Prozess in Ebersberg:16 Zeugen, 16 Geschichten

Prozess in Ebersberg: Eine Aufnahme vom Hohenlindener Volksfest, das normalerweise nicht für Prügeleien bekannt ist.

Eine Aufnahme vom Hohenlindener Volksfest, das normalerweise nicht für Prügeleien bekannt ist.

(Foto: Christian Endt)

Trotz akribischer Beweisaufnahme bleiben viele Fragen um eine Volksfest-Schlägerei in Hohenlinden ungelöst

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Manchmal ist es nur ein Puzzlestück, das noch fehlt, um ein stimmiges Bild zu bekommen. Im Falle der Verhandlung, die nun im Amtsgericht Ebersberg stattfand, sorgte das fehlende Puzzlestück jedoch eher für mehr Verwirrung denn für Aufklärung. Geladen war ein letzter Zeuge, der Licht ins Dunkel bringen sollte: Was genau war passiert bei jener Schlägerei auf dem Weinfest in Hohenlinden im Mai 2019? "Ich hab das nicht genau mitgekriegt", hieß es in der Zeugenaussage des Öfteren, "Ich hab das ehrlich gesagt nicht gesehen" oder "Das kann ich gar nicht genau sagen". Fest stand am Schluss vor allem eines: Es war dunkel, er war betrunken, und das Geschehen liegt schon zu weit in der Vergangenheit, als dass er sich an Einzelheiten erinnern könne. Letzten Endes wurde der Zeuge entlassen. Die Richterin Vera Hörauf stand vor der kniffligen Aufgabe, sich darauf einen Reim zu machen.

Auf der Anklagebank saßen zwei Brüder, beide Ende Zwanzig, aus dem nördlichen Landkreis Ebersberg. Ihnen wurde gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Der erste Teil der Hauptverhandlung hatte bereits im November 2020 stattgefunden, in einer Art Marathon-Sitzung: 15 Zeugen waren damals schon gehört worden, in einer mehr als fünfstündigen Sitzung. Die Brüder sollen bei dem Volksfest Mitarbeiter des Sicherheitsdienstdienstes angegriffen und gefährlich verletzt zu haben. Unter anderem soll einer der Brüder einen Security gegen einen Anhänger des Bayerischen Roten Kreuzes geschleudert haben, so dass dieser kurzzeitig das Bewusstsein verlor und eine Gehirnerschütterung davon trug. Ein weiterer Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes soll Schläge auf die linke Gesichtshälfte bekommen haben, so dass er Schwellungen des linken Auges erlitt.

Bereits bei der Sitzung im November war klar geworden, dass sich jeder ein bisschen anders an diesen Abend erinnerte. Auch im Mai 2019 nüchterne Zeugen schilderten die Auseinandersetzung der beiden Parteien teils komplett unterschiedlich. Wegen der letzten fehlenden Aussage war die Urteilsverkündung verschoben worden. Dieser letzte Zeuge schilderte nun, wie er von den Securitys aus dem Festzelt befördert worden sei - "die waren so aggressiv" -, wie er von ihnen gewürgt und gedrückt worden sei, und dass er im Freien plötzlich los gelassen wurde. Die Brüder gaben an, nur eingeschritten zu sein, weil sie dem Zeugen helfen wollten. "Haben Sie die Brüder gesehen?", wollte Richterin Hörauf vom Zeugen wissen. "Ehrlich gsagt neda", antwortete dieser.

Gewaltexzess oder Zivilcourage? Fußtritt oder Kratzwunde? Und kam einer der Verletzten vielleicht nur deshalb vergleichsweise glimpflich davon, weil er am Boden liegend die Schutzhaltung annahm? Letztlich stellte Richterin Vera Hörauf fest, dass die Anklage vor dem Ebersberger Amtsgericht nur zum Teil bestätigt werden konnte. Die Frage etwa, ob wirklich jemand in den Anhänger geschubst wurde, musste aus Mangel an Beweisen mit "nein" beantwortet werden.

Und so bekam der Ältere der beiden Brüder eine Freiheitsstrafe von acht Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wird, sowie eine Geldauflage von 3500 Euro, die er an eine gemeinnützige Einrichtung spenden muss. Der Jüngere wurde freigesprochen - obwohl Hörauf, wie sie betonte, nicht glaubt, dass er unschuldig ist. Die Beweise jedoch würden nicht dazu ausreichen, ihn zu verurteilen.

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