Querschnitt durch die Forschung:Das Feuer ist aus

Nach 27 Jahren erscheint das letzte Antoniter-Heft von Adalbert Mischlewski

Von Thorsten Rienth, Grafing

22 Hefte hat Adalbert Mischlewskis "Antoniter-Forum" in den vergangenen 27 Jahren herausgebracht. Beinahe jedes Jahr eines. Nun, nachdem der Zusammenschluss im vergangenen Jahr wegen Nachwuchsmangels aufgelöst wurde, hat der Grafinger Herausgeber einen letzten Abschiedsgruß an die Historikerwelt veröffentlicht: das "Heft 23/24/25".

Die Publikation ist ein breiter Querschnitt aus den vergangenen Forschungsjahren der mittlerweile ehemaligen Forumsmitglieder. Dieter Leinweber etwa vergleicht die "Darstellung des hl. Antonius in der koptisch-orthodoxen und in der römisch-katholischen Kirche", Carina Brumme forschte zur "Funktion der spätmittelalterlichen Zeichen der Antoniter."

Und wie so oft in der Vergangenheit ist auch bei diesem letzten Heft die Handschrift vieler Forscher aus dem Landkreis Ebersberg unverkennbar. Der Zornedinger Peer Fries gehört etwa dazu, als Autoren die frühere Leiterin des Museums der Stadt Grafing, Rotraut Acker ("Ein Holzschnitt gibt Rätsel auf", "Ein alter, neuer Hieronymus Busch", "Salzburg und der hl. Antonius", "Der Antoniritt in Salzburg. Ein längst vergessenes Brauchtum") und ihr Mann Udo Acker ("Überbringung einer Reliquie des hl. Antonius nach Bukarest"). Natürlich auch Adalbert Mischlewski selbst ("Die Öffnungen des Antonius-Schreins in St. Antoine") sowie seine Frau, die frühere Grafinger Gymnasiallehrerin Johanna Mischlewski ("Der Isenheimer Altar in München", "Studientage in St. Antoine"). Aber auch aus Frankreich, Österreich und Rumänien sind Autoren mit dabei. "Das Medium ermöglichte den Dialog über heutige Landesgrenzen, über Grenzen des Faches und brachte Forscher, die zu unterschiedlichen Epochen forschten, ins Gespräch", schreibt Mischlewski im Anhang des 230-seitigen Hefts. "Jeder, der zum Thema arbeitete, konnte hier aus dem reichen Fundus schöpfen."

Der europäische Forschungsansatz könnte zum Wirken des Antoniter-Ordens kaum treffender passen: Aus der Pflege von am Antonius-Feuer Erkrankten war im frühen Mittelalter die Bewegung der Antoniter entstanden. Durch eine Pilzvergiftung zogen sich die Venen der Infizierten zusammen, so dass Durchblutungsstörungen auftraten und die Menschen Gliedmaßen verloren oder gar starben. Bald breitete sich der christliche Hospitalorden mit mehr als 370 Spitälern in ganz Europa aus, das südlichste lag auf Zypern, das westlichste in Portugal, viele um das Gebiet der Ostsee herum. Die Antoniter, so könnte man sagen, waren die ersten Europäer: ein Grenzen überwindender Zusammenschluss mit einem gemeinsamen, hehren Ziel. Die Ordensbrüder päppelten die Kranken durch sorgfältige Ernährung wieder auf, wo es nötig war, amputierten sie fachgerecht, außerdem versorgten sie jene Menschen, die Gliedmaßen verloren hatten, auf Lebenszeit. "Europaweit blieb so etwa 4000 Krüppeln das Betteln erspart", schätzte Mischlewski einmal.

Der Mutterkorn-Pilz, eine Getreide-Verunreinigung, die das Antonius-Feuer auslöst, wurde schließlich im 17. Jahrhundert entdeckt. Den befallenen Roggen sortierten die Landwirte daraufhin einfach aus. In der Folge gingen die Krankheitsfälle zurück, die Hospitäler wurden überflüssig, und die Antoniter gerieten für Jahrhunderte in Vergessenheit.

Bereits als junger Wissenschaftler, nach dem Zweiten Weltkrieg, holte Mischlewski den einst wirkungsvollen Orden wieder aus der Versenkung, durchkämmte die Archive nach Informationen, in den 1960er Jahren promoviert er sogar über die Antoniter. 1991 gründet er zusammen mit anderen Interessierten das Forum, um das historische Erbe der karitativ-sozialen Einrichtung zu pflegen. Jetzt, wo die Forschungsgemeinschaft aufgelöst und das letzte ihrer Hefte erschienen ist, droht erneut das Vergessen.

Beziehbar ist das Heft direkt beim Herausgeber Adalbert Mischlewski in Grafing unter der Telefonnummer (08092) 90 95.

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