Prozess am Landgericht:Übergriffe im Pflegeheim

56-jährigem Mann droht Unterbringung in der Psychiatrie

Anton S. starrt vor sich hin. Sein Mund ist halbgeöffnet. Das weiße Hemd, das er zu einem dunklen Anzug trägt, hängt aus der Hose. Der 56-Jährige leidet laut Ärzten an einer sogenannten demenziellen Entwicklung. Er ist deshalb zum Beispiel nicht mehr so aufmerksam und kann sich auch nicht mehr an alles erinnern. Außerdem ist sein Gehirn durch langjährigen Alkohol- und Drogenkonsum geschädigt. Anton S. lebte bis Ende Juni vergangenen Jahres noch in einem Pflegeheim im nördlichen Landkreis. Dort soll er zweimal eine 85-Jährige, ebenfalls an Demenz erkrankte Frau, gegen ihren Willen geküsst und in ihrem Intimbereich berührt haben. Seit diesem Montag muss sich der 56-Jährige für die mutmaßlichen Taten vor dem Landgericht München II verantworten. Da S. aufgrund seiner Erkrankung strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden kann, muss das Gericht darüber entscheiden, ob er in eine geschlossene psychiatrische Einrichtung eingewiesen wird.

Anton S. sagte zum Auftakt des Verfahrens vor der 3. Strafkammer, er habe die Seniorin, die inzwischen verstorben ist, von einem Stuhl, auf dem sie gesessen sei, ins Bett getragen. Sie habe das so gewollt. "Mehr kann ich dazu nicht sagen." Ob er die Frau geküsst habe, fragte Richter Hofmann. Nein, erwiderte Anton S. Und an ihrer Hose angefasst? Auch diese Frage verneinte der 56-Jährige, der in seinem Leben nie einen Beruf erlernt hat und schon in gut einem Dutzend Wohn- und Pflegeeinrichtungen lebte. Aus einigen flog er raus, da er Alkohol trank oder Drogen konsumierte. Seit den mutmaßlichen Übergriffen im Landkreis Ebersberg ist S. in einer anderen Einrichtung im östlichen Oberbayern untergebracht. Im Zuge der Ermittlungen hatte der 56-Jährige die Vorwürfe vor einer psychiatrischen Sachverständigen eingeräumt. Er habe die Frau geküsst und gestreichelt, weil sie es gewollt habe, soll S. zu der Sachverständigen gesagt haben. Ob das zutreffe, erkundigte sich Richter Hofmann. Er könne sich nicht mehr daran erinnern, dies gesagt zu haben, antwortete der 56-Jährige. Ermittlern gelang es am Körper und an der Kleidung der Seniorin zahlreiche fremde DNA-Spuren sicherzustellen. Sie stammten von Anton S.

Auf die Frage des Vorsitzenden Richters, wie er die Tage in dem Pflegeheim, in dem er derzeit wohnt, verbringe, sagte Anton S., dass er morgens zu einer Madonnenfigur in seinem Zimmer bete. Er bitte darum, dass er keine Drogen mehr nehme. Und danach?, fragte der Richter. "Ich tu' gar nix machen", lautete die Antwort. Morgens und abends bekomme er Antidepressiva, so S. Er wolle nicht länger in dem Pflegeheim bleiben, sondern zurück in sein gewohntes Umfeld nach Augsburg. Dort würde er sich gerne eine kleine Wohnung mieten. Und dann?, will Richter Hofmann wissen. "Gar nix machen", erwiderte Anton S. Ein Urteil in dem Verfahren wird noch in dieser Woche erwartet.

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