Projekt "Ebersberg summt":Durchwachsene Bilanz der Landwirte zum "Jahr der Biene"

53 Bauern aus dem Landkreis haben Teile ihrer Felder in Blühstreifen verwandelt. In ihrer Bilanz zum Saisonende wird ein Problem deutlich: Zwischen den Blumen gedeiht zu viel Unkraut

Von Korbinian Eisenberger

Bienenparadis Stockrosen Schmidberger

Die Honigbiene kommt mit exotischen Blumen zurecht, den größeren Anteil machen aber Wildbienen aus - und die brauchen einheimische Pflanzen.

(Foto: Christian Endt)

Vor sieben Jahren hat der Landwirt Herbert Wagner ein Langzeitprojekt begonnen. Wo er Getreide anbaute, sät er seither eine Blühmischung aus Kräutern. Damit verwandelte er Teile seiner Felder in Blühwiesen, verzichtete also freiwillig auf Anbauflächen. "Ich wollte etwas für die Insekten-Vielfalt tun", sagt der 53-Jährige. Doch das wurde komplizierter als erhofft. Weil dort bis heute immer wieder das Unkraut wuchert und die Blüten verdrängt. Wagner sagt: "Das bekomme ich nicht in den Griff."

Am Fall Wagner lässt sich gut erahnen, welche Herausforderungen das Projekt "Ebersberg summt" mit sich bringt, an dem sich 53 Landwirte aus dem Landkreis seit diesem Frühjahr beteiligen. Um mehr Raum für Bienen oder Schmetterlinge zu schaffen, haben die Bauern Teile ihrer Getreidefelder in Blühstreifen verwandelt. Und die Bilanz nach der ersten Saison fällt - im Sinn des Wortes - durchwachsen aus.

Die Erfahrungsberichte laufen bei Josef Winkler zusammen, dem Geschäftsführer des Maschinenrings Ebersberg. "Ein Großteil will weitermachen", erklärt Winkler. Es gebe aber auch Bauern, die nach einer Saison wieder aufhören, oft werde wucherndes Unkraut als Grund genannt. Andere wiederum wollen nächstes Jahr einsteigen, erklärt Winkler. Er rechne damit, "dass die Zahl der Teilnehmer eher anwächst".

Auch die Anerkennung der Leute ist vielen wichtig

Einer, der weitermachen will, ist Martin Höher, 39, er hat seinen Hof in Baumberg bei Frauenneuharting. Sein Fazit nach einem Jahr fällt positiv aus - und "unkompliziert": Die Aussaat übernahmen einige wenige für die Gemeinschaft, so musste sich nicht jeder ein eigenes Gerät besorgen. Ohne großen Mehraufwand hat Höher ein 200 Meter langes und drei Meter breites Getreideareal am Feldrand ersetzt. Wo er vorher Mais pflanzte, blühten dieses Jahr Blumen. Ein Verlust also? "Mein Nachbar ist Imker und findet es total super, dass es summt und brummt", sagt Höher. Die Anerkennung der Leute sei für ihn "mehr als ein Ausgleich" für den Ertragsverlust.

Es sind etwa zehn Prozent der 500 bis 600 Bauern, die im Landkreis Ebersberg im größeren Stil Ackerbau betreiben und somit für das Projekt infrage kämen - die Zahl teilt das Ebersberger Landwirtschaftsamt mit. Zusammengerechnet haben die hiesigen Landwirte Blühstreifen mit einer Länge von 29,5 Kilometern angelegt. So sind gut zehn Hektar an Blühflächen entstanden, die vorher nicht da waren. Ein Anfang ist geschafft, macht aber nur den Bruchteil eines Prozents der Gesamtfläche aller Felder aus.

Es geht hier um ein umstrittenes Thema: Naturschützer sehen in der Landwirtschaft einen maßgeblichen Verursacher für das Bienensterben. Weil die Maiskolben auf Bayerns Feldern nur so sprießen und die Felder versiegeln. Und weil die bunten Wiesen, in denen sich die Bienen (vor allem Wildbienen) wohlfühlen, immer weniger geworden sind. Kreisobmann Franz Lenz, der in Zorneding einen Biohof betreibt, kennt die Debatte. Er sagt, die Aktion sei "nicht als Schuldeingeständnis" zu verstehen, eher als Gemeinschaftsaktion in eine andere Richtung.

Projekt "Ebersberg summt": Zum Auftakt des Projekts "Ebersberg summt" sät der Anzinger Landwirt Martin Kandler Anfang Mai eine Blühmischung am Feldrand.

Zum Auftakt des Projekts "Ebersberg summt" sät der Anzinger Landwirt Martin Kandler Anfang Mai eine Blühmischung am Feldrand.

(Foto: Christian Endt)

Nicht jede Blumenmischung ist gleich gut

Was bringt so eine Aktion? Bei dieser Frage sind sich die Bauern im Landkreis Ebersberg uneinig. Wenig überzeugt ist etwa der Zornedinger Landwirt Max Hollweck. Er sieht ein entscheidendes Problem: "Durch Blühstreifen zieht man sich die Unkräuter bis ins Maisfeld", sagt der 44-Jährige. Weil er sein Feld an der Grenze zum Blühstreifen von Pflanzenschutzmittel frei halten muss, so die Vorschrift. "Ich muss zwei Meter Mais ungespritzt lassen", sagt er. Dadurch breite sich das Unkraut vom Blühstreifen bis aufs Feld aus - und koste ihn Teile seines Ertrags.

Kaum ein Kraut ist dem Unkraut gewachsen, das erklärt der Botaniker Andreas Fleischmann von der LMU München, ein bekanntester Spezialist für Blühpflanzen. Selbst mit speziellen Saatgutreinigungsmaschinen sei es nicht möglich, Unkräuter wie etwa die Ackerkratzdistel restlos vom Feld zu bekommen. "Heutzutage würde deswegen aber kein Bauer mehr große Einbußen haben ", so Fleischmanns Einschätzung. Ginge es nach ihm, sollten die Landwirte sogenannte mehrjährige Blühstreifen mit dem hochpreisigen einheimischen Saatgut anlegen, anders als im Kreis Ebersberg, wo die meisten Landwirte bei ihrer Premiere eine deutlich billigere exotische Mischung verwenden, die nur eine Saison blüht und lediglich für Honigbienen geeignet ist. "Wildbienen und viele andere Insekten kommen bei ausländischen Gewächsen nicht an den Nektar heran", sagt Fleischmann. Etwa weil der Rüssel für eine tiefere Blüte zu kurz ist.

Kommendes Jahr will der Maschinenring Ebersberg die Aktion weiterführen, "und wenn machbar optimieren", sagt Geschäftsführer Winkler. Womöglich werde man sich Expertenrat holen, etwa um die Blühmischung besser auf die Bedürfnisse der einheimischen Insekten abzustimmen. Damit im Kampf gegen das Unkraut nicht am Ende die Wildbiene verliert.

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