Süddeutsche Zeitung

Projekt in Pfaffing:Gutes von Gestern

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Die beiden Pfaffinger Günther Tarantik und Georg Barth digitalisieren alte VHS-Kassetten mit Videoaufnahmen und Fernsehbeiträgen, die in der Umgebung aufgenommen wurden. Etwa eine Dokumentation über die Sandl-Kapelle und das Leben ihres Erbauers

Von Serafina Rumm

Wer schon einmal mit dem Fahrrad den Isar-Inn-Radweg von München über Grafing bis nach Wasserburg entlanggefahren ist, hat sie vielleicht gesehen: die Sandlkapelle. Benannt ist sie nach ihrem Erbauer Walter Sandl, der nur hundert Meter weiter in einem einfachen Haus in der Nähe des Waldstücks in der Pfaffinger Filzen, dem Wald zwischen Pfaffing und Springlbach, lebte.

Corona hat im vergangenen Jahr vieles durcheinander gebracht und das Ausharren fällt mittlerweile schwer. Manche feiern schon den zweiten Geburtstag im Lockdown, viele vermissen die Volks- und Dorffeste oder den wöchentlichen Stammtisch in der Wirtschaft. Radlfahren oder Spazieren sind da willkommene Ablenkungen und inzwischen auch beliebte Lockdown-Hobbys. Gelegentlich schleicht sich dann trotzdem die eine oder andere schöne Erinnerung an virusfreie Zeiten ein und die Nostalgie macht sich breit.

Gegen den Corona-Blues der Pfaffinger sollen deswegen Videos von früheren Veranstaltungen helfen: Günther Tarantik und Georg Barth digitalisieren für die Aktion "Früher - Schee war's" alte VHS-Kassetten mit Videoaufnahmen und Fernsehbeiträgen aus der Umgebung - wie das Video über die Sandlkapelle und das Leben ihres Erbauers Walter Sandl, das Tarantik nicht nur aufbereitet, sondern auch auf seinem Youtube Kanal veröffentlicht hat.

Der ursprüngliche Beitrag vom Bayerischen Rundfunk ist von 1990. Über eine Verlinkung auf der Internetseite der Freien Wähler Forsting ist der Film nun für jeden frei zugänglich und damit für die Nachwelt archiviert. Vor allem die ältere Generation freue sich über die Anregungen in Form von Videos, erzählt Tarantik über die Aktion. Zuhause sei das eine schöne Abwechslung zum Alltagstrott und eine Rückbesinnung auf alte Zeiten: Denn Nostalgie kann schließlich auch etwas Schönes sein.

Sandl wuchs in einfachen Verhältnissen ohne Wasser- und Stromanschluss auf und zog so auch gemeinsam mit seiner Frau Anna Seidl sechs Kinder groß. Bis zu seinem Tod pflegte er eine genügsame, zurückgezogene Lebensweise. Ein achtsamer und verantwortungsvoller Umgang mit dem Wald und der Natur war ihm sehr wichtig: "Technik ja, aber muss jeder ein Auto haben?" Umweltschutz, Ressourcenschonung, bedachter Konsum, Nachhaltigkeit - diese Werte können, vor allem mit Blick auf den Klimawandel, leicht in die heutige Zeit übertragen werden.

Ein gutes Leben, besonders ein gesundes, darf man nicht als selbstverständlich nehmen, das wusste auch Sandl: Denn die Kapelle, die mittlerweile unter Schutz und Pflege der Gemeinde Pfaffing steht, baute er aus Dankbarkeit nach der Genesung einer schweren Magenkrankheit. Im Alter von 40 Jahren wurde er deswegen im Wasserburger Hospital operiert. Als er schon in die Totenkammer eingeliefert war, legte er ein Gelübde ab, dass er - falls er es doch noch schaffen sollte - ein Denkmal hinterlassen würde. Und tatsächlich: Sandl wurde wieder gesund und lebte noch 50 Jahre bis er am ersten November 2012 im Alter von 90 Jahren starb. Zum Gedenken an Walter und Anna Sandl wurde 2013 im Rahmen der 50-Jahr-Feier der Errichtung der Kapelle noch eine Lichterprozession durchgeführt.

"Ein wirklich bewundernswerter Mensch", sagt Tarantik, der Schriftführer bei den Freien Wähler Forsting ist und sich auch um den Internetauftritt der Partei kümmert, über Walter Sandl: Der Beitrag über die Sandlkapelle ist aktuell sein liebster. Sechs Videos hat Tarantik bisher hochgeladen. Neben dem Film über Walter Sandl, gibt es auf seinem Kanal auch Aufnahmen vom Rekord-Preiswatten-Turnier 1996 aus dem Forstinger Festzelt, an dem 310 Mannschaften teilgenommen haben oder Ausschnitte von den Forstinger Festtagen 1988, deren Programmhöhepunkt ein Fußballturnier gegen das ZDF-Dalli-Dalli-Team war. Außerdem erinnert ein Video an die letzte Zirkus Krone Fahrt nach München, an einen der letzten gemeinsamen Ausflüge, den die Freien Wähler Forsting letztes Jahr im Frühjahr noch unternommen haben.

Die Digitalisierung und die Aufbereitung der alten Filme macht Tarantik zuhause am Computer: Sein Material bekommt er von Georg Barth, der beruflich Fotos und Videos für das Bayerische Fernsehen macht und deswegen ein Studio mit einem großen privaten Archiv aus alten Videokassetten in seinem Keller hat. Digitalisiert werden die Kassetten dann mithilfe eines Videorekorders für VHS Kassetten und einem "Video Grabber", um die analogen Signale in digitale Signale umzuwandeln, die wiederum vom Computer aufgenommen werden können. Mit dem Microsoft-Movie-Maker wird anschließend nachgebessert: Die Videos werden mit Untertiteln und Scans ergänzt oder mit fescher Blasmusik versehen, im Format MP4 abgespeichert und dann auf Youtube hochgeladen.

Die Film-Aktion haben Tarantik und Barth zuerst in der Gemeinde publik gemacht: Mehr als 4500 Aufrufe hat das Sandl-Video auf Youtube mittlerweile. Die positive Resonanz motiviert Tarantik mit den Projekten weiterzumachen. Kurz vor Ostern soll der Film "Der harte Handel" neu überarbeitet veröffentlicht werden. Die Verfilmung, unter der Regie von Ulrich Edel, wurde 1978 im ZDF erstausgestrahlt. Das interessante ist natürlich wieder die Umgebung, besser gesagt: die Kulisse. Drehort für den Film, der übrigens nach einem Roman von Oskar Maria Graf auf einer wahren Begebenheit basiert, war 1977 der Sensauer Weinberg mit dem Bauernhof von Kreisheimatpfleger Sepp Huber aus Ebersberg.

Außerdem hat Tarantik noch ein musikalisches Vorhaben: Die Aufbereitung einer Hit- Schlager-CD, auf der mitunter Oldies aus den siebziger Jahren von der Kultband "Dandies" zu hören sind, zusammen mit dem Tonstudio in Kammer bei Ammerang.

Wer jetzt neugierig geworden ist kann über die Homepage der Freien Wähler Forsting unter www.unser-pfaffing.de alle bisher online gestellten Videos - und bald auch zwei neue - der Aktion "Früher - Schee war's" anschauen.

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Quelle:
SZ vom 26.03.2021
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