Prozess vor dem Amtsgericht:Angeknackstes Verhältnis

Prozess vor dem Amtsgericht: Ein Streit um das Sorgerecht löste die Auseinandersetzung aus, über die nun vor dem Amtsgericht verhandelt wird.

Ein Streit um das Sorgerecht löste die Auseinandersetzung aus, über die nun vor dem Amtsgericht verhandelt wird.

(Foto: Christian Endt)

Weil sie der neuen Freundin ihres Noch-Ehemannes die Nase gebrochen haben soll, steht eine 31-Jährige vor Gericht. Die bestreitet den Schlag: Bei einer Handbewegung habe sie die andere lediglich leicht berührt

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Die Welt der Gesten ist sehr weit und trügerisch. Was an einem Ort als freundliches Kompliment gilt, ist woanders eine satisfaktionspflichtige Beleidigung, die durchaus eine gebrochene Nase zur Folge haben kann. Um eine deftige Geste und eine gebrochene Nase ging es nun auch vor dem Amtsgericht Ebersberg. Angeklagt war eine 31-Jährige, die der neuen Frau ihres zukünftigen Ex-Mannes einen Faustschlag auf die Nase versetzt haben soll. Dafür hätte sie per Strafbefehl 3600 Euro zahlen sollen, legte aber Einspruch ein. Vor Gericht beteuerte sie, lediglich eine spezielle Geste ausgeführt und dabei die andere Frau leicht an der Nase berührt zu haben.

Das Handzeichen, um das es geht, ist als "Feigenhand" bekannt, dabei wird der Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger geklemmt. Je nach Region bedeutet die Geste eine vulgäre Beleidigung, die Zurückweisung einer solchen, oder sie sagt dem Gegenüber: "Von mir bekommst du gar nichts." Letztere Bedeutung hat die Feigenhand beispielsweise in Osteuropa, woher Angeklagte und Geschädigte stammen. Was letztere nicht bekommen sollte, waren die Kinder ersterer, beziehungsweise das Umgangsrecht.

Denn darin liegt die Ursache der Auseinandersetzung. Die Angeklagte und ihr Noch-Ehemann streiten seit der Trennung um das Sorge- und Umgangsrecht für die beiden gemeinsamen Kinder, eine Entscheidung durch ein Familiengericht steht noch aus. Vor Gericht beschuldigten sie sich gegenseitig: Sie zwinge ihm schikanöse Vorschriften auf, so der Ex, er wiederum halte sich nicht an Vereinbarungen, sagt sie.

So auch am Abend, als sich die Schlägerei ereignet haben soll. Der Vater und seine neue Freundin hatten mit der Tochter der Angeklagten einen Ausflug gemacht. Als sie zur vereinbarten Zeit das Kind noch nicht zuhause abgeliefert hatten, rief die Angeklagte bei den Großeltern an und erhielt die Auskunft, Vater, Stiefmutter und Tochter würden dort zum Essen erwartet. Daraufhin fuhr die 31-Jährige zu den Schwiegereltern, um die Tochter selbst abzuholen. Dort sei es zum Streit gekommen, bestätigten alle Beteiligten.

Dazu aber, was geschah, nachdem die 31-Jährige die Wohnung der Großeltern betreten hatte, weichen die Geschichten stark voneinander ab. Die Angeklagte erklärte, von der Geschädigten provoziert worden zu sein. "Deine Kinder werden bald auch bei mir sitzen", soll sie gesagt haben, was die 31-Jährige vor dem Hintergrund des anstehenden Sorgerechtsstreits als Drohung auffasste. Darum habe sie eben die "Du bekommst nichts"-Geste gemacht und dabei die andere leicht an der Nase berührt. Die sei ausgeflippt und mit einem Löffel auf sie losgegangen. Der Schwiegervater habe die andere zurückgehalten, ihr Ex die Angeklagte dann auf den Flur verfrachtet, nicht ohne ihr vorher noch eine Watschen zu verpassen.

Erwartungsgemäß schilderten der Verflossene, dessen Eltern und seine neue Freundin den Vorfall genau umgekehrt. Sie sagten übereinstimmend aus, die Angeklagte sei in die Wohnung gestürmt, habe an der Tochter, die bei ihrem Vater auf dem Arm saß, herumgezerrt, bis diese weinte, und außerdem die Geschädigte beleidigt. "Sexuelle Anspielungen" sollen gefallen sein, russische Schmähungen - "die kann man schlecht übersetzen" - und der Vorwurf an die Geschädigte, selbst zweifache Mutter, sie wisse nicht, wie man Kinder erzieht. Anschließend habe sie die Geschädigte auf die Nase geboxt.

Im Krankenhaus sei ein Nasenbeinbruch festgestellt worden, was die junge Frau mit einem Attest belegte, an dem allerdings der Verteidiger Zweifel äußerte. In einem bei der Polizei vorgelegten ersten Attest ist lediglich von einer Prellung die Rede. Ein Grund für Richterin Vera Hörauf, einen Rückzug des Einspruchs zu empfehlen. Denn die im Strafbefehl verhängten 90 Tagessätze bezögen sich auf den Schlag ohne Knochenbruch - mit Fraktur könnte das Strafmaß unter Umständen steigen.

Nach einer längeren Unterredung mit seiner Mandantin erklärte der Advokat indes, die Verhandlung fortsetzen zu wollen. Dies wird Anfang Dezember passieren, dann sollen unter anderem mehrere Polizisten und die behandelnde Ärztin der Geschädigten gehört werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: