Rathaus Grafing:Wettstreit der Stimmen

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Die Pianistin Miku Neubert und Mitglieder des Münchner Holzbläser-Quintetts: Angela Symalla am Fagott und Hideki Machida mit Oboe. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Münchner Holzbläser-Quintett und die Pianistin Miku Neubert führen im Rathaus Werke von Mozart und Heinrich von Herzogenberg auf, einem Urahn des Grafinger Hornisten Michael Gredler

Von Anna Weininger, Grafing

Mit einem ungewöhnlichen, aber stimmigen Programm besiegelte das Münchner Holzbläserquintett gemeinsam mit der Pianistin Miku Neubert am vergangenen Sonntag im Rathauskonzert des Kulturvereins Grafing einen wunderbaren Frühlingstag. Ungewöhnlich deshalb, weil das Ensemble ein Klavierquintett des kaum gehörten Komponisten Heinrich von Herzogenberg in die Liga der großen Klassiker Mozarts und Beethovens hob. Stimmig, da alle drei Komponisten zusammen ein aufeinander aufbauendes Klangwerk ergaben.

Als wäre es ein Wettstreit, standen sich bei Mozarts Quintett in Es-Dur Klavier und Bläser gegenüber. Flink glitten Miku Neuberts Finger über die Tasten - die Melodie schlängelte sich konstant um die Bläserstimmen, so als ob das Piano die Bläser immer wieder einfangen müsste, während sich diese gerne in ihrer Leichtigkeit verselbstständigen wollten. Ein fortwährendes Spiel, das Mozart mit beschwingten Trillern säumt. Das Klavier behielt im ersten Satz die Oberhand, in den darauf folgenden Sätzen gewannen die Bläser Hideki Machida mit Oboe, Cornelia Göbel mit Klarinette, Angela Symalla am Fagott und Hornist Michael Gredler gekonnt und präzise in Soloparts ihre Selbständigkeit zurück. Mozart klang hier so leicht und unbeschwert, wie er eben klingen soll. Das Ganze mündete immer wieder in harmonische Synthesen, in denen das Quintett eine packende ausdifferenzierte Dynamik entwickelte. Ein Stilmittel, das auch Beethoven in seinem Bläserquintett in Es-Dur später immer wieder aufgreift.

Das Münchner Holzbläserquintett wurde maßgeblich geformt von dem Grafinger Komponisten und Hornisten Michael Gredler. Er war es auch, der den ungewöhnlichen Komponisten und Brahms-Schüler Heinrich von Herzogenberg ins Spiel brachte. Und damit gelang dem Quintett ein ganz besonderes Debüt in Grafing, denn Herzogenberg ist nicht nur der Ur-Ur-Ur-Großonkel von Gredler, er lehnt sich auch in seiner Kompositionsform des Holzbläserquintetts an Mozart und Beethoven an. Mit klassischen Elementen experimentiert er und transformiert sie in einen spätromantischen Musikkontext. So wählt Herzogenberg, so wie auch seine Vorgänger, in seinem Quintett für Klavier und Bläser Es-Dur als Tonart.

Immer wieder ließen sich klassische kammermusikalische Elemente entdecken, wie zum Beispiel die konsequente Verarbeitung der Motive in allen Stimmen. Doch dann schweifte die Melodie ab in romantische Verspieltheiten, die den Zuhörer in einen leichten Schwebezustand versetzen. Motive wurden ineinander verschränkt und romantisch verarbeitet, die Leichtigkeit nach und nach von einer steigenden Dramatik und Virtuosität abgelöst, die stark an Herzogenbergs Lehrmeister Brahms erinnert. Als das Werk pompös zu Ende ging, hörte man ein Raunen durch den Rathaussaal gehen. Nicht umsonst bezeichnete Hideki Machida das Quintett in seinen Abschlussworten als "gigantisch".

In Michael Gredlers Familie ist Herzogenberg immer präsent gewesen. Insbesondere sein Vater, Edgar Gredler, Solocellist im Münchner Rundfunkorchester, beschäftigte sich intensiv mit dem österreichischen Komponisten. Dass nun eines von dessen Werken in Gredlers Heimatstadt aufgeführt wurde, empfindet der Hornist als Ehre. "Die Noten, aus denen das Quartett spielte, sind über 100 Jahre alt" erzählte Gredler: "Man merkt den Notentexten an, dass sie in ihrer Schriftart andersartig sind." Teils alte und nicht etablierte Konventionen in der Notation ließen sich daraus noch ablesen.

Mit dem sehr schön gespielten Programm im Grafinger Rathaus haben er und seine Musikerkollegen vom Münchner Holzbläserquintett nicht nur der Kammermusikgattung Quintett die Ehre erwiesen, sondern auch Gredlers eigene musikgeschichtlichen Wurzeln gewürdigt.

© SZ vom 05.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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