Süddeutsche Zeitung

Premiere in Ebersberg:Zwangloses Kennenlernen

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Im Klosterbauhof stellen sich Vertreter unterschiedlicher Nationalitäten beim Festival "Vielfalt Ebersberg" vor

Von Stella Vogl, Ebersberg

Angefangen hat es mit der Frage, wie man interkulturelles Zusammenleben fördern könne. Ziel von Initiator Christian Zeisel, dem Integrationsbeauftragten der Stadt Ebersberg, und den beteiligten Vereinen wie dem Kreisjugendring Ebersberg oder dem Helferkreis Asyl sei dabei "ein zwangloses Kennenlernen" gewesen. Herausgekommen ist das Festival "Vielfalt Ebersberg". "Eine gute Möglichkeit des Zusammenkommens", wie Bürgermeister Walter Brilmayer sagt.

Davon zeugen am Samstagnachmittag im Klosterbauhof zahlreiche Gerichte aus Kulturen, deren Ursprung geografisch vielleicht weit entfernt liegt, aber welche im Landkreis längst ein zweites Zuhause gefunden haben. So trifft man gleich neben den klassischen Crêpes der Städtepartnerschaft Ebersberg-Yssingeaux auch auf eine argentinische Version, die mit Dulce de Leche serviert werden kann, einer karamellfarbenen Creme aus Kondensmilch. Doch das ist nicht die einzige Spezialität der Grafinger Roberto Gomez und Cristina Lucero. Die Besucher genießen hier die süße Aussicht auf bunt dekorierte Muffins und die selbstkreierte Torte von Lucero, ein Kunstwerk aus viel essbarer Dekoration, Schokolade, Buttercreme und Orangenlikör. Ergänzend zum Kuchen bietet Gomez auch Mate-Tee an, ein würzig-süßes Heißgetränk, das in einem ausgehöhlten und von Leder überzogenen Kürbis gereicht wird, wodurch nicht nur der Geschmack, sondern auch das Trinken selbst zu einem kleinen kulturellen Erlebnis wird.

Anders als Lucero kommt Gomez nicht aus Argentinien, sondern aus Spanien: der Grund, weshalb der Stand Spezialitäten aus gleich zwei Ländern anbietet, denn während Lucero die spanische Paella aufmerksam im Auge behält, schneidet Gomez gefüllte Teigtaschen auf. Diese Empanadas aus Argentinien können mit vielerlei gefüllt sein, sei es mit Fleisch, Käse oder Paprika und bekommen von zwei begeisterten Gästen sogleich einen Daumen nach oben. Wo sich Argentinien und Spanien zwar nicht den Kontinent, aber immerhin eine Sprache teilen, sieht es bei den Siebenbürger Sachsen und Rumänen wenige Meter weiter genau andersrum aus. Diese stammen zwar aus dem selben Land, sprechen allerdings unterschiedliche Sprachen. Während es am siebenbürgischen Stand mit Eier- und Baumkuchen eher süß zugeht, bietet Ovidia Zeisel gemeinsam mit Sohn Florian Herzhaftes an. Weißer Speck und Auberginencreme werden auf Brot gereicht und als Abrundung kann sich, wer mag, ein kleines Gläschen Pflaumenschnaps genehmigen.

Aus Rumänien kommt auch Remus Biletzki, er hat siebenbürgische Wurzeln. Vor etwa 800 Jahren, so erklärt er den historischen Hintergrund, sei ein "Volk aus dem luxemburgischen Raum", nämlich die Siebenbürger Sachsen, nach Rumänien gekommen. Inzwischen sei er in Folge einer "Familienzusammenführung" nach Ebersberg gezogen. Dass er weiterhin siebenbürgische Traditionen hochhält, sieht man nicht zuletzt an seiner Tracht, einem weißen Hemd mit schwarzen Stickereien und leuchtendem Blumenmuster.

Doch der Nachmittag bei herbstlich warmen Wetter unter wolkenlosem Himmel bietet neben einem kulinarischen Kontrast auch musikalische Abwechslung. Während die Gruppe Black Dia rund um Maka Seck und Abdoulaye Gueye mit Hip-Hop Stimmung macht, hält es der Frauenchor aus Ebersberg mit Stücken wie "Und die Liab is wie a Bach" lieber traditionell mit der Mundart. Bei den Auftritten steht freilich nicht immer die Musik im Mittelpunkt, wie der Balance-Akt von Sanka Ali beweist. Hochkonzentriert und unter angehaltenem Atem des gespannten Publikums jongliert er auf wackeligen Konstruktionen aus aufeinandergestapelten Hockern und zylinderförmigen Gefäßen auf einem Rola-Bola-Board.

Frei nach dem Motto "die Mischung macht's" sind aber nicht nur Angebote für Leib und Seele zu entdecken, sondern auch kreative und soziale Projekte. Das Team um Feuerwehrkommandant Uli Proske erklärt den Kleinsten anhand eines geöffneten Feuerwehrwagens die Geräte und zeigt, worauf man beispielsweise bei einer Absturzsicherung achten sollte. Organisationen wie der Verein für Internationale Jugendbegegnung aus oder das Bündnis "Bunt statt Braun" machen darauf aufmerksam, dass es in und um Ebersberg kulturell vielfältig zugeht. Zum Ausdruck bringen können das die Besucher auf Fahnen und Jutebeuteln, die mit bunten Farben verziert werden können.

Wer dabei vor künstlerischer Selbstverwirklichung zurückscheut, kann sich zumindest mit seinem Handabdruck auf dem ausgebreiteten Banner verewigen. Im Laufe des Nachmittags verteilen sich beachtlich viele bunte Handabdrücke rund um die Aufschrift "Vielfalt Ebersberg", darunter auch der von Bürgermeister Brilmayer. Allerdings nur als dezente Kontur - zugunsten seines Anzugs hat er auf einen Griff in den Farbtopf lieber verzichtet.

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Quelle:
SZ vom 23.09.2019
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