"Querdenker"-Demo:Demo in Poing: "Potpourri aus rechten Stereotypen"

Lesezeit: 2 Min.

Wie überall in Deutschland protestieren Demonstranten auch in Poing regelmäßig gegen die Corona-Maßnahmen. (Foto: dpa)

Ein Redner zieht bei Corona-Demo Parallelen zum Nationalsozialismus. Der Staatsschutz prüft mögliche Konsequenzen.

Von Barbara Mooser, Poing

"Jana aus Kassel" ist zu fragwürdiger Berühmtheit gelangt durch ihre bodenlosen Vergleiche der Lage von Coronaleugnern mit der von den Nationalsozialisten ermordeten Widerstandskämpferin Sophie Scholl. Bei der jüngsten Demonstration sogenannter "Querdenker" in Poing hat nun ein Sprecher ähnliche Parallelen gezogen und dabei auch gegen Charlotte Knobloch, die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, gepöbelt. Knobloch hatte am Tag zuvor in der Gedenkstunde des Bundestages für die Opfer des Nationalsozialismus vor der Verharmlosung des Holocausts durch die sogenannten "Querdenker" gewarnt.

Das hat in Poing ein Redner zum Anlass für eben gerade dieses genommen. In einem eher wirren Redebeitrag, in der die DDR als "richtig freiheitlich" gepriesen wird, denn "die hatten FKK, keine Masken auf und konnten draußen auf der Straße Bier saufen", zieht der Mann erneut Parallelen zur Zeit des Nationalsozialismus. Länglich begründet er das damit, dass etwa das Schicksal von Anne Frank "uns ständig als das Schlimmste vorgeführt wird". Er verwendet auch Begriffe aus dem nationalsozialistischen Jargon. Florian Rieder, Experte in der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern, hat sich den fraglichen Videoausschnitt aus Poing angeschaut und kommt zu einem klaren Urteil: "In diesen eineinhalb Minuten steckt ein Potpourri aus rechten Stereotypen, was deutlich zeigt, wie salonfähig diese Narrative inzwischen bei Corona-Protesten sind." Das Video könne man "in jedem Vortrag zeigen, um darzustellen, wie Rechtsextremismus in den Kreisen von Coronaleugnern verbreitet ist", sagt Rieder. Ob die Äußerungen bei der Demonstration auch rechtliche Konsequenzen haben können, wird derzeit beim Kommissariat Staatsschutz der Kriminalpolizei Erding geprüft, wie eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord mitteilt.

Nicht zum ersten Mal beschäftigt sich die Polizei mit rechtsextremen Vorfällen im Zusammenhang mit den regelmäßigen Corona-Demos in Poing. Im September hatte ein 40-jähriger Starnberger Gegendemonstranten eine rechtsextreme Phrase entgegen gebrüllt. Ansonsten musste die Polizei Poing nach Angaben ihres stellvertretenden Chefs Manfred Winter vor allem wegen Verstößen gegen die Maskenpflicht einschreiten. Einmal traf sich ein Teil der Demonstranten im Anschluss verbotenerweise in einer Poinger Pizzeria.

Kritisch beobachtet werden die Demonstrationen meist von Mitgliedern der Aktionsgruppe Respekt@Poing, die sich gegen jede Art von Rechtsextremismus und Rassismus einsetzt. "Diese Demonstrationen sind uns schon lange ein Dorn im Auge", sagt Christina Tarnikas, eine der Sprecherinnen der Gruppe. Man habe aber bisher aus zwei Gründen auf Gegenaktionen verzichtet: "Wir wollten aufgrund der Corona-Situation nicht auch noch Leute zu einer Gegenkundgebung zusammenrufen und sie erhöhtem Risiko aussetzen. Und wir wollten den Demonstranten nicht noch mehr Aufmerksamkeit verschaffen."

Nun sei aber eine Grenze überschritten worden, sagt Tarnikas, die auch stellvertretende SPD-Vorsitzende in Poing ist. Dass solche Worte einen Tag nach dem Holocaust-Gedenktag in der Nähe des Halts des Poinger Todeszugs gefallen seien, sei unerträglich. Die Mitglieder der Aktionsgruppe wollten nun beraten, wie man auf so etwas reagieren könne.

In der Vergangenheit hatte es bereits mehrmals Gegendemonstrationen gegen die Coronaleugner gegeben, verantwortlich gezeichnet hatte hierfür die Satiregruppe "Die Partei", die allerdings im November eine Pause ankündigte: "Nach zahlreichen Diskussionen haben wir entschieden, erst mal nicht mehr in Präsenz in Poing zu demonstrieren. Die stetig steigenden Infektionszahlen, die inzwischen den doppelten Wert der ersten Welle erreicht haben, verstehen wir als Warnsignal. Für Oma, für Opa und für alle anderen geliebten Menschen bleiben wir lieber zu Hause, anstatt uns in die Nähe der Pandemieleugner zu stellen."

© SZ vom 01.02.2021 / moo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Markt Schwaben
:19 Tote nach Corona-Ausbruch in Altenheim

Insgesamt waren in der Markt Schwabener Awo-Einrichtung 63 Bewohner mit dem Virus infiziert. Noch ist nicht endgültig geklärt, warum das Heim so stark betroffen ist.

Von Barbara Mooser

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: