Rassismus in Ebersberg:"Du sprichst ja Boarisch!"

Demo gegen Alltagsrassismus EBE - Black Lives Matter

Erst Anfang Juli gab es eine Demo in Ebersberg gegen Rassismus.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Schiefe Blicke, Beschimpfungen, Vorurteile: Alltagsrassismus ist auch im Landkreis Ebersberg allgegenwärtig. Mal als körperlicher Übergriff, viel öfter aber auf leisen Sohlen.

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Vor einigen Wochen erreichte die SZ Ebersberg ein Leserbrief zum Thema Alltagsrassismus. Ein Leser erzählte darin von einer rassistischen Beleidigung Mitte Juni in einem kleinen Laden im Landkreis. Ein Kunde hatte, nachdem er von einem eritreischen Mitarbeiter bedient worden war, gesagt: "Können jetzt Affen auch schon rechnen?" Die ebenfalls anwesende zweite Verkäuferin habe den Kunden dann aus dem Laden geschmissen, so der Inhaber des Geschäfts zur SZ. Er will anonym bleiben, um sich und seinen Mitarbeiter zu schützen. Der Inhaber spricht von einem Einzelfall in seinem Laden; der Mitarbeiter sei sehr beliebt, werde von der Kundschaft gut aufgenommen, seine Kollegen stünden alle hinter ihm.

Dass derartige Bemerkungen oder anderweitig zutage tretender Alltagsrassismus im Landkreis Ebersberg jedoch kein Einzelfall sind, zeigt eine weiterführende Recherche. Damit sind nicht nur Vorfälle wie der brutale Überfall auf den Imbiss am Ebersberger Bahnhof oder die Morddrohungen an den Zornedinger Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende im Jahr 2015 gemeint, die bundesweit für Aufsehen sorgten. Rassismus kommt manchmal auf leisen Sohlen daher.

Von immensen Problemen bei der Wohnungssuche berichtet etwa Brima Kabba, der aus Sierra Leone stammt und seit fünf Jahren im Landkreis wohnt. "Die Leute sagen immer: Die Wohnung ist weg, tut mir leid", erzählt er. Viele seiner Bekannten würden zwei Jahre und länger suchen, einige hätten immer noch nichts gefunden. Er erinnert sich noch an eine Wohnungsbesichtigung in Markt Schwaben, die er kurz zuvor für einen Freund telefonisch verabredet hatte. Weil er selbst arbeiten musste, hatte er den Freund nicht begleiten können. Dieser rief wenig später an und erzählte ihm, dass der Vermieter ihn wieder weggeschickt habe, weil die Wohnung schon vergeben sei. "Bei mir war es auch nicht leicht", so Kabba. "Aber ich habe Glück gehabt."

"Vielen ist nicht bewusst, was rassistisch ist", sagt der Ebersberger CSU-Politiker Edward Sofeso, seine Hautfarbe ist schwarz. Alltagsrassismus habe viele Gesichter, etwa wenn er in der S-Bahn abwertend angeschaut wird, wenn er Stammtischparolen hört wie "Die Ausländer nehmen uns die Arbeit weg" - und im schlimmsten Fall beschimpft wird: "Geh doch dahin zurück, wo du herkommst!" Sofeso erzählt, dass er schon des Öfteren als "Neger" beschimpft wurde, etwa wenn er seine Kinder in die Schule gebracht hat. "Die Frage ist, wie man damit umgeht", sagt Sofeso. Manchmal sei es das Beste, auf den anderen zuzugehen und Vorurteile abzubauen, im Gespräch. "Viele sind dann erstaunt, dass ich so gut Bairisch spreche", so Sofeso.

Gleichzeitig sei Alltagsrassismus nicht immer leicht zu erkennen - manchmal zeige er sich auch in unbewusst geäußerten Vorurteilen oder in unbedarften Handlungen. Wenn Fremde seinen Kindern einfach aus Neugier in die Haare greifen. Oder wenn ein Kind neugierig wissen will: Warum bist du so schwarz? "Selbstverständlich erkläre ich dann, dass Deutschland meine Heimat ist, und Bayern mein Zuhause", sagt Sofeso. Denn: "Es ist grundsätzlich nichts Schlechtes daran, auf seine Herkunft oder die Hautfarbe angesprochen zu werden, solange das in einem positiven Kontext passiert.

Rassismus in Ebersberg: Brima Kabba, Gründer des Vereins "Small World" im Garten seines Zuhauses in Ebersberg.

Brima Kabba, Gründer des Vereins "Small World" im Garten seines Zuhauses in Ebersberg.

(Foto: Christian Endt)

Nur im Dialog ist der kulturelle Austausch möglich." Allerdings seien abwertende Äußerungen und ein respektloser Umgang mit "People of Color" fremdenfeindlich und damit ein gesellschaftliches Problem. Rassismus existiere quer durch alle Schichten, nicht nur an Stammtischen, sondern auch in der Politik. Sofeso verweist auf eine Petition, an der er gerade teilgenommen hat: Diese setzt sich ein für die "rechtliche Anerkennung, dass der Begriff 'Neger' rassistisch ist". Adressiert ist die Petition an das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, das kürzlich einem AfD-Politiker den Gebrauch des Begriffs erlaubt hatte.

Von einem konstant hohen Niveau rassistischer Übergriffe spricht Damian Groten von der Beratungsstelle Before, die sich in München um Umgebung unter anderem um Betroffene rechter Gewalt kümmert. Dabei seien Diskriminierung und physische Gewalt zwei Seiten einer Medaille, so Groten. "Die allermeisten Fälle, in denen es zu Gewalt kommt, stehen in Verbindung mit Beschimpfungen. Das eine ist von dem anderen nicht zu trennen", sagt er.

Landratskandidaten - Podium

Auch Omid Atai stößt im Alltag auf Rassismus.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Alltagsrassismus definiert er als rassistische Abwertung von Menschen in deren alltäglichem Leben: "Sie nimmt oft Bezug auf äußerliche Merkmale und kann viele unterschiedliche Formen annehmen." Betroffene würden zum Beispiel ignoriert, geschnitten, ängstlich, herablassend oder aggressiv behandelt, gemustert und angestarrt, als Teil einer vermeintlichen Gruppe behandelt, mit Schimpfwörtern und rassistischen "Witzen" beleidigt, beschimpft, ausgeschlossen und benachteiligt, so Groten. Die Betroffenen erlebten solche Vorfälle häufig mehrmals täglich - ihre verletzende Wirkung summiere sich.

Vor allem die rassistischen Anfeindungen im Wohnumfeld hätten in letzter Zeit stetig zugenommen. "Die Täter sind oft Nachbarn", so Karoline Staude, Beraterin bei Before. Nicht selten würden auch Sachen beschädigt. Vor allem, weil das Zuhause eigentlich als Rückzugsort dient, eine verheerende Entwicklung: "In zahlreichen Fällen fühlen sich die Menschen in ihrem unmittelbaren Nah-Umfeld nicht mehr sicher und überlegen es sich lieber dreimal, ob sie das Haus verlassen", sagt Staude. Wer Zeuge einer rassistischen Beleidigung oder ähnlichem werde, solle auf jeden Fall handeln - und sei es nur ein Zeichen der Empathie an den oder die Betroffene. "Alles ist besser als Teilnahmslosigkeit", so Staude. Diese sei leider weit verbreitet: Nur bei einem Bruchteil der Vorfälle schreite jemand Drittes ein.

Auch die Beratungs- und Dokumentationsstelle B.U.D. für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt betont: "Wenn das soziale Umfeld und die breitere Zivilgesellschaft und die Umgebung vor Ort die Betroffenen ernst nehmen und sie stärken und sich solidarisieren, ist das sehr hilfreich für eine gute Verarbeitung des Erlebten - auch wenn die Angriffe nie vergessen werden können."

Vor allem vor der Kommunalwahl im März sah sich der Poinger SPD-Politiker Omid Atai mit rassistischen Beleidigungen konfrontiert, sei es durch rassistische Facebooks-Posts, Schmierereien an seinen Wahlplakaten oder Kommentaren auf Wahlveranstaltungen. "Das waren nicht viele, aber man hat es erlebt", sagt Atai. Auch er erzählt vom Alltagsrassismus in kleinen Momenten. "Du wirst immer noch schief angeguckt", sagt er. Neulich habe ihn in einer Bäckerei die Verkäuferin ganz erstaunt angeschaut: "Du sprichst ja Boarisch!" Omid Atai erklärt: "Die Leute erwarten eigentlich etwas ganz anderes und sind überrascht. Da schwingt immer Rassismus mit." Auf die Frage, wie er auf solche Bemerkungen reagiere, lacht Atai: "Ich versuche das mit Humor zu nehmen und noch tieferes Boarisch zu sprechen. I ko richtig guad Boarisch."

Zu erklären, dass er Münchner sei, bringe nichts; zu schnell würde man als Besserwisser oder Ähnliches abgestempelt. Was könnte man dann besser machen? "Ich glaube, dass jeder über seinen Tellerrand blicken und akzeptieren sollte, dass derjenige, der dir gegenüber steht, das Gleiche machen kann wie du", so Atai. Es gelte, sein Gedankenmodell anders aufzusetzen, bei der Beurteilung des Gegenübers nicht bei der Religion stehen zu bleiben. Allerdings, sagt Atai, gebe es auch Grenzen. Ab einem bestimmten Punkt müsse man auch staatliche Register ziehen, und die Polizei müsse aktiv werden, etwa wenn Flüchtlinge bedroht würden. "Flüchtlinge sind genauso Menschen wie wir", sagt Atai. "Sie haben es nur viel härter."

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