Süddeutsche Zeitung

Premiere in Markt Schwaben:Der ganz normale Wahnsinn

Ein Fest, zwei Familien, viele Komplikationen: Die Komödie "Weihnachten auf dem Balkon" kommt beim Publikum im Theater am Burgerfeld bestens an

Von Peter Kees, Markt Schwaben

Derb und treffsicher hatte einst Loriot das familiäre Drama zum Fest der Liebe in seiner Posse "Weihnachten bei Hoppenstedts" vorgeführt. Ähnlich macht es der 1966 in Paris geborene Franzose Gilles Dyrek in seiner Komödie "Weihnachten auf dem Balkon". Zwei Familien in einem Pariser Mehrfamilienhaus feiern in zwei nebeneinander liegenden Wohnungen Weihnachten. Auf der Bühne sind allerdings lediglich die Balkone dieser Wohnungen zu sehen und diejenigen, die sich gerade darauf befinden. Auch in diesem Stück, das jetzt mit großem Erfolg erstmals im Theater am Burgerfeld aufgeführt wurde, nimmt das weihnachtliche Familiendrama seinen Lauf - und zwar in beiden Familien.

In der einen führt der Konflikt zwischen der Hausherrin und ihrer Schwiegermutter zu immer größeren Spannungen, in der anderen ist es der überraschend mitgekommene neue Freund von Marjorie - und alles Mögliche mehr. Der dramaturgische Trick dieser Burleske ist so simpel wie bestechend: die jeweils sechs Figuren einer Familien - zwölf Rollen insgesamt - werden von lediglich sechs Schauspielern gespielt. Dank der beiden Balkon-Schauplätze geht dies völlig unkompliziert. Wer von dem einen Balkon abgeht, zieht sich hinter der Kulisse flugs um, schlüpft in eine andere Rolle und taucht auf dem Nachbarbalkon wieder auf. Vergangenen Samstag hatte die 2015 in Paris uraufgeführte Komödie Premiere in Markt Schwaben (Regie: Ferdinand Maurer, Bühnenbild: Michael Siegert).

Wie war das mit dem Fest der Liebe, dem Fest der Familie? Harmonie ist nicht zwingend garantiert an solch einem Abend, lassen die weihnachtlich forcierten Zusammenkünfte doch gerne manches aufkochen, was sonst unter der Oberfläche schlummert. Stress ist angesagt, Hysterie oder um es mit Heiner Müller zu sagen: Familien sind Mördergruben. In Dyreks Komödie sind es Eliane und ihre Schwiegermutter Solange, die sich nicht riechen können. Etienne - Bruder des Ehemanns Patrick - ist von der Mutter seines pubertierenden Sohnes Sébastian längst getrennt, mit dem er völlig überfordert ist.

Sébastian wiederum kann Familienfeste dank seines jugendlichen Alters so gar nicht ausstehen und ist ständig nur am Handy zu sehen. In der benachbarten Familie haben die hochschwangere Anne-Cécile und ihr Hubert seine Geschwister zu Gast sowie dessen alkoholsüchtigen Vater, der unbedingt den Weihnachtsmann spielen will, was partout jeder zu verhindern versucht. Konflikt Nummer eins auf dem rechten Balkon: Marjorie bringt unangekündigt ihren neuen Freund Christophe mit - alle haben mit dessen Vorgänger gerechnet, der ebenfalls Christophe hieß, wie übrigens der davor auch.

In zwölf kleinen wie amüsanten Szenen werden die Konfliktpotenziale vorgestellt, einmal rechts einmal links. Die beiden Familien agieren noch völlig getrennt voneinander. Im zweiten Akt kommt es zur Begegnung, im dritten schließlich zur Vermischung. Opa Jaques hat zwischenzeitlich bei den Nachbarn den Weihnachtsmann gegeben und sich dort dem Alkohol gewidmet, was zu weiteren amüsanten Verwicklungen führt. Der ganz normale Wahnsinn - wie man hierzulande sagen würde. Es wird viel gelacht. Nahezu jeder streitet am Ende mit irgendjemandem. Mit trauter Familie hat das alles gar nichts mehr zu tun. Wo das alles hinführt? "Morgen das Ganze nochmal mit meiner Familie," lautet der Schlusssatz dieses Bühnenstücks.

Natürlich ist die Vorlage mit ihrem quirligen Sprachfluss mehr oder weniger ein Garant für einen launigen wie unterhaltsamen Theaterabend. So war es denn auch in Markt Schwaben. Die Spielfreude der sechs Darsteller - Michael Siegert, Sabine Bogenrieder, Andrea Kopietz, Frank Seidl, Ferdinand Maurer und Markus Palmié - war nicht zu übersehen. Auf Tempo wurde gespielt. Auf der einen Seite ein eskalierender Ehekrach mit einer fast zur einer Domina neigenden Eliane - auf der anderen der väterliche Trunkenbold im Nikolauskostüm sowie ein werdender Vater, der ständig in Ohnmacht fällt.

Trefflich haben die sechs Spieler diese zwölf Rollen verkörpert - vor allem so, dass sie auf beiden Balkonen die Charaktere überzeugend und jede Figur ganz und gar unverwechselbar darstellten. Dass das Stück manchen Tiefgang vermissen lässt, tat dem Ganzen keinen Abbruch. Das Premierenpublikum war begeistert.

Weihnachten auf dem Balkon. Komödie von Gilles Dyrek. Weitere Aufführungstermine im Theater am Burgerfeld: Freitag und Samstag, 13. und 14. Dezember, Samstag, 21. Dezember, jeweils um 20 Uhr. Karten im Vorverkauf online unter www.theater-marktschwaben.de oder an der Abendkasse.

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Quelle:
SZ vom 09.12.2019
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