Prozess:Rätselhaftes Dokument

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Vor dem Amtsgericht wird gegen einen pakistanischen Flüchtling verhandelt, der sich als Afghane ausgegeben haben soll

Von Anselm Schindler, Ebersberg

In seiner Heimat Pakistan habe er ständig Angst gehabt, auch in seinem engsten Umfeld seien Menschen bei Anschlägen getötet worden, berichtet der 38-Jährige. Deshalb sei er nach Deutschland gekommen. Jetzt muss sich der Pakistani vor dem Ebersberger Amtsgericht verantworten. Denn die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, er habe versucht, die Behörden zu hintergehen. Bei seiner Flucht über die Balkanroute habe er bei der tschechischen Polizei angegeben, er komme aus Afghanistan. Die tschechische Polizei habe dem pakistanischen Flüchtling dann eine Durchreisebescheinigung erstellt, auf der genau das notiert war. Die Bescheinigung, so heißt es in der Anklageschrift weiter, habe der Mann bei seiner Ankunft in Deutschland auch der hiesigen Polizei gezeigt.

Der 38-Jährige wird an diesem Donnerstagnachmittag bereits zum zweiten Mal auf der Anklagebank des Amtsgerichtes sitzen, bereits am Dienstag wurde er von Richterin Vera Hörauf befragt. Doch weil keine Übersetzung des tschechischen Dokuments vorlag, beantragte der Verteidiger, den Prozess erst am Donnerstag weiterzuführen.

Pakistan ist von Krisen zerfressen, schon die Kolonialmacht England hat die Konflikte zwischen den vier großen Volksgruppen des heutigen Pakistans angefacht, bis heute fallen den Auseinandersetzungen auch Zivilisten zum Opfer. Und dann sind da noch religiöse Fanatiker, allen voran die Taliban. Zwischen all den Fronten leben Menschen, die wissen, dass die Wahrscheinlichkeit, in Deutschland oder anderen europäischen Ländern bleiben zu dürfen, höher ist, wenn man sagt, dass man aus Afghanistan kommt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten das Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen vor - so heißt das auf Amtsdeutsch.

Wegen der sprachlichen Barriere wird im Verfahren alles auf Urdu übersetzt, einer von vielen Sprachen in Pakistan, die gleichzeitig auch die Amtssprache ist. Geahndet werden kann das Verschaffen von falschen Ausweisen im Höchstfall mit zwei Jahren Freiheitsstrafe. Der Angeklagte allerdings sagt, dass nicht er, sondern die tschechische Polizei die Urkunde bewusst falsch ausgefüllt habe. Und das, obwohl er betont habe, dass er aus Pakistan komme. "Schreib für ihn auch Afghanistan auf, sonst wird er zurückgeschoben", habe der eine Grenzbeamte den anderen gedrängt. Vor Hörauf liegt das Papier um das es geht, tschechische Wörter in kyrillischer Schrift.

Der Anwalt des Angeklagten stellt die Seriosität der Anklageschrift in Frage: Dort steht, dass der Angeklagte im Dezember 2015 über Simbach am Inn nach Deutschland eingereist sei und kurz nach dem Grenzübertritt festgenommen wurde. Im Polizeiprotokoll allerdings steht, dass der Angeklagte erst am Tag nach der Einreise festgenommen worden sei. Zweifel gibt es auch darüber, inwieweit sich der Angeklagte bei der Polizeikontrolle in Deutschland strafbar gemacht hat. Falsche Papiere beim Grenzübertritt mit sich zu führen, ist bereits eine Straftat. Doch es macht einen Unterschied, ob man sie nur dabei hat, oder ob man sie auch verwendet, um die Behörden zu täuschen.

Aus dem Durchsuchungsprotokoll der Polizei geht hervor, dass die Beamten das Dokument in einer der Taschen des Mannes fanden, "er hatte also nicht vor, sich damit auszuweisen um die Polizei zu täuschen", erklärte der Verteidiger bei der Verhandlung. Er schoss sich aus diesem Grund voll auf die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft ein, die "hinten und vorne nicht stimmen". Der Anwalt bezweifelte auch, dass es sich bei dem tschechischen Formular wirklich um ein Dokument handelt, das als Ausweispapier gelte. Über diese Frage wird die Verhandlung am Donnerstagnachmittag Aufschuss geben, dann ist das Dokument übersetzt.

© SZ vom 23.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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