Süddeutsche Zeitung

Prozess:Gewalttätiger Übergriff

39-Jährige wird wegen sexueller Nötigung und Körperverletzung gegenüber ihrer früheren Partnerin verurteilt

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Es war ein langer Prozess: Über drei Verhandlungstage hinweg, teils öffentlich, teils nicht-öffentlich, insgesamt gut 18 Stunden lang hörte das Ebersberger Amtsgericht Zeuginnen und Zeugen. Ziel war es herauszufinden, ob eine 39-Jährige ihre Ex-Freundin tatsächlich sexuell genötigt und misshandelt hat, wie es ihr die 44-Jährige vorwarf. Dass es zu einem Gerangel gekommen ist, gab die Angeklagte sofort zu. Den sexuellen Übergriff hingegen stritt sie bis zuletzt ab. Es stand Aussage gegen Aussage - wie so oft bei Sexualdelikten. Deshalb waren an die Aussagen der Geschädigten, die vor Gericht als Nebenklägerin auftrat, "erhöhte Anforderungen" gestellt, wie es der Vorsitzende Richter Markus Nikol bei der Urteilsbegründung formulierte. In den Augen des Richters sowie der zwei Schöffinnen wurde die 44-Jährige diesen Anforderungen gerecht.

Der Vorwurf bezieht sich auf eine Tat, die mittlerweile mehr als zwei Jahre zurückliegt: An einem Abend im März 2019 soll die 39-Jährige ihre Ex-Freundin nach einem Streit auf ein Bett geschubst haben - zu dem Zeitpunkt waren die beiden bereits getrennt. Die Angeklagte habe die 44-Jährige festgehalten, entblößt und versucht, sie an Brüsten und im Schambereich zu berühren sowie sie zu küssen. Als es der Frau gelang, sich zu befreien, sei sie in eine Ecke des Zimmers gedrängt worden, wo die Ex-Partnerin sie wieder bedrängt habe. Mehrmals habe die Geschädigte der Angeklagten gesagt, sie solle aufhören, ebenso habe sie sich körperlich gewehrt - so sei ein Hämatom an ihrem linken Arm entstanden.

Als "unfassbare Ungerechtigkeit" bezeichnete indes die Angeklagte am ersten Verhandlungstag die Anschuldigungen ihrer Ex-Partnerin. Nachdem die beiden Frauen in eine gemeinsame Wohnung in den Landkreis Ebersberg gezogen waren, habe die 44-Jährige eine "abgrundtief hässliche Seite" gezeigt: Regelmäßig hätten Erniedrigungen und Schuldumkehrungen stattgefunden, wie die Angeklagte sagte. Dadurch sei sie in einen "sehr depressiven Zustand" geraten.

Dass sich die Angeklagte psychisch in sehr schlechten Verfassung befand, bestätigte ein Psychotherapeut, der die 39-Jährige einige Monate vor dem Abend der Tat in vier Sitzungen kennenlernte und am letzten Verhandlungstag als Zeuge vor Gericht aussagte - die Angeklagte hatte ihn zuvor von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden. "Ich habe ihr empfohlen, in eine Klinik zu gehen, weil ich ihren Zustand als kritisch eingeschätzt habe", sagte der Zeuge. Regelmäßig sei sie in Zustände massiver Angst geraten und sehr abhängig von der 44-jährigen damaligen Partnerin gewesen. "Sie schien nicht mehr in der Lage, ihre Lebenssituation adäquat zu handhaben." Der 44-Jährigen gegenüber, die die Partnerschaft dominiert haben soll, habe sie sich hilflos ausgeliefert gefühlt. Er habe keine Anzeichen dafür gesehen, dass seine damalige Patientin anderen gegenüber gefährlich werden könnte - das sei bei solch abhängigen Persönlichkeiten "eigentlich nicht vorstellbar".

Die fast eine Stunde dauernde Stellungnahme der psychologischen Sachverständigen, die die Aussagefähigkeit und Glaubhaftigkeit der Geschädigten beurteilen sollte, machte deutlich: Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die 44-Jährige eine Falschaussage abgegeben hat und damit die Ex-Partnerin zu Unrecht der Vergehen beschuldigt hatte. Dafür seien unter anderem ihre Schilderungen zu konsistent und untypisch, außerdem spreche die Tatsache für die 44-Jährige, dass sie sich auf Anraten einer Freundin bei der Polizei zunächst beraten ließ und erst einige Stunden später tatsächlich Anzeige erstattete.

Das Gericht sah die Schuld der Angeklagten als erwiesen an. Es verurteilte sie wegen sexueller Nötigung und Körperverletzung zu einer Strafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung sowie zu einem Schmerzensgeld für die Geschädigte von 5000 Euro.

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SZ vom 25.06.2021
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