Radikale in Grafing:Rechtsextreme unterwandern Schülerdemo

Neonazis tarnen sich als Tierschützer und verteilen Propagandamaterial an Jugendliche, die vor einem Zirkus demonstrieren

Von Sophie Rohrmeier

Rechtsextreme versuchen im Landkreis Ebersberg Unterstützer zu werben. Wie erst jetzt bei einer Veranstaltung von "Bunt statt Braun" bekannt wurde, haben Rechtsextreme am 8. September versucht, eine angemeldete Aktion von Tierschützern für ihre Zwecke zu missbrauchen. An diesem Tag sollte es in Grafing eigentlich um den Tierschutz gehen, zumindest für ein paar junge Menschen, die vor dem gastierenden Circus Luna mit Flyern und Postern gegen die Haltung von Zirkustieren demonstrieren wollten. Doch dann mischten sich Rechtsextreme unter sie, als Tierschützer getarnt. Die Grafinger riefen die Polizei. Zwischen den Berichten der Beamten und jenen der jungen Tierschützer aber gibt es Unstimmigkeiten.

"Am Sonntagnachmittag waren es sieben Nazis, die in einer Gruppe vor dem Zirkus standen", erzählt eine Schülerin aus Grafing. Die 18-Jährige hatte die Demonstration gegen Tierquälerei mit initiiert und muss hier anonym bleiben. Die von ihr als Nazis beschriebenen Personen haben dort Flugblätter verteilt. "Bei den Kontakt-Links auf den Flyern stand auch 'Ausländerstopp München'. Das ist schon ziemlich deutlich", sagt die Schülerin. Die jungen Tierschützer hatten sich ebenso wie schon am Freitag, 6. September und Samstag, 7. September, gegen 15 Uhr vor dem Circus Luna auf der Wiese an der Bürgermeister-Schlederer Straße aufgestellt, immer zu den Vorstellungszeiten.

"Wir wollten dort Flyer für Tierrechte verteilen und Plakate hochhalten", erklärt die Schülerin, die gemeinsam mit ihren Mitstreitern ihre Demonstration ordnungsgemäß beim Landratsamt angemeldet hatte. Sie seien jeweils zu zweit oder zu dritt gewesen, an besagtem Sonntag aber hätten sich fünf junge Tierschützer vor dem Zelt versammelt. Schon am Freitag aber seien zwei ihnen unbekannte Männer hinzugekommen und hätten eigene Flugblätter verteilt, berichtet die Schülerin, die an diesem Tag selbst nicht dabei war. Zunächst hätten sie sich unterhalten, und die Flyer schienen auf den ersten Blick Tierquälerei in Zirkusunternehmen anzuprangern.

Der Text an sich habe nichts verraten, doch bald hätten ihre Freundinnen an den Links auf den Flugblättern erkannt: "Die Männer müssen der rechten Szene angehören." Neben zunächst unverdächtigen Adressen wie die des Infoportals Schwaben waren das Freie Netz Süd und die Bürgerinitiative Ausländerstopp München aufgeführt. "Wir wollten uns von denen abgrenzen, eine meiner Freundinnen hat dann den Männern gesagt: Wir wollen nicht mit euch zusammen hier stehen", berichtet die 18-Jährige. Daraufhin hätten sich diese etwas weiter entfernt postiert. Am Sonntag dann, so die Schilderung weiter, seien sieben Personen zu der Tierschützer-Gruppe hinzugekommen. Eine trug ein Eisbärenkostüm, die Gruppe verteilte Flyer. "Zuerst dachte ich: Die sind nett." Mindestens eine der Personen war eine Frau, mit der sich die Schülerin unterhielt. "Ich hielt sie für jemanden vom Ebersberger Tierschutz und habe ihr erzählt, dass am Freitag Rechte da waren. Da hat sie gesagt: Das waren wir." Die Schülerin habe nachgefragt, ob sie Neonazis seien. Die Antwort: Sie seien Nationalisten, sie selbst sei nicht dafür, Ausländer auf der Straße zu schlagen, aber sie seien für deutsches Recht. "Die sagten ganz oft: Wir sind nicht gegen Ausländer. Aber die Links sind ja eindeutig", sagt die Schülerin. Schließlich rief eine Tierschützerin die Polizei. "Wir wollten nicht, dass da Rechte sind. Und die waren mehr als wir", erzählt die Schülerin. "Wir dachten uns schon, dass die sich nicht wie wir angemeldet hatten."

Als die Polizei kurz vor 15 Uhr eintraf, seien noch immer sieben Personen da gewesen. Sie seien alle an einer Straßenkreuzung gestanden, wenn auch zum Teil auf verschiedene Seiten verteilt. Hier nun setzt der Bericht der Polizei ein, dem zufolge es vier Personen waren, die so weit voneinander entfernt waren, "dass eine Versammlung nicht erkennbar war", wie Franz Tischler, stellvertretender Dienststellenleiter der Ebersberger Polizei, sagt, der zunächst nichts über den Vorfall wusste und sich von den beteiligten Beamten informieren ließ. "Es gab rechtlich nichts zu beanstanden", berichtete er dann. Es habe sich um drei Männer und eine Frau gehandelt, allesamt volljährig und nicht aus dem Landkreis Ebersberg.

Nach Einschätzung der Beamten lag kein illegales Vorgehen der überprüften Personen vor, da auch "ein Verteilen von Flyern nicht zu erkennen war". Eine Beamtin habe die Flyer zwar gesehen, sie aber nicht als rechtsextremen Ursprungs identifiziert. "Und selbst, wenn sie das erkannt hätte: Es hätte nichts an der Situation geändert", betont Tischler. Die Beamten hätten die fraglichen Personen darauf hingewiesen, dass eine Anmeldung nötig sei, sollten sie sich versammeln wollen. Daraufhin hätten sie den Ort verlassen. "Zwei von ihnen aber sind auch am Montag wieder aufgetaucht", erzählt die Grafinger Schülerin, "wieder mit Flyern".

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