Prozess in Ebersberg:Verbrechen im Drogenrausch

22-Jähriger bekommt vom Amtsgericht eine letzte Chance

Von Sachbeschädigung über vorsätzliche Körperverletzung bis zu besonders schweren Fällen von Diebstahl. Außerdem noch Hausfriedensbruch, Beleidigung und das Vortäuschen einer Straftat - was sich liest wie das Lebenswerk eines routinierten Verbrechers, ist ein Auszug aus den Anklagepunkten, wegen derer sich ein 22-Jähriger vor dem Ebersberger Amtsgericht verantworten musste. Und eigentlich hätte er dafür auch eine saftige Strafe kassieren müssen, doch angesichts der Tatumstände und der Lebensgeschichte des jungen Mannes, drückte das Jugendschöffengericht um Richter Markus Nikol nochmals beide Augen zu.

Knapp eine halbe Stunde brauchte die Staatsanwältin, um alle Anklagepunkte aufzuzählen. Unter den Vergehen, die sich der junge Mann aus dem mittleren Landkreis im vergangenen Jahr geleistet hat, befanden sich so ziemlich alle leichteren bis mittelschweren Straftaten, die das Gesetzbuch so hergibt. Unter anderem ist der Angeklagte zusammen mit einem Kumpel in einen Keller eingebrochen und hat dort mehrere Gegenstände gestohlen. Auch in Supermärkten und Kaufhäusern im Landkreis und in München hat er sich ohne zu bezahlen an den Regalen bedient, er hat zudem mehrere Wohnmobile aufgebrochen, einen Autospiegel abgetreten und eine Mitarbeiterin eines Sicherheitsdienstes beleidigt und bedroht.

Die meisten der mehr als 15 Vergehen räumte der junge Mann vor Gericht auch ein, erinnern könne er sich allerdings an das meiste nicht mehr. Und an diesem Punkt kam auch eine gewisse Tragik in die Verhandlung. Denn der Angeklagte entpuppte sich als Paradebeispiel für einen Jugendlichen, der völlig vom rechten Weg abgekommen ist - gezeichnet von einem gefährlichen Mix aus psychischer Erkrankung und ausschweifendem Drogenkonsum. Insofern drehte sich die knapp siebenstündige Verhandlung im Grunde genommen nur darum, wie sehr der 22-Jährige für seine Taten überhaupt zur Rechenschaft gezogen werden kann.

Wie aus dem Bericht des medizinischen Gutachters hervorgegangen ist, war der Angeklagte zum ersten Mal mit 16 Jahren in Kontakt mit Drogen gekommen. Seinen Abschluss an der Realschule hat er zwar noch gemacht, je stärker die Rauschmittel wurden, desto mehr ist er aber abgerutscht. Was folgten, waren zwei abgebrochene Ausbildungen und mit 18 Jahren der erste Gefängnisaufenthalt. Wegen diverser Straftaten musste er 20 Monate hinter Gitter - und wurde sofort nach seiner Entlassung wieder straffällig.

Heute ist der Angeklagte gezeichnet von den vergangenen Jahren. Er ist an HIV und Hepatitis C erkrankt und seit einiger Zeit in einem Therapiezentrum untergebracht. Dort scheint er nach Ansicht der Gutachter endlich wieder in die Spur zu finden. Für die Prozessbeteiligten stand deshalb fest, dass eine erneute Haftstrafe hier nicht zielführend sei. Richter Nikol beließ es bei einer Bewährung von einem Jahr und zehn Monaten, mit der Auflage, dass die Therapie fortgesetzt wird und er dem Gericht regelmäßig Rückmeldung gibt. Der Angeklagte selbst war erleichtert über das Urteil und willens, nun das Beste daraus zu machen: "Chancen sind wie Sonnenaufgänge. Wenn man zu lange wartet, verpasst man sie", sagte er zum Abschluss.

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