Rathauskonzert Vaterstetten:Abend der unerwarteten Kontraste

Rathauskonzert Vaterstetten

Großes Kino: Ori Kam, Matan Porat und Sharon Kam bieten beim Vaterstettener Rathauskonzert in der Kirche Maria Königin meisterliches Können.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Sharon Kam, Ori Kam und Matan Porat laden das Publikum ein in eine Lustwandelhalle der Fantasie

Von Ulrich Pfaffenberger, Vaterstetten

Mozart steht an erster Stelle im Programmzettel. Also sitzen wir voller Vorfreude in den Bänken der Kirche Maria Königin und warten auf die Künstler des Rathauskonzerts Vaterstetten. Wir sind zwar in Baldham, und nicht im Rathaus, aber wir sind im Konzert. Dann passt das schon. Dank Mozart. Mit flottem, jugendlichen Schritt betreten Sharon Kam, Ori Kam und Matan Porat die Bühne. Begleitet von freundlichem, warmem Begrüßungsapplaus. Porat nimmt am Flügel Platz, Ori Kam setzt die Bratsche auf die Schulter, seine ältere Schwester Sharon führt die Klarinette zu den Lippen. Ein kurzes Innehalten noch, Konzentration, mancher im Publikum schließt erwartungsvoll die Augen - und dann das: Das soll Mozart sein? So still, so bescheiden, fast schon: so lakonisch? Der eine oder andere, Augen wieder geöffnet, greift zum Programm: Aber da steht doch ... Mozart?

Und während sie sich noch wundern und zweifeln, während sie noch suchen nach den Anknüpfungspunkten ihrer Vorliebe, da schwebt, leicht wie ein Schmetterling und genauso farbenfroh, ein Takt durch den Raum, der alle Zweifel beseitigt, den Aufruhr der Seele beruhigt, das Beben des Musikverstands zum Schweigen bringt. Mozart, das kann nur Mozart sein, in Vollendung und mit Feinsinn gespielt. Von unglaublicher Tiefe und bezwingender geistiger Freiheit erfüllt nimmt nun das Trio sein Publikum mit auf eine Wanderung durch die fabelhafte Szenerie des "Kegelstatt-Trios", zeigt ihm die Kunst eines Komponisten, der diesmal weder "Wolferl" noch "Amadé" ist, sondern einer, in Liebe entbrannt zu einem seinerzeit raren Instrument und der ihm einen Hain angelegt hat, in dem die Klänge der Klarinette tanzen und lustwandeln dürfen. Was am Sonntag erklingt, zieht sofort unwiderstehlich in seinen Bann. Es sind Minuten wie diese, warum man sich bedenkenlos für einen Besuch der Rathauskonzerte entscheiden kann, weil man stets reicher daraus hervorgeht, als man hineingegangen ist.

Auch wenn sich schon der erste Programmpunkt als Schlüsselerlebnis des Konzerts entpuppt: Die Gerechtigkeit gebietet die nachgelagerte Bemerkung, dass auch die weiteren vier Stücke des Abends von so außergewöhnlich inspirierter Interpretation waren - dass man sich über den Mozart nicht mehr gewundert hätte, wäre er erst am Ende erklungen. So aber ließen die drei Musiker zunächst Robert Schumanns Märchenerzählungen folgen, die alles andere sind als klangvolle Illustrationen von Geschichten oder Sagen. Vielmehr hat der Komponist hier eine märchenhafte musikalische Poesie geschaffen, die wie ein fliegender Teppich die Fantasie in virtuelle Märchenlandschaften hineinträgt. Dem einen erblühen die Erinnerungen ans Sandmännchen, dem anderen an Pan Tau oder die kleine Meerjungfrau. Mit Tempi zwischen Wachen und Träumen, stets getragen vom feinstmöglichen Unterton, führen Kam, Kam und Porat durch bildreiche vier Sätze, von denen jeder eine ganze Welt umfasst. Es hört sich so leicht und unbeschwert an - und ist doch meisterliches Können in Reinform.

Die Werke nach der Pause rückten noch mehr als der Beginn die klangliche Vielfalt der Klarinette ins Zentrum des Geschehens. Die "Zwei Gesänge" von Johannes Brahms vermittelten auf eindringliche Weise, dass in der gewählten Besetzung das Instrument nicht nur Ersatz für die menschlichen Stimme ist, sondern mit eigenem Charakter und mit sinnlicher Ausprägung seine eigenen Töne und Worte findet. Hier entfaltet sich das große Können Sharon Kams in einer Weise, die ins Innerste der Zuhörerseele vordringt - und bleibt.

Bleibt und lange, lange nachschwingt, hinein in Claude Debussys "Prélude à l'après-midi d'un faune" für Solo-Klavier. Das Arrangement von Matan Porat zieht in die sowieso schon kühne poetische Architektur des Originals Streben und Bögen von verblüffender Weite ein, allerdings auch von fast nüchterner Eleganz. Es bereitet den Boden für die folgende, vor Energie berstende, dem Jazz und dem Swing hautnahe Interpretation von Béla Bartóks "Kontrasten", deren Titel genau verspricht, welche Wirkung das Trio mit einer leidenschaftlichen Interpretation erzielt, deren klare Farben in den gegensätzlichen Tonalitäten von Bratsche, Klavier und Klarinette glänzen - und markant, genau: kontrastieren, dem Leitmotiv des Abends. Haben wir nicht mit Mozart begonnen, auf einem anderen Planeten, in einer anderen Zeit? Herzlicher, anhaltender Applaus im gut besuchten Haus, angekommen in einer unerwarteten musikalischen Sphäre, berührt von herausragendem Können, erfüllt von Fantasie.

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