat, steckt mittendrin, er ist ein Täter“, sagte er damals.

Eine politische Diskussion hat es bisher nicht gegeben

In der Kreisstadt hingegen hält man sich mit einem Urteil über die Rolle Wintrichs bisher zurück. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass Kreisarchivar Bernhard Schäfer eine historische Neubewertung Wintrichs nicht angezeigt sieht. Es sei Wintrich gelungen, „hinter vordergründiger Anpassung und unter Eingehung schmerzhafter Kompromisse dazu, aus dem System heraus subtil und gegebenenfalls auch unter der Oberfläche der allgemeinen Wahrnehmung mit dem ihm zu Gebote stehenden (rechtlichen) Mitteln gegen die Diktatur zu arbeiten“, sagte Schäfer in einem Vortrag im Oktober 2024. Er sieht in Wintrich weiter einen „erkennbaren Gegner des Nationalsozialismus“.

Auf politischer Ebene sind die neuen Forschungen zu Wintrich, der auch in Ebersberg beerdigt ist, noch kein großes Thema gewesen. Die Ebersberger Grünen hatten zwar einen Antrag, über Wintrichs Rolle zu diskutieren, einmal in den Stadtrat eingebracht, ihn aber wieder zurückgezogen. Sie wollen abwarten, bis das Forschungsprojekt des Instituts für Zeitgeschichte endgültig abgeschlossen ist, das ist voraussichtlich im Frühjahr 2026 der Fall.

Für Manfred Schmidt von der AfD gibt es keinen Anlass, dieses Ergebnis abzuwarten: „Unabhängig von den zu erwartenden wissenschaftlichen IZG-Ergebnissen steht für mich längst fest, dass Dr. Wintrich jedenfalls nicht als Vorbild taugt, was für solch eine Schulbenennung unerlässlich wäre“, schreibt er in seinem Antrag. Es sei nämlich kaum vorstellbar, „dass das gotteslästerliche Nazi-Regime über zwölf Jahre hinweg einen dem System unfreundlich gegenüberstehenden Funktionsträger in solch einem wichtigen Amt belassen beziehungsweise ihn dorthin berufen hätte; ein System, das Recht und Gerechtigkeit zu Willkür und Schikane verkommen ließ“.

Erwin Rommel hielt der AfD-Politiker bereits einmal für einen passenden Namensgeber

Ein passender Namensgeber wäre in den Augen Schmidts Korbinian Aigner, der aus dem Landkreis Erding stammt und kurzzeitig auch Pfarrer in Grafing war. Während der NS-Herrschaft war er mehrere Jahre in verschiedenen Konzentrationslagern interniert. Das zweite Erdinger Gymnasium ist bereits seit 2011 nach Aigner benannt.

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Wintrich könnte nun also doch früher als erwartet Thema in der Politik werden – und eine Positionierung der Parteien dürfte angesichts der Ecke, aus der der Antrag kommt, schwierig werden. Allein könnte der Kreistag allerdings eine Namensänderung nicht beschließen, das wäre eine Sache der gesamten Schulfamilie – also Schüler, Lehrkräfte und Eltern – und letztlich des Kultusministeriums. Schulleiter Markus Schmidl hat bereits im Januar signalisiert, dass man einer Umbenennung nicht im Wege stünde, sollte neue Fakten nahelegen, „dass Dr. Wintrich als Namensgeber in der heutigen Zeit nicht mehr tragbar sein sollte“.

Was Manfred Schmidt betrifft, ist es nicht sein erster Vorstoß für eine Namensgebung: 2017 wollte er in Vaterstetten eine Straße nach Generalfeldmarschall Erwin Rommel benannt wissen, den er als Widerstandskämpfer gegen das Naziregime bezeichnete, 2019 waren es die Geschwister Scholl, die er als Namensgeber vorschlug. Erfolgreich war er mit keinem der Vorschläge – und ein Vaterstettener Grünen-Politiker merkte an, dass es durchaus „pikant“ sei, dass ausgerechnet der Vertreter einer Partei, deren damaliger Vorsitzender die NS-Zeit als „Vogelschiss in der Geschichte“ bezeichnete, sich die Geschwister Scholl als Namensgeber wünsche.

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