Prozess um Falschaussage:Schuldig, so oder so

Das Amtsgericht Ebersberg verurteilt einen 39-Jährigen, weil er entweder die Polizei oder das Gericht belogen hat

Von Amelie Hörger, Ebersberg

"Na, hast du keine festen Schuhe gefunden", scherzte der 39-jährige Angeklagte in einer Beratungspause im Amtsgericht Ebersberg. Seine Bemerkung richtete sich an den Betroffenen des verhandelten Falles. Letzterer war in Flip-Flops vor dem Gericht erschienen und so flapsig fiel der Kommentar des Angeklagten vermutlich aus, weil die beiden Männer sich bereits gut, "aus dem Milieu" kennen. Das sagte der Flip-Flop-Träger später aus. Gemeint war wohl das Drogenmilieu. Zur Debatte stand, ob der Angeklagte tatsächlich Drogen von dem Mann aus Poing gekauft, oder dies nur behauptet hatte. Zu verschiedenen Zeitpunkten hatte er darüber unterschiedliche Angaben gemacht.

Klar ist, der Angeklagte ist für das Gericht kein Unbekannter. 14 Verurteilungen sind in seiner Akte aufgeführt, wegen Körperverletzung, Diebstahl, Beleidigung, sowie Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Diesmal stand der 39-Jährige aus Forstinning jedoch wegen falscher Verdächtigung vor Gericht, denn Mitte vergangenen Jahres behauptete er bei einem Verhör der Erdinger Polizeiinspektion, der Mann aus Poing habe ihm mehrfach innerhalb des letzten Jahres Heroin und Kokain verkauft. Als die Sache aber später vor Gericht verhandelt wurde, bestritt er dies. Eine Aussage, die er nun auch im aktuellen Prozess wiederholte, gleiches bestätigte der als Zeuge geladene angebliche Dealer.

Als der Angeklagte gefragt wurde, weshalb er den Zeugen damals angeschwärzt hatte, gab er zu Protokoll, dass die Polizei andeutete, ihn aus seiner damaligen Haft zu entlassen, vorausgesetzt er belaste den Poinger. Dieser sei den Ermittlern laut Aussage des Angeklagten schon länger ein Dorn im Auge gewesen. Er selbst habe Sachen dazuerfunden, weil seine Frau zu dieser Zeit eine Chemotherapie durchgemacht habe. "Deswegen war es mir einfach so wichtig, nach Hause zu kommen", erklärte der Forstinninger.

Damit schien der Fall für die beiden Beteiligten bereits abgeschlossen, doch das Gericht um Richter Markus Nikol und zwei Schöffen, zweifelte an der Aufrichtigkeit der Männer und so schien die Verhandlung eher wie ein Streit zwischen Gericht und den beiden Bekannten, als zwischen dem Angeklagten und dem von ihm angeblich Angeschwärzten. Denn die beiden verstanden sich auch während der Verhandlung prächtig, so scherzte man gemeinsam und traf sich vor der Urteilsverkündung auf eine kurze Zigarette im Innenhof. Aus ihrer Sicht kein kluger Schachzug, denn die Bedenken der Staatsanwaltschaft und des Gerichts über die gemeinsamen Machenschaften schien dies zu bekräftigen.

Großen Wert maß die Staatsanwaltschaft den damals sehr präzisen Aussagen des Angeklagten bezüglich Grammpreisen des Poingers zu. Laut Aussage der Staatsanwaltschaft sei es deswegen durchaus wahrscheinlich, dass dieser dem Beschuldigten Drogen verkauft habe und beantragte aufgrund der zahlreichen vorherigen Delikte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung.

Richter Markus Nikol kam zu einem ähnlichen Schluss. Schließlich hätte sich der Angeklagte so oder so eines Verbrechens schuldig gemacht: Entweder habe er bei der Polizei nicht wahrheitsgetreue Angaben gemacht oder später vor Gericht eine Falschaussage getätigt, "fest steht jedoch, dass einer der Fälle zutreffen muss", so Nikol. Im ersteren Falle würde er sich der falschen Verdächtigung und im letzteren einer Falschaussage schuldig machen. Welcher der Punkte nun zutrifft, ließe sich wohl nicht herausfinden, strafbar sei es aber, auf die eine wie auf die andere Art, sagte Nikol und verurteilte den Angeklagte deshalb zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten ohne Bewährung. Der 39-Jährige nahm das Urteil gelassen zu Kenntnis. Neu ist ihm diese Situation schließlich nicht.

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