Grundstück von Messie:Müll per Zwangsräumung entfernt

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Darf der Staat eingreifen, wenn ein Grundstück zugemüllt wird? Im Landkreis Ebersberg lässt das Landratsamt mehr als 300 Kubikmeter Abfall entfernen - gegen den Willen des Eigentümers.

Von Sophie Burfeind, Frauenneuharting

Ludwig F. (Name geändert) erschienen die Dinge auf seinem Grundstück notwendig. Die Hölzer, der Bauschutt, die Reifen, die Baumaschinen - all das wollte er verwenden, um sein 130 Jahre altes Haus zu renovieren. Das Landratsamt Ebersberg sah das anders. Es betrachtete die Dinge auf seinem Grundstück als eine einzige Müllhalde. Immer wieder forderte es den 68-Jährigen auf, für Ordnung auf seinem Grundstück zu sorgen. Als dieser nicht reagierte, ließ das Landratsamt Lastwagen anrücken - das Grundstück wurde zwangsgeräumt. Ludwig F. fühlt sich bestohlen und ungerecht behandelt. Das Landratsamt sagt, es hatte keine Wahl.

Es ist eine Geschichte, die schon vor zwanzig Jahren begonnen hat und nun ihr vorläufiges Ende erreicht. Und es ist eine, wie sie im Landkreis äußerst selten vorkommt: In den vergangenen 20 Jahren ließ das Landratsamt nur insgesamt dreimal ein Privatgrundstück räumen.

"Systematisch aufgebautes perfides Machwerk"

F. jedenfalls hat direkt nach dem Vorfall eine lange Liste "der geraubten Dinge" angefertigt. Darauf steht: 400 Kilogramm Hackschnitzel, Holzbretter, Brennholz, 100 gefüllte Einweckgläser, Regenwassertonnen, Blumenkübel, ein Bierkasten, ein alter Skistock, der zu einer Stütze für einen neugepflanzten Obstbaum hätte werden sollen, zwei Gefriertruhen. Das sind nur einige Auszüge aus den seitenlangen Aufzählungen. Die wiederholten Aufforderungen, das Grundstück zu entrümpeln, bis hin zu dessen Zwangsräumung bezeichnet der Rentner als ein "seit 15 bis 20 Jahren systematisch aufgebautes perfides Machwerk" des Landratsamts.

Der pensionierte Ingenieur lebt seit 1970 auf dem 1500 Quadratmeter großen Grundstück, seit 1996 hat er immer wieder Probleme mit dem Landratsamt. Nach einem zähen Hin und Her, einem Gerichtsverfahren und der weiteren Missachtung der Räumungsfristen wurde ein Teil des Grundstücks am 10. und 11. Februar per Ersatzvornahme geräumt. Unter Polizeiaufsicht. Die Kosten dafür muss der Verursacher tragen. Doch F. sieht es gar nicht ein, die Rechnung von etwa 4000 Euro zu zahlen. Schließlich, so findet er, ist doch er der Leidtragende, der Bestohlene.

"Eindruck einer Entsorgungsanlage"

Man könnte meinen, auf dem eigenen Grundstück dürfe man tun und lassen, was man will. Doch so einfach ist das nicht. Denn in Deutschland gilt das sogenannte Kreislaufwirtschaftsgesetz, das die Abfallbeseitigung regelt. Dies besagt beispielsweise, dass Privatpersonen ihren Abfall zum Schutz der Allgemeinheit in dafür vorgesehenen Behältnissen und Müllentsorgungsanlagen beseitigen müssen. Außerdem schreibt es vor, dass auf Grundstücken aus Hygiene- und Umweltschutzgründen kein Müll gelagert werden darf. Verstößt eine Person gegen dieses Gesetz, hat der Staat das Recht, einzugreifen und den Abfall entsorgen zu lassen.

Genau dies sei im Fall F. geschehen, erklärt Martin Hartl vom Landratsamt. Er gehört der Abteilung Wasserrecht, Immissionsschutz und Abfallrecht an. Den Fall betreut er seit zehn Jahren. Bei seinem Vorgänger sei es in der Sache noch um Fahrzeuge gegangen: "Damals machte es den Anschein, als ob auf dem Gelände gewerblich mit Autos gehandelt wird." Bei ihm, Hartl, habe das keine Rolle mehr gespielt: "Da hat es schon angefangen, dass auf dem Grundstück immer mehr Müll gelagert wurde." Nach einigen Jahren habe das Ganze den "Eindruck einer Entsorgungsanlage" gemacht, sagt Hartl. Dementsprechend heißt es im Schreiben des Landratsamts von September 2013: "Im Ergebnis konnten mehr als 300 Kubikmeter an Unrat, welcher über das ganze Grundstück verteilt ist, festgestellt werden."

Das Brennholz etwa, über dessen Entsorgung F. sich besonders ärgert, sei deshalb als Abfall deklariert worden, weil es nicht "sachgerecht gelagert", also nicht ordentlich aufgeschichtet und abgedeckt gewesen sei. Unter den Holzstapeln im Freien fanden sich Hartl zufolge vielmehr sechs Autogetriebe, Papier und zwei Kühlschränke. Auch "eventuell noch verwertbare Einzelteile, wenn diese ungeordnet zusammen mit dem Abfall gelagert werden", so das amtliche Schreiben weiter, zählten nach einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aus dem Jahr 1999 als "Unrat".

Weil die Lagerung von Speiseresten oder Hausmüll auf dem Grundstück aus Gründen der Hygiene verboten ist, wurden auch die 100 Einweckgläser und die beiden Gefriertruhen mitgenommen, die ebenfalls auf F.s Liste stehen. Im Trockenen und gekühlt sei beides kein Problem, erklärt Martin Hartl. Doch die Truhen waren mit Lebensmitteln gefüllt, der Inhalt verwest - auch die Einweckgläser bereits verdorben. Beides habe Ungeziefer und Ratten einen idealen Nährboden geboten.

Die Frist verstreicht und auch die Verlängerung läuft ab

Nachdem Ludwig F. etlichen mündlichen und schriftlichen Aufforderungen, den Abfall zu beseitigen, nicht nachgegangen war, erhielt er im September 2013 eine Beseitigungsanordnung des Landratsamts. Er erhob Klage dagegen, das Ganze wurde im Oktober 2014 vor dem Verwaltungsgericht München verhandelt - nach Absprache mit seiner Anwältin zog F. die Klage zurück. Der Bescheid wurde somit rechtskräftig.

Bis zum 31. Dezember 2014 soll der Rentner den Abfall auf seinem Grundstück entfernen, lautet die festgelegte Frist. F. hält sich nicht daran. In dem Schreiben wird auf die Kosten hingewiesen, die bei einer Zwangsräumung auf ihn zukommen. Einen Monat später läuft auch die Fristverlängerung ab.

Das Landratsamt lässt noch einige Tage verstreichen, dann schickt Hartl die Lastwagen los, um den ersten Teil des Grundstücks entrümpeln zu lassen. Weil Hartl befürchtete, dass der 68-Jährige versuchen würde, die Zwangsräumung zu behindern, war Polizei anwesend. Bis 31. März hat der Rentner nun Zeit, auf der restlichen Fläche des Grundstücks Ordnung herzustellen. Sonst droht eine weitere Räumung durch den Staat.

© SZ vom 7.3.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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