Süddeutsche Zeitung

Prozess am Amtsgericht:Das Fenster zum Streit

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Lüften im Hausflur verursacht einen handfesten Zwist unter Nachbarn - und wird ein Fall fürs Amtsgericht

Von jowe, Ebersberg

Wozu ein offenes Gangfenster in einem Mehrparteienhaus führen kann, war jetzt am Amtsgericht zu sehen. Ein Mann aus dem westlichen Landkreis musste sich wegen Bedrohung verantworten. Laut Anklageschrift soll er seiner Nachbarin ins Gesicht gespuckt und gedroht haben, ihren Kopf zu nehmen und gegen die Wand zu schlagen. Zu seiner Verteidigung sagte er, sich an die genauen Geschehnisse an diesem Tag nicht mehr erinnern zu können. Zudem ließ er die Dolmetscherin übersetzen, er spreche nur wenig Deutsch und hätte eine Drohung in diesem Wortlaut gar nicht sagen können.

Mit seiner Nachbarin komme es wegen ebenjenes Gangfensters in der Nähe seiner Wohnungstür ständig zu Streitereien. Immer und immer wieder öffne die Frau das Fenster, auch mitten in der Nacht, berichtete der Angeklagte. Dabei sei seine Wohnung ohnehin schon stark mit Schimmel befallen. Es sei kalt, und von draußen komme zusätzliche Feuchtigkeit herein. "Ich bin nicht der Einzige im Haus, der mit dieser Frau Probleme hat", merkte der Angeklagte an. Er erklärte, er sei wegen dem mangelhaften Zustand des Hauses und den Nachbarschaftsstreitigkeiten bereits im Rathaus und sogar im Landratsamt gewesen, doch nirgends habe man ihm helfen können. Zudem behauptete der Angeklagte, seine Nachbarin sei polizeibekannt und schon öfter mit derlei Geschichten aufgefallen. Da die Frau nicht zur Verhandlung erschien, waren von ihr weder Angaben zu den Vorkommnissen am Tag der mutmaßlichen Bedrohung noch zu der sonstigen Wohnsituation zu hören.

Nach Absprache mit der Staatsanwaltschaft bot Richterin Vera Hörauf dem Angeklagten an, das Verfahren gegen Zahlung von 600 Euro einzustellen. "Das Geld bekommt aber nicht meine Nachbarin?", fragte der Angeklagte. "Nein", entgegnete Hörauf und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Die Geldbuße sei an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen. Dann wieder ernst erklärte sie, man könne auch eine weitere Verhandlung ansetzen und die Frau erneut vorladen. Sollte diese dann aber ihre Angaben bei der Polizei auch bei Gericht glaubhaft vortragen, könnte es zur Verurteilung des Angeklagten kommen. Die Strafe würde mit Sicherheit höher ausfallen, warnte die Richterin. Der Angeklagte willigte in die Zahlung von 600 Euro ein.

Eine Frage hatte er noch nach Verhandlungsende - was er nun mit dem Fenster tun solle? Ob er es mit einem Holz abriegeln könne? Sie verstehe das Problem, sagte Hörauf, ohne Absprache mit der Hausverwaltung würde sie ihm dazu jedoch nicht raten. "Am besten suchen sie sich eine andere Wohnung", gab die Richterin ihm mit auf den Weg.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2018
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