Ramadan in Markt Schwaben:Tage der Entbehrung

Während des Ramadans dürfen Moslems erst nach Sonnenuntergang essen und trinken. In der Markt Schwabener Moschee treffen sie sich zum Mahl.

Stephen Virchow

Der Tisch ist bereits gedeckt. Nur gegessen werden darf von den Fladenbroten, Salaten und türkischen Desserts noch nichts. Auf dem Gelände der Moschee in Markt Schwaben hat ein Gemeindemitglied zum alltäglichen Beenden des Fastens nach Sonnenuntergang eingeladen. Trotz der mehr als 15 Stunden, in denen die Wartenden weder gegessen noch getrunken haben, sehnt niemand die Minute des Sonnenuntergangs sehnsüchtig herbei. Keiner schaut ungeduldig auf die Uhr.

Ramadan in Markt Schwaben: Das gemeinsame Fastenbrechen in der der Moschee in Markt Schwaben ist nicht nur optisch einem Grillfest sehr ähnlich.

Das gemeinsame Fastenbrechen in der der Moschee in Markt Schwaben ist nicht nur optisch einem Grillfest sehr ähnlich.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im Gegenteil: Die Stimmung ist ausgelassen. Es wird geplaudert und gelacht. "Ich halte das Fasten wegen meines Glaubens an Gott ein. Für mich ist das gar kein Problem", sagt Emsin Erben, während er Uludag-Dosen, eine sehr süße türkische Limonade, auf dem gedeckten Tisch verteilt. Während des Ramadans nehmen gläubige Muslime von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang weder Nahrungs- noch Genussmittel zu sich. Das geht soweit, dass zum rituellen Mundausspülen vor den regelmäßigen Gebeten Wasser zwar in den Mund genommen werden, aber auf gar keinen Fall geschluckt werden darf, erzählt Erben.

Der Iman der Markt Schwabener Moschee Ubeydullah Akbulut erklärt den Grundgedanken, der hinter dem Fastenmonat steht: "Das Fasten ist eine Art von gottesdienstlicher Handlung, bei der die Menschen Gott näher kommen. Dadurch, dass jeder auf dieselbe Art und Weise fastet, wird die Gleichheit der Menschen betont." Weiterhin sollen sich die Gläubigen in die Situation von Hungernden hineinversetzten und sich dadurch ihrer eigenen, privilegierten Situation bewusst werden, so der Imam.

Ramazan Findik aus Markt Schwaben fastet, seitdem er die dritte Klasse besuchte. "Für mich ist das Fasten selbstverständlich. Nur in den ersten zwei, drei Tagen ist es hart, dann gewöhnt man sich erstaunlich schnell daran", sagt er und lässt sich von den verführerischen Gerüchen, die von den gefüllten Tellern ausgehen, nicht beirren. Das Fasten gehört zu den fünf Säulen des Islams und die Einhaltung dieser Säulen gehört zu den Grundpflichten eines jeden Moslems, erklärt der Industriemeister.

Auch mit der Hitze, die den ganzen Tag über herrschte, hat Findik kein Problem, behauptet er und erklärt: "Wir sind ja südländischer Herkunft und dadurch solche Temperaturen gewohnt. Bei meinen Eltern ist es im Moment um die 40 Grad - und die fasten auch." Azim Capucak aus Poing findet aber schon, dass im Winter aufgrund der erträglicheren Temperaturen das Einhalten des Fasten einfacher ist als im Sommer. Auf die Frage, ob er denn Hunger habe, antwortet Findik, dass er sich zwar schon auf das Essen freue, aber "mit einem Schluck Wasser oder ein paar Datteln könnte ich auch noch weitere Stunden aushalten".

"Nicht zu rauchen ist schwieriger als nichts zu essen"

Kurz vor halb neun ruft der Iman zum Gebet auf, danach kann gegessen werden. Traditionell wird das Fasten mit dem Essen von Datteln gebrochen. Doch für viele der anwesenden Männer ist etwas anderes zunächst wichtiger: "Den Tag über nicht zu rauchen, ist für mich schwieriger als nichts zu essen", erzählt Capucak und zieht entspannt an seiner Zigarette. Emsin Erben und Ramazan Findik stimmen ihm mit einem Schmunzeln zu und setzen sich erst an den Tisch, nachdem sie eine Zigarette geraucht haben. Während des Essens herrscht eine fast andächtige Stimmung. Es wird weder viel noch hastig gegessen. Und einmal wird das Essen für ein kurzes Gebet unterbrochen.

Die Szene erinnert an ein ganz normales Grillfest unter Freunden, niemand würde auf die Idee kommen, dass die Speisenden die erste Mahlzeit nach über sechzehn Stunden zu sich nehmen.

In muslimischen Ländern gehe es während des Ramadan zwar lebhafter zu, erzählt Erben und vergleicht die Zeit dort mit der Advents- und Weihnachtszeit in Deutschland. Aber Probleme habe er wegen des Fastens in Deutschland noch nicht gehabt. Auch wenn er schwere körperliche Arbeit verrichten und die Kollegen essen und trinken würden, das Verlangen nach Nahrung überkomme ihn nicht: "Das ist eine Sache von Selbstdisziplin." Seine Kollegen würden sein Fasten akzeptieren und die Arbeit sei zugleich eine gute Ablenkung, sagt Erben.

"Gezwungen wird niemand. Jeder muss für sich persönlich entscheiden, ob er fastet oder nicht", sagt Mahmut Yavuz. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Vereines Ditib in Markt Schwaben. Ditib ist ein Dachverband, der etwa 900 Gemeinden in ganz Deutschland vereint. Ziel ist es, Muslimen einen Ort zur Ausübung ihres Glaubens zur Verfügung zu stellen. In Markt Schwaben ist der Verein Träger der Moschee.

Die nächste Mahlzeit wird Yavuz, der satt und zufrieden am nun leeren Tisch per Handy eine E-Mail beantwortet, in wenigen Stunden nachts um drei zu sich nehmen, sich dann wieder schlafen legen und erst am nächsten Abend wieder essen und trinken. "Es ist alles eine Frage der Selbstbeherrschung. Man muss seinen inneren Schweinehund überwinden." Am nächsten Tag beginnt für ihn und die anderen etwa 110 Mitglieder der muslimischen Gemeinde in Markt Schwaben das geduldige und beharrliche Warten auf den Sonnenuntergang erneut.

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