Süddeutsche Zeitung

Prozess in Ebersberg:Päckchen aus der Heimat

Schlaftabletten-Vorrat bringt einen Mann vors Amtsgericht

Besuche in der Heimat eignen sich nicht nur dazu, Familie und Freunde zu treffen, sondern sich auch mit lieb gewonnen Produkten einzudecken, die man andernorts nur schwer bekommt. Nun hatte ein 33-Jähriger auf seiner Rückreise vom Familienurlaub im vergangenen Juli nicht etwa eine Jahresration von Omas Plätzchen dabei, sondern einen stattlichen Vorrat an Schlaftabletten und Beruhigungsmittel, die er sich in seiner serbischen Heimat besorgt hatte. Was der Mann allerdings nicht hatte, war ein Rezept für die Medikamente. Deshalb musste er sich nur vor dem Ebersberger Amtsgericht wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verantworten.

Es waren knapp 300 Pillen an verschreibungspflichtigen Medikamenten, die Zollfahnder Mitte Juli bei dem Angeklagten im Auto gefunden haben. Dieser war zusammen mit zwei weiteren Männern gerade auf der A 94 bei Markt Schwaben unterwegs, als die Fahnder den Kleintransporter stoppten. In mehreren Taschen haben die Beamten schließlich jene Packungen mit den Schlaftabletten gefunden - unterm Strich Betäubungsmittel in nicht geringer Menge, wie es im Juristendeutsch dazu heißt. Im Grunde genommen wäre daran nicht groß was auszusetzen gewesen, hätte der Mann einen Beleg dafür vorweisen können, dass die Medikamente für den Eigengebrauch sind. Da dieser allerdings keine entsprechenden Papiere bei sich hatte, nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen auf.

Deren Vertreter formulierte in der Ebersberger Amtsstube nun den konkreten Verdacht gegen den Angeklagten: einen gewinnbringenden Weiterverkauf der Medikamente. Das jedoch bestritt der 33-jährige Mann vor Gericht vehement. Er habe nicht gewusst, dass er die Medikament nicht mitführen dürfe. Diese seien ihm von seiner Ärztin in Serbien verschrieben worden, er nehme die Tabletten selbst auch schon seit Jahren ein. Wenn er einmal im Jahr auf Heimatbesuch sei, besorge er sich deshalb stets Nachschub.

Dass dieser Nachschub für den Eigenbedarf womöglich etwas groß sei, merkte Richter Markus Nikol an: "Die Menge erscheint mir für den Gebrauch ein bisschen hoch." Um den Amtsrichter jedoch eines Besseren zu belehren, legte der Mann im Vorfeld der Verhandlung bereits ein Attest vor, in dem ihm seine serbische Ärztin den Bedarf der Medikamente bestätigt. Allerdings waren dort nicht genau diejenigen Tabletten aufgeführt, die der Angeklagte tatsächlich im Auto mit dabei hatte. Da habe die Ärztin wohl einen Fehler gemacht, so der Mann. Statt dem Mittel Bromazepam habe sie ihm Benzedrin verschrieben.

Auch wenn diese Ausführungen das Schöffengericht nicht restlos überzeugten, so richtig nachweisen konnte es dem Mann das vermeintliche Handeltreiben nicht. Zumal eine Haarprobe ebenfalls nicht zur Klärung beitragen konnte. Diese sei zwar auf andere Stoffe wie Amphetamine und Kokain überprüft worden, sagte ein Gutachter vor Gericht, nicht jedoch auf die Tabletten, die der Mann bei sich hatte. Warum dieser Fehler unterlaufen ist, konnte nicht geklärt werden. Eine erneute Haarprobe jedenfalls verweigerte der Mann nach Rücksprache mit seiner Anwältin.

Da das Gericht mit den vorhandenen Akten nicht zu einem Urteil kommen konnte, muss die Staatsanwaltschaft nun nachsitzen. Unter anderem soll ein Gutachten erstellt werden, das die Wirkstoffgehalte der vermeintlich verwechselten Medikamente vergleicht. Außerdem soll die Drogenbehörde herausfinden, ob die vom Angeklagten genannte Ärztin tatsächlich existiert. Bis diese Unterlagen vorliegen, wird der Prozess vertagt.

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SZ vom 02.12.2020 / aju
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